Trotz zunehmend digitaler Technik leben wir in einer analogen Welt mit allen ihren physikalischen Parametern wie Temperatur oder Druck. Bevor solche Daten mit moderner Rechentechnik weiterbearbeitbar sind, sind sie zunächst zu erfassen. Hier spielt die analoge Messtechnik eine entscheidende Rolle.
Ein analoges Front-End zum präzisen Erfassen von Spannung, Strom und Widerstand, dort wo die Daten anfallen, also am Edge, ist ein zuverlässiger Weg, um sowohl die Ansprüche der Mess- als auch der Computertechnik zu erfüllen. Lange Kabelstrecken beaufschlagen das Nutzsignal mit parasitären Widerständen, Kapazitäten und Induktivitäten und verfälschen das Messergebnis. Hinzu kommen das Thema der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) sowie Material- und Montagekosten. Als Faustformel gilt: Je näher man am Ort des Geschehens ist, umso besser für das Messergebnis. Ist man beim Messen darauf angewiesen, zeitlich präzise das Verhältnis zwischen Spannung und Strom zu erfassen, so ist das analoge Messen vor Ort unkomplizierter, als digitale Einzelwerte mit komplizierten Synchronisationsmaßnahmen wieder korrekt zusammenzuführen. Somit ist eine Applikation gefragt, die schon eine hohe Vorintegration bietet und über klare Schnittstellen verfügt.
TQ-Embedded stellt sich den Hürden und hat mit dem »MBa117xL« einen Single-Board-Computer (SBC) auf Basis des Crossover-Mikrocontrollers »i.MX RT1170« von NXP Semiconductors entwickelt. Er bietet eine umfangreiche Computerfunktion und verfügt zusätzlich über ein analoges Front-End (AFE), das schnell, unkompliziert und präzise analoge Messwerte erfassen und digitalisieren kann. Mit seinen Maßen von 160 mm × 100 mm ist die Baugruppe kompakt genug, um in unmittelbarer Nähe zu den Signalquellen ihre Arbeit zu verrichten.
Die Grundlage für das analoge Front-End ist das NXP Analog Front End (N-AFE, Bild 1): Der Baustein enthält
Die analogen Spannungseingange sind für EMV und Fehlverdrahtungsszenarien über Dioden geschützt. Zudem ist der Baustein mit Diagnoseschaltungen für funktionale Sicherheit sowie Überwachung und Erkennung ausgestattet. Strom- und Spannungsquellen sind für Loop-Back-Messungen oder das Bereitstellen einer driftarmen Ausgangsvorspannung implementiert. Zwei präzise Spannungsreferenzen stehen für die End-to-End-Selbstkalibrierung des Systems und das Erkennen von Anomalien für die vorausschauende Wartung bereit.
N-AFE ist ein hoch konfigurierbares, universelles Analog-Front-End mit acht Eingängen und verschiedenen integrierten Diagnosefunktionen. Bei den analogen Eingängen sind die Low-Leakage-Pins entweder als acht Single-Ended- oder vier Differenzsignale mit acht wählbaren Programmable-Gain-Amplifier(PGA)-Verstärkungen von 0,2 V/V bis 16 V/V beziehungsweise differenziellen Vollbereichen von ±25 V bis ±312,5 mV konfigurierbar.
Im Allgemeinen sind alle High-Voltage(HV)-Eingangscharakteristiken für die linearen (nominalen) Eingangsbereiche für alle Einstellungen der Kanalverstärkung spezifiziert – das entspricht 80 Prozent des vollen Eingangsbereichs. Die Differenzsignale am PGA-Ausgang werden vor dem 24-bit-ΔΣ-ADC mit der integrierten 2,5-V-Spannungsreferenz skaliert und gepuffert. Zusätzlich zu den differenziellen Nebeneingängen GPIO0-GPIO1 werden vier Niederspannungs-Diagnosesignale an den ADC gemultiplext: die Stromversorgungen AVDD, HVDD, HVSS sowie eine unabhängige Referenzspannung.
Die von der internen Spannungsreferenz (VREF) abgeleiteten Spannungsquellen REFH und REFL sind über Pins für externe Messungen verfügbar. Sie sind ebenso als Eingange an den HVMUX angeschlossen und können für die On-Chip-Selbstkalibrierung oder für Selbstdiagnosezwecke zum Einsatz kommen, unabhängig von den Spannungsreferenzquellen, die entweder extern, intern oder gemischt sein können. Werden sie mit den werksseitig kalibrierten Koeffizienten geliefert, erleichtern REFH- und REFL-Routinekalibrierungen, die leichter und ohne zusätzliche Präzisionskomponenten zu erreichen sind.
Ein On-Chip-Temperatursensor ist für das kontinuierliche Überwachen der Chiptemperatur mit 16-bit-Auswertung integriert. Weil er unabhängig vom 24-bit-ADC ist, lässt sich die Temperatur bei jeder Messung aufzeichnen, während die ADC-Umsetzungserkennung läuft. Zusätzlich zum ständigen Überwachen der Übertemperatur für die Geräte-Warnung bei 145 °C und die automatische Abschaltung bei 165 °C lässt sich der programmierbare Temperaturalarm so einstellen, dass ein Interrupt über das »Global Alarm Register« ausgelöst wird.
N-AFE verfügt über zehn GPIOs, die die meisten Erfordernisse für Instrumentieren, Überwachen und Steuern in typischen Applikationen erfüllen. Für die Skalierbarkeit und synchrones Steuern mehrerer N-AFEs und anderer Bausteine können die programmierbaren On-Chip-Taktquellen entweder der interne Oszillator, ein Quarzoszillator oder ein anderer Baustein im externen Taktmodus sein. Neben der Daten- und Wandlungssynchronisation über Hardware-Pins ist alternativ eine Taktsynchronisation mit höherer Frequenz möglich, indem der On-Chip-Master-Takt über einen Pin ausgegeben wird.
Im Falle des externen Taktmodus kann die Funktion als Taktpuffer dienen. Weicht die externe Taktfrequenz von der internen Oszillatorfrequenz ab, kann das einen Interrupt auslösen, der typischerweise zum Erkennen von Anomalien auf Systemebene Einsatz findet.
Im Anschluss an den 24-bit-ΔΣ-Modulator ist ein mehrstufiges digitales Filter implementiert, um eine breite Palette von Datenraten mit einer wählbaren Kaskade von SINC-Filtern und mit der Option eines Einzelzyklus-Einschwingmodus gegenüber dem Normal-Einschwingmodus anzubieten. Bei schnell schaltenden Mehrkanal-Applikationen kann der Benutzer einen Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit eingehen und die effektive Datenrate feinabstimmen, indem er den ADC mit den Register-Bits konfiguriert, um die optimale Signaleinschwingzeit für die gewünschte Genauigkeit beim Umschalten zwischen verschiedenen Kanälen einzustellen. Gleichzeitige 50- und 60-Hz-Netzunterdrückung ist bei niedrigeren Datenraten möglich.
Ausgestattet mit einem Front-End mit schnellem Einschwingverhalten und einem flexiblen ADC, sind die Kanäle per Software konfigurierbar und ermöglichen das Umschalten zwischen einer Vielzahl von Eingängen mit hoher Datenrate auf Systemebene. Fünf Timing-effiziente Lesemodi sind für ADC-Datenumwandlungen und -Lesen in Einzelkanal oder Mehrkanal, Einzelzyklus oder kontinuierlich, SPI-befehlsbasiert oder »SYNCPuls«-getrieben für präzise Steuerung implementiert. Außerdem kann der Benutzer einen Softwarebefehl erteilen, um Daten aus mehreren Kanälen in einer einzigen SPI-Transaktion zurückzulesen.
Zusätzlich zur In-situ-Selbstkalibrierungsfunktion von N-AFE stehen werkskalibrierte Koeffizienten für Applikationen bereit, die eine höhere Präzision erfordern, jedoch lediglich einen begrenzten Kalibrieraufwand benötigen. Oder um eine kostspielige Systemkalibrierung nach der Montage durch Verwenden von kalibrierten N-AFE zu vermeiden.
N-AFE bietet eine hohe Eingangsimpedanz von 1 GΩ und einen niedrigen Eingangsleckstrom von weniger als 5 nA bei 105 °C. In Kombination mit seinem geringen Rauschen und dem geringen Offset-Drift ermöglicht der PGA das genaue Messen von Widerstandsthermometer (RTD) und Thermoelement (TC). Hierfür bietet der N-AFE eine präzise programmierbare Stromanregungsquelle, um das Messen von Widerstands- und RTD-Sensoren zu ermöglichen.
Über die SPI-Schnittstelle erfolgt die Anbindung des N-AFE an die digitale Welt – hiermit stehen zahllose Prozessorarchitekturen und Plattformen zum Weiterverarbeiten der Daten bereit.
TQ-Embedded nutzt den »N-AFE13388«-Baustein unter anderem auf dem Single-Board-Computer »MBa117xL« (Bild 2). Er basiert auf dem Embedded Modul »TQMa117xL« mit der Crossover-MCU »i.MX RT1170« von NXP. Alle relevanten in der CPU integrierten Schnittstellen wurden auf dem MBa117xL als industrietaugliche Schnittstellen umgesetzt. Aufgrund der zahlreichen Schnittstellen und der kleinen Baugröße ist der Einsatz in verschiedenen Applikationen möglich, ohne dass jedes Mal ein eigenes Carrier-Board-Design nötig ist.
Auch das analoge Front-End prädestiniert die Baugruppe für den Edge-Einsatz, also genau dort, wo die analogen Daten anfallen. Aufgrund seiner zahlreichen Schnittstellen kann MBa117xL die analogen Messwerte flexibel in die digitale Welt übertragen. Zudem eignet sich das MBa117xL dazu, die Reaktion der digitalen Welt in der realen Welt zu verwirklichen, beispielsweise mit dem Ansteuern von Aktoren.
Was auf der Digitalseite im ersten Moment kompliziert erscheinen mag, ist im praktischen Analog-Einsatz mit lediglich wenigen Zusatzbauteilen umsetzbar – alles andere ist hinter den Analog-Eingängen des MBa117xL bereits vorintegriert. Das analoge Front-End in Kombination mit dem i.MX-RT1170-Prozessor ermöglicht neue Ansätze und hilft so, Applikationen und Prozesse zu optimieren beziehungsweise neue Applikationen zu entwickeln. Ein Beispiel soll das Potenzial veranschaulichen.
Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) sind die Hauptziel-Applikation für die N-AFEs von NXP. So erfüllen sie die Anforderungen der Industrie 4.0 in der Produktfamilie mit verbesserter Produktivität, zuverlässigen und präzisen Echtzeitdaten, Qualitätssicherung und Flexibilität. So lassen sich dank N-AFE die Eingänge der Steuerungen auf die neu benötigten Sensoren umschalten, unabhängig davon, ob aktuell Spannung, Strom, Widerstand, RTD oder Thermoelemente auszuwerten sind, und das single-ended oder differenziell mit Messbereichen bis zu ±25 V. Die Konfigurierbarkeit der Software ermöglicht das Bilden einer Plattform, die Kosteneinsparungen bei der Hardware- und Softwareentwicklung und bei der Logistik und das Anpassen an neue Kundenbedürfnisse ermöglicht.
Hierbei hilft das vereinfachte Kalibrieren des Systems nach der Montage durch die In-situ-Selbstkalibrierungsfunktion des N-AFE und das Nutzen werkskalibrierter Koeffizienten für die Applikation. Weil die Hardware gleichbleibt, kann auch die Software in derselben Domäne verbleiben; Entwickler müssen also nicht zwischen den Tools unterschiedlicher Hardware-Hersteller wechseln.
Neben den Vorteilen für das Umrüsten der Produktionslinie vereinfacht ein analoges Front-End zudem den mechanischen Aufbau einer Steuerung. Weil kein Platz mehr für wechselbare Messkarten nötig ist, lässt sich das Gerät kompakter aufbauen und es sind weniger Gehäuseöffnungen nötig, was das Abdichten gegen Umwelteinflüsse vereinfacht. Die Vorteile des analogen Front-Ends enden jedoch nicht mit dem Umrüsten, sondern tragen bereits Früchte im laufenden Betrieb. Erweiterte Diagnosefunktionen und Funktionen zum Erkennen von Anomalien sind Teil des N-AFE und helfen so, Schwierigkeiten zu erkennen, bevor sie auftreten, und hiermit Ausfallzeiten zu vermeiden (Predictive Maintenance).
Zudem profitiert der ungestörte Regelbetrieb von einem analogen Front-End. So verbessert sich die Produktqualität dank der gebotenen Genauigkeit und Präzision. Hier kann N-AFE besonders punkten: 0,02 Prozent Systemgenauigkeit bei Raumtemperatur und 0,05 Prozent bei höheren Temperaturen, 10 ppm maximale Nichtlinearität des Systempegels sowie hohe Präzision mit 180 dB Dynamikbereich überzeugen.