MEMS-Oszillatoren

5G erfordert präzise Taktgeber

8. November 2018, 9:12 Uhr | Von Dr. Klaus Barenthin

Der Mobilfunkstandard 5G wird die Möglichkeiten für das Internet der Dinge erheblich erweitern. Voraussetzung ist allerdings eine hohe Netzverfügbarkeit. Siliziumbasierte MEMS-Oszillatoren könnten dazu beitragen, die Basisstationen künftig noch effizienter zu synchronisieren.

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Unter dem Stichwort »5G« wird derzeit weltweit am neuen Mobilfunkstandard für die mobile Internetnutzung entwickelt. Für den erforderlichen Zuwachs bei Funkkanälen sind zusätzliche Frequenzbänder vorgesehen, zunächst im Bereich 3,4 bis 3,8 GHz und später auch zwischen 24 und 60 GHz. Erste Mobilfunknetzbetreiber werden voraussichtlich ab 2020 5G-Verträge mit Datenraten bis 10 Gbit/s und Antwortzeiten von unter 1 ms anbieten.

Bevor es soweit ist, gilt es für die Unternehmen allerdings erst einmal, in ihre Infrastruktur zu investieren: Vorhandene Basisstationen müssen aufgerüstet und neue hinzugefügt werden, letzteres vor allem wegen der bei höheren Frequenzen deutlich sinkenden Reichweite. Für die Synchronisierung dieser Basisstationen könnten MEMS-Oszillatoren aus Silizium künftig eine wichtige Rolle spielen. Der Blick auf die technischen Eigenschaften verdeutlicht, warum diese Oszillatoren, die bereits in vielen Industrieanwendungen genutzt werden, auch für anspruchsvolle Mobilfunk-Anwendungen prädestiniert sind.

Höchste Zuverlässigkeit

MEMS-Resonatoren zeichnen sich unter anderem durch höchste Zuverlässigkeit aus. Dafür werden bei führenden Herstellern – wie dem US-amerikanischen Unternehmen SiTime – zunächst die als Schwingelemente fungierenden Balkenstrukturen mit einem besonders leistungsfähigen Ätzverfahren (Deep Reactive Ion Etching) freigelegt, anschließend mit Flusssäure gereinigt und schließlich bei einer Temperatur von 1200 °C mit einem epitaktisch wachsenden Silizium-Deckel verschlossen.

Die Fertigung basiert auf den von Bosch entwickelten Produktionsprozessen MEMS First und Epi-Seal und garantiert bestens ausgeheilte, hochreine und hermetisch verschlossene Resonatoren, die sich zudem durch eine sehr geringe Alterung auszeichnen.

Die auf diesen Resonatoren beruhenden Oszillatoren von SiTime erreichen mit 2 DDPM (Defective Parts Per Million) und 1,2 Mrd. Stunden MTBF (Mean Time Between Failure) Spitzenwerte, die von herkömmlichen Quarz-Oszillatoren nicht einmal annähernd erreicht werden.

Klein und robust

Ein weiteres wesentliches Merkmal der MEMS-Resonatoren von SiTime ist ihre geringe Größe. Der komplette MEMS-Chip des in Bild 1 gezeigten Resonators hat bei einer Schwingfrequenz von 48 MHz Abmessungen von etwa 200 × 200 x 20 µm³. Mit lediglich 0,1 µg ist die Masse eines seiner Schwingelemente zudem bis zu 1000-mal geringer als die vergleichbarer Quarzresonatoren.

Der aktuelle 48-MHz-MEMS-Resonator von SiTime enthält vier Schwingelemente, die in der Mitte mechanisch gekoppelt sind
Bild 1. Der aktuelle 48-MHz-MEMS-Resonator von SiTime enthält vier Schwingelemente, die in der Mitte mechanisch gekoppelt sind.
© SiTime

Die Fertigung basiert auf den von Bosch entwickelten Produktionsprozessen MEMS First und Epi-Seal und garantiert bestens ausgeheilte, hochreine und hermetisch verschlossene Resonatoren, die sich zudem durch eine sehr geringe Alterung auszeichnen.

Die auf diesen Resonatoren beruhenden Oszillatoren von SiTime erreichen mit 2 DDPM (Defective Parts Per Million) und 1,2 Mrd. Stunden MTBF (Mean Time Between Failure) Spitzenwerte, die von herkömmlichen Quarz-Oszillatoren nicht einmal annähernd erreicht werden.

Die daraus resultierenden besonders kleinen Trägheitskräfte bewirken, dass diese Taktgeber Schockbelastungen bis 50.000 g und Vibrationen bis 70 g ausgesetzt werden können, ohne Schaden zu nehmen.

Activity Dip und Micro Jump

Activity Dip: Ein starker Anstieg des Widerstands, der über einen engen Temperaturbereich auftritt, wenn die Temperatur eines Resonators variiert wird. Historisch gesehen wurden Resonatoren in Oszillatoren getestet, bei denen eine Erhöhung des Widerstands dazu führte, dass das Niveau der Schwingung (Activity) abnahm (Dip); daher der Name. In Oszillatoren kann die Widerstandserhöhung im Extremfall dazu führen, dass die Schwingung über einen Temperaturbereich stoppt. Activity Dips werden in der Regel durch gekoppelte Modi verursacht, können aber gelegentlich auch durch geringe Mengen an Feuchtigkeit im Gehäuse des Resonators verursacht werden.

Micro Jump: Ein Oszillatorphänomen, bei dem sich die Frequenz des Oszillators plötzlich ändert. Die gelegentlichen, mikroskopischen Frequenzschritte, die durch Temperaturschwankungen induziert werden, sind oft zufällig und nicht wiederholbar.

 

Dank der robusten kapazitiven Systeme für den Antrieb der Schwingelemente und der Detektion ihrer Ausgangssignale gibt es bei MEMS-Resonatoren auch keine Anschwingprobleme. Im Gegenteil. Sie zeichnen sich sogar durch eine besonders hohe Schwingsicherheit aus. Dank der kleinen Abmessungen und der damit verbundenen geringen Antenneneffekte bietet ein MEMS-Resonator eine hohe elektromagnetische Störsicherheit, zu der auch die differenziellen elektrischen Anschlüsse beitragen. Effekte wie Micro Jumps oder Activity Dips, die bei Quarzresonatoren zu unerwünschten Frequenzänderungen führen können, treten bei MEMS-Resonatoren nicht auf (Kasten »Activity Dip und Micro Jump«).

Hohe Frequenzstabilität

 In den PLL-gestützten Super-TCXOs der Elite-Reihe von SiTime arbeiten zwei Resonatoren (DualMEMS).
Bild 2. In den PLL-gestützten Super-TCXOs der Elite-Reihe von SiTime arbeiten zwei Resonatoren (DualMEMS). Einer erzeugt das Taktsignal, der zweite dient als Temperatursensor und ermöglicht so eine Korrektur der Frequenz (TurboCompensation).
© SiTime

Ein wesentliches Qualitätskriterium von Oszillatoren ist die Stabilität ihrer Ausgangsfrequenz. Auch in dieser Hinsicht erweisen sich MEMS-Resonatoren als ideale primäre Taktquelle. Sie erzeugen ein sehr stabiles Taktsignal, dessen Drift abhängig von Temperatur, Versorgungsspannung, Zeit und anderen Einflussgrößen meist nur relativ gering ist.

Dies ermöglicht eine sehr präzise Korrektur des Temperaturganges auch in weiten Temperaturbereichen. So lassen sich schon mit herkömmlichen MEMS-Resonatoren Oszillatoren mit Toleranzen bis ±10 ppm und temperaturkompensierte MEMS-Oszillatoren (TCXO – Temperature Compensated Crystal Oscillator) mit Toleranzen bis ±5 ppm realisieren, die z. T. sogar den militärischen Temperaturbereich –55 bis +125 °C abdecken.

Eine weitere erhebliche Verbesserung der Frequenzstabilität von TCXOs gelang SiTime mit den 2016 entwickelten Dual-MEMS-Resonatoren. Diese Bausteine bestehen aus einem temperaturstabilen Resonator (TempFlat) für das Taktsignal und einem definiert wärmeempfindlichen Resonator (TempSense) für die Temperaturmessung. Beide werden monolithisch auf einem MEMS-Chip integriert (Bild 2).

Kasten Zusammenarbeit Bosch
Kasten Zusammenarbeit Bosch
© SiTime
Super-TXCOs wie der SiT5356 und der SiT5357 von SiTime erreichen selbst im Temperaturbereich von –40 bis +105 °C noch eine Frequenzstabilität von ±100 ppb
Bild 3. Super-TXCOs wie der SiT5356 und der SiT5357 von SiTime erreichen selbst im Temperaturbereich von –40 bis +105 °C noch eine Frequenzstabilität von ±100 ppb.
© SiTime

Ihre enge thermische Kopplung und die von SiTime entwickelte Temperaturkompensation (TurboCompensation) ermöglichen eine schnelle und präzise Korrektur der Frequenz. Die Technik setzt SiTime in den aktuellen Super-TCXOs der Elite-Reihe ein.

Die im Bereich 1 bis 220 MHz einsetzbaren Bausteine SiT5356 und SiT5357 (Bild 3) bieten selbst im Temperaturbereich von –40 °C bis +105 °C noch eine Frequenzgenauigkeit bis ±100 ppb. Ihre Allan-Deviation (ADEV) erreicht bei einer Mittelungszeit von 10 s einen Wert von 3 × 10-11. Mit diesen Werten erfüllen die Super-TCXOs der Elite-Reihe alle Anforderungen nach NTP (Network Time Protokoll) für Systeme der dritten Schicht (Stratum 3).

Sie ermöglichen den stabilen Betrieb zeitkritischer Systeme auch bei starken Beeinträchtigungen aus der Umgebung, die z. B. durch Luftströme, Temperaturwechsel, Vibrationen, Schock, eine instabile Spannungsversorgung oder elektromagnetische Störungen verursacht werden können.

Präzise Taktquellen für 5G-Roadmap

Mit den DualMEMS-Oszillatoren sind die Möglichkeiten von MEMS-Resonatoren hinsichtlich einer weiteren Verbesserung der Frequenzstabilität noch nicht erschöpft.

Dies verdeutlicht die aktuelle TCXO-Agenda von SiTime, in der das Unternehmen in den nächsten drei Jahren neue Stabilitätsspitzenwerte anvisiert:

  • 2019: ±50 ppb (RF TCXO) und ±10 ppb (Stratum 3E) für den Temperaturbereich von –40 bis +105 °C,
  • 2020: ±1 ppb für den Temperaturbereich von –40 bis +105 °C (Stratum 2) und
  • 2021: schließlich ±0,1 ppb für den Temperaturbereich von –40 bis +85 °C.

 

Der Autor

 

Dr.-Klaus-Barenthin von SiTime
Dr. Klaus Barenthin
© SiTime

Dr. Klaus Barenthin

studierte Technische Kybernetik und Elektrotechnik an der Technischen Universität Magdeburg, wo er anschließend auch arbeitete und später promovierte. 1990 wechselte er zu SE Spezial-Electronic und übernahm dort 2007 die Position des CTO. Obwohl inzwischen im Ruhestand, engagiert er sich nach wie vor als Autor und schreibt über technische Fortschritte bei elektronischen Bauelementen.

Klaus_Barenthin@spezial.com


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