Qubits im Silizium

Durchbruch zum universellen Quantencomputer

28. Januar 2022, 8:01 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Drei mögliche Wege zum Silizium-Quantencomputer

In der neusten Ausgabe von Nature (20. Januar) ist der Artikel von Andrea Morelli und seinem Team nur einer von insgesamt dreien, die unabhängig voneinander zum Ergebnis kommen, dass robuste und zuverlässiges Rechnen auf Basis von Silizium möglich ist. Ein Durchbruch, den Nature auch auf ihrer aktuellen Titelseite würdigt.   

Das Team um Morello konnte für eine Ein-Qubit-Operation eine Fehlerfreiheit von 99,95 Prozent erreichen, eine Zwei-Qubit-Fehlerfreiheit von 99,37 Prozent. Die Ergebnisse wurden auf Basis eines Drei-Qubit-Systems aus zwei ionisierten Phosphoratomen und einem Elektron erzielt. Die Phosphoratome wurden mit Hilfe der Ionenimplantation in das Siliziumkristallgitter eingebracht. Die Kernspins haben den Vorteil, dass sie stabiler sind als Elektronenspins und deshalb längere Kohärenzzeiten erreichen. 

Dagegen setzt das Team aus Delft unter Führung von Lieven Vandersypen auf Elektronenspins auf Basis von in Quantendots in Si/SiGe-Material. Die Forscher kamen für Ein-Qubit-Berechnungen eine Fehlerfreiheit von 99.87 Prozent und 99.65 Prozent für Zwei-Qubit-Berechnungen. 

Ebenfalls auf Si/SiGe-Quantendots basieren die Ergebnisse des Teams vom Forschungs¬zen¬trum Riken bei Tokio, das Seigo Tarucha leitet: Das Team erreichte 99.84 Prozent und 99,51 Prozent Zuverlässigkeit. 

35 s Kohärenz – eine Ewigkeit

Das Team der UNSW und das Team aus Delft haben die Leistungsfähigkeit ihrer Quantenprozessoren mit Hilfe einer ausgeklügelten Methode namens »Gate Set Tomography« gemessen. Sie wurde an den Sandia National Laboratories in den USA entwickelt und steht der Forschungsgemeinde weltweit zur Verfügung. 
Andrea Morello hatte zuvor schon demonstriert, dass er die Quanteninformation für 35 Sekunden im Silizium bewahren kann. Das liegt daran, dass die nuklearen Spins sehr gut von ihrer Umgebung isoliert sind, also kaum mit dem Rest der Welt interagieren. 

»In der Quantenwelt sind 35 Sekunden eine Ewigkeit«, sagt Morello. »Zum Vergleich: In den Quantencomputern von Google und IBM liegt die Lebenszeit des verschränkten Zustands bei ungefähr 100 ms – was um den Faktor 1000 kürzer ist.«  

Allerdings hat die gute Isolierung der Atomkerne auch ihren Nachteil: Mehrere Qubits können so gut wie nicht miteinander interagieren, was aber erforderlich wäre, um sinnvolle Berechnungen durchführen zu können. 

UNSW/Kearon de Clouet
Das Team von der University of New South Wales (UNSW) ist auf dem Weg zu universellen Quantencomputern auf Siliziumbasis einen wichtigen Schritt vorangekommen: Dr. Asaad Serwan, Prof. Andrea Morello und Dr. Mateusz Madzik (v.l.n.r.). 
© UNSW/Kearon de Clouet

Der Trick mit den Phosphoratomen

Wie dieses Problem gelöst werden konnte, beschreibt das UNSW-Team im Artikel in Nature: Wie oben schon erwähnt, haben sie die ionisierten Phosphoratome ins Siliziumkristall implantiert und das Elektron zwischen sie gebracht. Über Mikrowellenpulse lassen sich die beiden Atomkerne und das Elektron verschränken. 

»Wenn zwei Kerne über dasselbe Elektron verbunden sind, können sie dazu gebracht werden, Quantenoperationen auszuführen«, erklärt Mateusz Mądzik aus dem Team von Morello. »Wenn das Elektron keiner Operation unterworfen wird, bewahren die Atomkerne ihre Quanteninformation. Über das Elektron kann man aber beide Kerne miteinander sprechen lassen. So lassen sich universelle Quantenoperationen realisieren, die sich auf jede beliebige Berechnung anpassen lassen.«

»Das ist eine bahnbrechende Entdeckung, die dem Quantencomputing Türen zu ganz neuen Möglichkeiten öffnet«, sagt Dr. Serwan Asaad vom UNSW-Team. »Die Spins der Atome bilden den Kern des Quantenprozessors. Wenn sie über das Elektron verschränkt werden, kann das Elektron an einen anderen Ort bewegt werden und dieser Zustand kann mit einem weiter entfernten Qubit verschränkt werden. So ließen sich größere Qubit-Gitter realisieren, die dann robuste und sinnvolle Berechnungen durchführen können. 

»Die Phosphor-Atome werden über Ionenimplantation in den Silizium-Chip eingeschossen, so wie es für die Fertigung von konventionellen ICs auch verwendet wird. Für unseren Durchbruch benötigen wir keine exotischen Techniken, sondern nur solche, die in IC-Fabs schon lange Einsatz finden«, sagt Prof. David Jamieson, Research Leader an der University of Melbourne. 

Fehlerraten unter 1 Prozent – jetzt geht es erst richtig los

Dass Computer Fehler machen, ist nichts neues, auch die heutigen Computer benötigen Fehlerkorrekturverfahren, um zuverlässig zu rechnen. Aber die Gesetze der Quantenmechanik stellen ganz neue Anforderungen daran, wie die Fehlerkorrektur in Quantencomputern stattfinden können. »Damit Fehlerkorrekturmechanismen in Quantencomputern funktionieren können, sind Fehlerraten von unter 1 Prozent erforderlich. Diesen Durchbruch haben wir und die anderen beiden Teams geschafft. Jetzt können auf dieser Basis Quantencomputer entwickelt werden, die sich hochskalieren lassen und nützliche Berechnungen durchführen können«, freut sich Andrea Morello. 

Zunächst aber kommt es darauf an zu zeigen, dass sich im Silizium deutlich mehr als zwei Qubits kombinieren lassen. Hier haben die Quantencomputer auf Basis von Supraleitung einen großen Vorsprung. Derzeit liegt der »Eagle« von IBM mit 127 Qubits in Führung. Es bleibt spannend, wie schnell sich die Siliziumsysteme weiter skalieren lassen und ob es gelingen kann, die derzeit führenden Quantencomputer zu überholen. 

So funktioniert offene Forschung weltweit

Der Durchbruch auf dem Gebiet des Quantencomputing ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie erfolgreiche Forschung funktioniert: Über den freien Austausch von Ideen, Menschen und Materialen. So wurde das Silizium und das Silizium-Germanium-Material, das die Teams aus Delft und RIKEN verwenden, in Delft hergestellt und beide Teams konnten es frei einsetzen. Das isotopengereinigte Silizium, das das UNSW-Team verwendete, hat Prof. Professor Kohei Itoh von der Keio University in Japan zur Verfügung gestellt. 

Die Methode der Gate Set Tomography (GST), die den Schlüssel sowohl für das Team in Delft als auch das UNSW-Team war, um die Zuverlässigkeit der Quanten-Gates zu quantifizieren und zu verbessern, wurde an den Sandia National Laboratories in den USA entwickelt und zur Verfügung gestellt. Die Sandia-Gruppe arbeitete direkt mit dem UNSW-Team zusammen, um spezifische Methoden für ihr Kern-Spin-System zu entwickeln. Dennoch war die Gruppe in Delft in der Lage, diese Methoden auf ihre Forschungen anzupassen.  

Außerdem wechselten viele Forscher immer mal wieder zwischen den Teams hin und her: Dr. Mateusz Mądzik, einer der Autoren des UNSW-Papiers, ist jetzt ein Postdoc-Forscher im Team in Delft. Dr. Serwan Asaad, ebenfalls Mitautor des UNSW-Papiers, war zuvor Student in Delft. Prof. Lieven Vandersypen, der das Team in Delft leitet, nahm 2016 ein fünfmonatiges Sabbatical und verbrachte es auf Einladung von Prof. Andrea Morello an der UNSW. Der Leiter des Material-Growth-Team, Dr. Giordano Scappucci, war zuvor Forscher an der UNSW.


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  2. Drei mögliche Wege zum Silizium-Quantencomputer

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