Interview mit Roy Wan, Adlink Technology

Vertikales Wachstum im Fokus

11. November 2023, 11:00 Uhr | Tobias Schlichtmeier
Roy Wan, Managing Director EMEA bei Adlink Technology, im Gespräch mit Markt&Technik-Redakteur Tobias Schlichtmeier.
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Roy Wan ist Managing Director EMEA beim Embedded-Hersteller Adlink Technology. Er ist bereits seit über 20 Jahren in Deutschland für Adlink tätig und will das Unternehmen aus Taiwan noch stärker auf den europäischen Markt ausrichten. Welche Aufgaben er hierfür lösen muss, erfahren Sie im Interview.

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Markt&Technik: Herr Wan, für einen Embedded-Hersteller ist Ihr Portfolio an Produkten und Services riesig. Wie schaffen Sie es, sich am Markt zu differenzieren?

Roy Wan: In unserem Produktportfolio unterscheiden wir entweder nach dem Formfaktor der Produkte oder nach der vertikalen Ausrichtung der Applikation, zum Beispiel medizinische Panel-PCs als eigenständige Produktgruppe. Neben unseren klassischen Hardware-Produkten bieten wir unseren Kunden ebenfalls Dienstleistungen an – hierbei hat jede Business-Unit ihre ganz eigene Ausrichtung sowie einen eigenen Kunden- und Lieferantenkreis. Von anderen Embedded-Unternehmen unterscheiden wir uns in dem Sinne, dass wir neben dem Modulgeschäft ebenfalls Displays anbieten können. Wir sprechen außerdem mit Kunden auf Augenhöhe und verstehen deren Bedarf. Zusammen mit unserem Headquarter in Taiwan formulieren wir jedes Jahr eine strategische Vision und legen eine langfristige Strategie für uns und unsere Kunden fest. Für Außenstehende mag unser Produktportfolio sehr groß erscheinen, jedoch ist es lediglich vertikal ausgerichtet. So bedienen wir beispielsweise mit unseren COM-Express-Modulen die Branchen Industrie, Automation, Gesundheitswesen, Robotik und Handel.

In welche Bereiche investieren Sie verstärkt und können damit Wachstum generieren?

Mit der Investition von AUO – die derzeit mehr als 30 Prozent der Adlink-Aktien halten – verstärken wir unsere vertikale Marktausrichtung, gehen verstärkt in Premium-Segmente und erhöhen unser vertikales Know-how, um den Gewinn für beide Unternehmen zu maximieren. Wir nutzen das Know-how von AUO, um unsere Monitore zu entwickeln und unsere eigenen Panel-PCs zu fertigen. In naher Zukunft planen wir, eine Reihe neuer Produkte mit integrierten Displays auf den Markt zu bringen. Wir setzen auf dieses modulare Konzept, um unser Wachstum weiter voranzutreiben. Darüber hinaus streben wir danach, die Time to Market für unsere Kunden zu verkürzen, zum Beispiel durch die gemeinsame Entwicklung von Produktgehäusen in enger Zusammenarbeit mit ihnen.

Gerade KI ist eine Schlüsseltechnologie der Zukunft. Inwieweit unterstützen Sie Kunden bereits beim Implementieren von KI-Applikationen?

Wir unterstützen bereits erste Kunden beim Implementieren von KI-Applikationen, indem wir ihnen bei der Entwicklung und dem Trainieren von KI-Modellen helfen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass unser Hauptgeschäftsfeld das Bereitstellen von Hardware-Produkten ist. Wir prüfen von Fall zu Fall, welche Art von Dienstleistungen oder Middleware wir hinsichtlich KI in Kombination mit unserer Hardware anbieten können, und integrieren diese entsprechend. Bisher bieten wir jedoch keine vollständige KI-Software für Kunden an. Stattdessen beraten wir unsere Kunden bei der Auswahl der geeigneten Plattform für ihre spezifische KI-Applikation.

Des Weiteren statten wir unsere SMARC-Module, die mit Arm-Prozessoren arbeiten, mit der »SystemReady«-Zertifizierung aus, um die Module für zukünftige KI-Implementierungen vorzubereiten. Zudem unterstützen wir unsere Kunden dabei, ihre Software nahtlos mit unserer Hardware zu integrieren. Wir verfügen über eine Datenbank, die unseren Kunden bei der Vorauswahl der für sie geeigneten Module hilft. Hierbei wählen sie zunächst das neuronale Netzwerk aus und führen das Training durch, wobei wir sie nach den erforderlichen Parametern befragen. Anschließend schlagen wir ihnen die optimal geeignete Plattform vor.

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Pocket AI ist ein KI-Beschleuniger für die Hosentasche. Damit lassen sich herkömmliche PCs zu KI-Rechnern aufwerten.
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Gerade Nvidia ist ein wichtiger Partner von Adlink hinsichtlich KI. Wie sieht die weitere Zusammenarbeit aus?

Wir waren der erste Partner, der mit Nvidia im Bereich Embedded-GPU-Computing zusammengearbeitet hat. Zudem integrieren wir Nvidias MXM-Grafikmodule für KI-Applikationen, um einen besseren Lifecycle-Support zu erreichen. Wir arbeiten außerdem mit Nvidia an einer vertikalen Plattform für die Medizintechnik. Die Plattform ist eine Kombination aus dem Jetson-Orin-AGX-Modul und einer A6000-GPU mit InfiniBand-Konnektivität.

Außerdem haben wir zusammen mit Nvidia den sogenannten Pocket AI entwickelt. Es ist eine Hardware-Plattform, die herkömmliche PCs mit einer KI-Beschleunigung ausstattet. Pocket AI arbeitet mit der A500-GPU von Nvidia und besitzt eine Thunderbolt-Schnittstelle, mit der man Pocket AI einfach an einen PC anschließen kann und die die nötige Leistung bereitstellt – die nötigen Treiber lassen sich ebenfalls leicht installieren. Hiermit können Anwender einen Low-End-PC einfach zu einem KI-Rechner aufwerten und die nötigen Frameraten von 60 Hz erreichen, die für die meisten KI-Aufgaben ausreichen. Das Design eignet sich zum Beispiel sehr gut für 3D-Design-Aufgaben.

Ein weiterer wichtiger Wachstumstreiber ist 5G. Wie sieht Ihre Strategie hinsichtlich 5G-ready-Produkten aus?

Bezüglich 5G sprechen wir nicht über den Konsumgütermarkt, sondern über private 5G-Netze, wie wir sie in Fabriken oder Logistikzentren finden. Private 5G-Netze werden überall dort benötigt, wo in Zukunft autonome mobile Roboter (AMR) zum Einsatz kommen. Warum 5G besser geeignet ist als WiFi, hat mit der Latenz zu tun, denn diese ist mit 5G kontrollierbar. Das bedeutet, dass die Benutzer individuelle Parameter einstellen können und der Wechsel zwischen Basisstationen durch die QoS-Einstellungen besser abgedeckt ist.

Wir arbeiten derzeit mit unterschiedlichen Unternehmen an einem sogenannten MECmobile-Edge-Server-Konzept. Hierbei wollen wir bereits vorhandene Hardware – zum Beispiel Basisstationen – mit entsprechender Software ausstatten, um sie für 5G vorzubereiten. Das ist meist ein minimales Setup mit großem Nutzen. So lassen sich zum Beispiel die Latenzen kontrollieren, was wichtig für künftige Fabriken ist. Hinsichtlich AMRs arbeiten wir zusammen mit AUO und Foxconn an einer Testumgebung für 5G-Netzwerke, um unsere Konzepte und Produkte ausreichend testen zu können.

Im Embedded-Computing-Markt ist seit Jahren die Standardisierung ein wichtiger Treiber, um Wachstum zu generieren und gleichzeitig Second oder Third Sources anzubieten. Wie sind Sie hinsichtlich COM Express, COM-HPC oder OSM aufgestellt?

Hauptsächlich verkaufen wir immer noch COM-Express- und SMARC-Module, je nachdem ob ein Kunde eher Grafik- oder komplexe Computing-Leistung nutzen möchte. Auch COM-HPC wird immer stärker nachgefragt, es bedient vor allem Hochgeschwindigkeits-Schnittstellen und Server-CPUs mit Multicore-Processing. Wir setzen erste Projekte mit COM-HPC um, es macht aber noch nicht den Großteil der Projekte aus. Jedoch wird der Standard eine wichtige Rolle einnehmen, um den Bedarf zu decken, den COM Express leistungsmäßig nicht mehr abdecken kann.

OSM hingegen ist eine völlig neue Idee – hat aber einen großen Hype ausgelöst. Viele Kunden fragen uns derzeit noch nach Pro und Contra zwischen OSM, SMARC sowie kundenspezifischen Entwicklungen. Wir denken, OSM kann Bereiche abdecken, die SMARC nicht abdecken kann, zum Beispiel PCIe Gen 4 oder 5 oder schnellere Ethernet-Ports, die derzeitige SMARC-Version hat hier gewisse Limitierungen. Jedoch ist OSM sehr komplex, was die Produktion betrifft, zudem muss man noch sehr viel Zeit in das Lieferantenmanagement, Design, Validation und Testing investieren. Wir arbeiten derzeit an einem ersten OSM-Modul basierend auf NXPs i.MX93-Prozessor. Erste Muster wird es Ende des Jahres geben, die Massenproduktion werden wir frühestens im zweiten Quartal 2024 starten.

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Roy Wan, Adlink Technology: Das Display-Geschäft soll in Zukunft eines der Haupttreiber für unser Unternehmenswachstum sein.
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Die PICMG arbeitet derzeit an einem Standard für Industriecomputer: ModBlox7. Sind Sie hier involviert und wie schätzen Sie die Aktivitäten zum neuen Standard ein?

Persönlich sehe ich es nicht wirklich als Industriecomputer-Standard an, da hierfür ein spezieller Adapter erforderlich ist, was bedeutet, dass auch spezielle I/Os und Ähnliches benötigt werden. Ein ähnliches Problem gab es beispielsweise in der Vergangenheit mit MicroTCA – es bedurfte Unternehmen, die den Bedarf an speziellen I/Os abdeckten, und wir sind eines dieser Unternehmen. Wir sind immer bei PCI (Express) oder CompactPCI (Serial) geblieben und haben dafür eigene I/Os entwickelt. Im Fall von ModBlox7 nehmen wir eine abwartende Haltung ein. Wir verfolgen die Standardisierung und hoffen, dass sich ein neues Marktsegment entwickelt, das mit ModBlox7 bedient werden kann. Wenn es tatsächlich sinnvoll erscheint, sind wir bereit, uns darauf einzulassen und zu investieren.

Welche langfristige Strategie verfolgt Adlink hinsichtlich des Wachstums und der Marktausrichtung?

Unser CEO Jim Liu, der auch CSO von AUO Display Plus ist, treibt die Synergien zwischen den beiden Unternehmen weiter voran. In vielen Fällen, wenn ein Kunde ein Display benötigt, benötigt er gleichzeitig auch einen Industrie-PC, und umgekehrt. Daher stärken wir unsere Vertriebs-Teams, damit sie beide Produkte anbieten können. Das Display-Geschäft soll in Zukunft eines der Haupttreiber für das Unternehmenswachstum sein.

Zusätzlich treiben wir die Kooperationen in den Bereichen Automotive und Robotics voran, um auch hier weiteres Wachstum zu generieren. Ein Beispiel ist unsere enge Zusammenarbeit mit Foxconn im Bereich Robotics, insbesondere bei autonomen mobilen Robotern. Darüber hinaus haben wir 2015 ZettaScale erworben, ein Softwareunternehmen, in das jüngst auch TTTEch investiert hat. ZettaScale ist auf Echtzeit-Software spezialisiert, was von entscheidender Bedeutung für autonomes Fahren ist. In Bezug auf autonomes Fahren konzentrieren wir uns insbesondere auf den Bereich Logistik- und landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Kaufkriterium für viele Kunden geworden. Welche Maßnahmen setzen Sie bei den Punkten Energieerzeugung, Produktion und Logistik/Recycling um?

Einerseits befolgen wir die Richtlinien der Responsible Business Alliance (RBA) und sind mittlerweile zertifiziert. In Bezug auf unseren CO2-Fußabdruck orientieren wir uns an den Regierungsvorgaben aus Taiwan. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 bis zu 25 Prozent unserer CO2-Emissionen zu reduzieren und bis 2050 vollständig klimaneutral zu sein. Darüber hinaus profitieren wir von den Erfahrungen unseres Investors AUO im Bereich Nachhaltigkeit, die sie mit uns teilen. Auf diese Weise können wir kontinuierlich Schritte zur Verbesserung unternehmen.

Software wird im hart umkämpften Hardware-Markt immer wichtiger, vor allem für KI-Applikationen. Wie können Sie sich hier von Marktbegleitern differenzieren und Ihren Kunden Software-Services anbieten?

Ich denke, wir müssen unsere Hardware mit unserer Software-Strategie verbinden. Wir haben zum Beispiel viele SMARC-Module mit Prozessoren von verschiedenen Herstellern wie Qualcomm, NXP oder Intel. Zunächst möchten wir unsere Produkte Arm-SystemReady zertifizieren, um ein offenes Ökosystem zu schaffen. Das ist sehr wichtig für unsere Kunden, damit sie sich ganz auf das Implementieren des kompletten Systems konzentrieren können. Ein Beispiel ist die ONNX-Initiative. Dieses Konzept soll die Software unabhängig von der Hardware gestalten – hier wollen wir mit unseren Produkten ansetzen.

Außerdem arbeiten wir mit vielen Software-Anbietern zusammen, die nochmal eine andere Expertise mitbringen, sei es im Sinne der zu trainierenden Modelle oder der Marktausrichtung. Fragt uns ein Kunde nach einem KI-Modell, bringen wir alle Parteien zusammen.


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