Aaronn Electronic hat sich in den vergangenen Jahren konsequent vom reinen Distributor hin zum Systemintegrator für Embedded-Computing- und IIoT-Anwendungen entwickelt. Geschäftsführer Florian Haidn erläutert, was dahintersteckt und warum das Unternehmen ohne Branchenfokus auskommt.
Markt&Technik: Worauf lässt sich der Trend zu Komplettlösungen im Embedded-Computing zurückführen? Welche Ursachen hat er?
Florian Haidn: Kunden fokussieren sich immer mehr auf ihr Kern-Know-how und suchen Experten, die nicht nur einzelne Komponenten, sondern Systeme liefern, die die Kunden dann als sogenannte Subsysteme in ihre Applikationen integrieren können. In einer zunehmend vernetzten, komplexen Technologiewelt zählt Effizienz. Unternehmen stehen unter hohem Innovations- und Kostendruck. Der Bedarf an schlanken Entwicklungsprozessen und kürzeren Time-to-Market-Zeiten wächst.
Wie macht sich der Trend zu Komplettlösungen in den Wünschen der Kunden bemerkbar?
Kunden suchen Lösungen und können dadurch auch die Anzahl der Lieferanten verringern, die nur einzelne Komponenten liefern. In den Gesprächen stellen wir oft fest, dass neben dem Computer-on-Module oder Computerboard auch Zusatzkomponenten wie DRAMs, SSDs, Betriebssysteme, Add-on Karten benötigt werden - am besten in einem Gehäuse, das die Wärme entsprechend gut ableitet. Hier kommt unsere jahrelange Erfahrung im Systemdesign zum Tragen.
Wie laufen Prozesse zur Auswahl geeigneter Hard- und Software in Kundenprojekten ab?
Idealerweise kontaktiert uns ein Interessent mit einer Anfrage für Embedded-Computing und beschreibt seine Applikation. Unser Vertriebsteam erfasst dann in enger Abstimmung mit unseren dedizierten Solution Architects die individuellen Anforderungen. Auf dieser Basis erarbeiten wir mögliche individuelle Lösungen und stellen sie dem Interessenten vor. Der Interessent wählt einen oder mehrere Vorschläge aus, und wir gehen in die Beschaffung der Komponenten für die Prototypen.
Hier kommt einer unserer großen Vorteile zum Tragen, Stichwort Time-to-Market: Um die Zeit bis zu einem ersten Prototypen zu verkürzen, haben wir durch eine Vielzahl eigener Maschinen und Tools die Möglichkeit, größtenteils autark zu agieren. Wir bestücken beispielsweise Leiterplatten, fräsen Gehäuse, gravieren Beschriftungen, drucken Komponenten in verschiedenen 3D-Druckern oder führen Temperaturtests in unserem eigenen Klimaschrank durch. Das beschleunigt nicht nur die Entwicklung, sondern hilft auch, technische Risiken früh zu erkennen und zu minimieren.
Welche Kriterien gelten aus Ihrer Sicht für die Auswahl geeigneter SoCs, Boards (sprich: Computer-on-Modules, Mainboards, Single-Board-Computers) und Formfaktoren?
Die Auswahl hängt stark vom Anwendungsszenario ab. Faktoren wie Rechenleistung, Energieverbrauch, Schnittstellen, Temperaturbereiche, Lebenszyklus und Sicherheitsfunktionen spielen eine entscheidende Rolle. Die Kriterien sind vielfältig und immer individuell. Durch unsere Erfahrung und unser breites Partnernetzwerk, in dem die führenden Hersteller von ECT, Embedded Computing Technology, mit dabei sind, finden wir schnell passende Lösungsvorschläge, die dann gemeinsam mit den Interessenten erörtert werden. Wir denken ganzheitlich. Bei der Auswahl berücksichtigen wir bereits, wie das System später gekühlt wird, welche Software läuft und wie es im Feld gewartet wird. Das spart später Kosten und Frust.
Welche Kriterien gelten aus Ihrer Sicht für die Auswahl und das Customizing von Embedded-Software und Entwicklungs-Tools?
Auch hier gilt: Die Entscheidung ist stark anwendungsspezifisch. Während eine Boardlösung mehr Flexibilität bietet, überzeugen Komplettlösungen oft durch eine kürzere Implementierungszeit und geringeren Integrationsaufwand. Unsere Stärke liegt darin, beides anzubieten, abgestimmt auf die spezifischen Anforderungen. Das gilt auch für Embedded-Software und Tools, die wir individuell anpassen oder bereitstellen können.
Welche Bedeutung haben Lagerhaltung sowie Lieferketten-, Verfügbarkeits- und Obsolescence-Management heutzutage, auch angesichts der weltweiten wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten? Was bietet Aaronn Electronic diesbezüglich seinen Kunden an?
Dieses Thema erfährt eine Renaissance. Nach der massiven Allokation in den Jahren 2021 und 2022 haben wir erwartet, dass viele Kunden nicht nur kurzfristig, sondern strategisch in ihre Lieferfähigkeit investieren. Wegen der herausfordernden finanzpolitischen Rahmenbedingungen und der nach wie vor gedämpften makroökonomischen Stimmung versuchen viele Kunden, die Kapitalbindung so gering wie möglich zu halten. In Anbetracht der zusätzlichen geopolitischen Unsicherheit ist dies jedoch ein hohes Risiko.
Hier kommen wir ins Spiel: Als eigentümergeführtes und finanziell unabhängiges Unternehmen bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, durch Mengenkontrakte die Lieferfähigkeit abzusichern: Wir lagern die Ware komplett oder teilweise ein, die Kunden bezahlen dafür einen kleinen Mehrpreis und erhöhen dadurch ihre Liquidität. Das wird von unseren Kunden gerne angenommen.
Gleichzeitig betreiben wir aktives Obsolescence Management: Wir behalten Produktabkündigungen im Blick und bieten rechtzeitig Alternativen an.
Inwieweit kann Aaronn Electronic auch die Fertigung kundenspezifischer Lösungen übernehmen?
Durch die individuelle Beratung und die internen Möglichkeiten realisieren wir viele kundenspezifische Lösungen – sowohl kundenspezifisch angepasst als auch individuelle Komplettlösungen – ganz im Sinne unseres Mottos: Wir sind der Embedded-IoT-Customizer.
Was kann Aaronn Electronic mit seinen Partnern in puncto Edge-KI für Kunden tun?
Edge-KI ist nicht von ungefähr in aller Munde: Durch das immer bessere Performance/Preis-Verhältnis - höhere Performance wird immer bezahlbarer - und durch die Anforderungen an geringe Latenz zum einen und Datensouveränität zum anderen wird Edge-KI immer wichtiger. Wir bieten hier eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte an – vom Motherboard bis hin zum Edge-KI-Server. Gemeinsam mit unseren Partnern begleiten wir Kunden von der Auswahl über das Design-in bis hin zur Serienintegration.
Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen hat Aaronn Electronic keinen Branchenfokus. Warum nicht? Welche Nachteile hätte ein Branchenfokus, und welche Vorteile hat es, keinen zu haben?
Das ist eine sehr gute Frage. Wir sehen uns als Experten für Embedded IoT und fokussieren uns auf Technologie, nicht auf Branchen. Unsere Produkte und Subsysteme liefern wir in die unterschiedlichsten Märkte und gewährleisten, dass wir mit unseren Systemen die Anforderungen der Kunden erfüllen. Ein kundenspezifischer Box-PC lässt sich beispielsweise in einem Medizingerät, einer Automotive-Anwendung oder einer industriellen Automatisierungslösung einsetzen.
Das macht zum einen unsere tägliche Arbeit abwechslungsreich und spannend, zum anderen können sich unsere Kunden darauf verlassen, dass wir in Sachen Embedded IoT stets auf dem neuesten Stand sind. Für individuelle Branchenrichtlinien und Zertifizierungen sind unsere Kunden Experten, wir unterstützen aber gerne bei allgemeinen Zertifizierungsnormen.