Der Oberflächenspezialist STB Abschirmtechnik hat ein Metallisierungsverfahren mit ganz besonderen Eigenschaften entwickelt und patentieren lassen. CEO Sven Streitbürger erklärt, wie es funktioniert und was das Außergewöhnliche an dieser Technik ist.
Markt&Technik: Sie haben STB Abschirmtechnik vor zehn Jahren gegründet. Was ist das Besondere an Ihrem Abschirmverfahren?
Sven Streitbürger: Unser Oxid-Flamm-Verfahren (OF-Verfahren) führt zu mehreren einzigartigen Eigenschaften der abschirmenden, hoch leitfähigen neuen Oberfläche. Erstens kommt praktisch fast jedes Material als Träger infrage. Sehr häufig sollen Kunststoffe beschichtet werden, jedoch eignet sich dieses Verfahren genauso für die Metallisierung harter wie auch weicher Trägermaterialien: Carbon, Marmor und Glas sind genauso metallisierbar wie 3D-Druck, Papier und Holzbauteile. Zweitens sind wir in der Lage, gegenüber alternativen Abschirmverfahren die doppelte, dreifache und teilweise sogar die vierfache Schichtdicke – bis zu 200 µm sind möglich – auf den Träger aufzubringen. Dies führt mitunter auch dazu, dass die Abschirmwirkung im Vergleich zu bekannten Alternativverfahren deutlich erhöht ist.
Warum ist das so entscheidend?
Diese Schichtdicke macht die Oberfläche robust und haftungssicher und funktioniert gleichzeitig als thermischer Schutz für den Träger. Das Anwendungsspektrum wird ebenso durch die Weiterbehandlungsmöglichkeit wie Lackierungen, Pulverisierungen oder Galvanisierungen deutlich vergrößert. Auf diese Weise lassen sich so beispielsweise 3D-Drucke sehr gut weiterbearbeiten und das Material lässt sich vor thermischen oder anderen mechanischen Einflüssen schützen.
Andersherum ist es bei geringen Schichtdicken. Hier reichen oftmals kleine mechanische Einwirkungen, um den physikalisch wirkenden faradayschen Käfig – und damit die Abschirmwirkung – oder den Träger selbst zu zerstören.
Aufgrund unserer raueren Oxidbeschichtungsstruktur, die Sauerstoffmoleküle einschließt, tritt ein weiterer interessanter Effekt auf: Bis zu einem gewissen Grad der mechanischen Einwirkung auf die Metalloberfläche verdichtet sich diese an der Stelle und führt eher zu einer höheren Leitfähigkeit und damit zu einer höheren Abschirmwirkung. Diesen Effekt haben wir uns zunutze gemacht und mittels einer besonderen derartigen Nachbehandlung die Wirksamkeit im Hoch- und Niederfrequenzbereich deutlich erhöht. Abschirmwerte von 99,999999 Prozent und 110 dB sind somit möglich geworden.
Geht es nur um Abschirmwirkung, Haftfestigkeit und Robustheit?
Nein, es gib viele weitere wichtige Eigenschaften, die erwähnenswert sind und im Markt Alleinstellungsmerkmal besitzen. Beispielsweise ermöglichen es die deutlich höheren Schichtdicken, auf unserer Metalloberfläche Lötpunkte zu setzen und damit störende oder gar zerstörende Stromspannungen von den elektrischen Gerätschaften abzuleiten (ESD).
Wie genau funktioniert das OF-Verfahren?
Zunächst werden zwei Metalldrähte unter Stromspannung und Luftdruck im Schmelzpunkt erhitzt. Durch den Luftdruck zerstäubt das Metall, und die Tröpfchen werden auf das Trägermaterial aufgeschossen. Auf diese Weise bildet sich zusammen mit dem Träger eine heterogene Oberfläche aus einem Gemisch des Metalls und des Trägermaterials. Im fortlaufenden Beschichtungsprozess ergibt sich später die vollhomogene, vollmetallische Oberfläche. Während des ganzen Beschichtungsprozesses wird der Träger bei dieser Art der Beschichtung weder thermisch noch chemisch vorbehandelt; es ist somit eine der schonendsten und gleichzeitig haftungssichersten Beschichtungsmethoden am Markt.
Darauf hält die STB Abschirmtechnik das Patent?
Damit das OF-Verfahren seine ganze Wirksamkeit vollständig entfalten kann, muss die Oberfläche des Trägermaterials besonders vorbehandelt werden. Durch einen mechanischen aufrauenden Prozess wird die Oberflächenstruktur des Trägers gebrochen; dies sorgt später für die entsprechende Haftfestigkeit und praktisch zu einer Untrennbarkeit der beiden Materialien.
In welchen Brachen wird die Metallisierung der STB Abschirmtechnik angefragt?
Für die Zulassung von elektrischen und elektromagnetischen Geräten müssen die Hersteller immer höher werdenden Anforderungen durch die Einhaltung von EMV-Normen und Richtlinien gerecht werden. Fast in jeder Branche wird auf das störungsfreie Funktionieren von elektronischen oder elektromagnetischen Geräten wert gelegt und zeichnet die Qualität der Dienstleistung der STB Abschirmtechnik aus. Abschirmen (EMV), Ableiten (ESD) oder der Schutz vor Ausspähung (RFID) von elektronisch gespeicherten Daten sind regelmäßige Probleme, um die es geht. STB Abschirmtechnik kann sie mit dem OF-Verfahren lösen. Die daraus resultierenden metallischen Beschichtungen sind für eine Vielzahl von Branchen und Anwendungen zweckmäßig und häufig auch notwendig, von der Elektrotechnik über die Mess-, Sensor-, Medizin- und Automotive-Industrie bis zur Luft- und Raumfahrt. Sogar für die Textilindustrie kann eine derartige metallische Beschichtung erforderlich sein.
Ein Beispiel für den Schutz vor Ausspähung von elektronisch gespeicherten Daten?
Heutzutage verwenden über 95 Prozent der Bundesbürger die Speicherung von sensiblen persönlichen oder finanziellen Daten auf elektronischen Datenträgern. Ob das handelsübliche Handy mit Zahl-Funktion oder die einfache Giro- oder die Kreditkarte, wir alle Nutzen derartige Medien tagtäglich. Ohne eine entsprechende Ausleseschutz- und Abschirmwirkung lassen sie sich unbemerkt und kontaktlos Daten ausspähen und sogar Finanztransaktionen kontaktlos durchführen. Durch unsere Metallisierungen haben wir die Möglichkeit, durch das Beschichten von Flies oder Stoffen das Innenleben eines Herrenanzuges (Innentasche) oder eines Portemonnaies so zu beschichten, dass eine Auslesung der Daten durch Fremde unmöglich wird; sie können so einen effektiven RFID-Schutz gewähren.
Wann hat STB Abschirmtechnik das FO-Verfahren entwickelt?
Vor zehn Jahren gelang es der STB Abschirmtechnik durch die Insolvenz der vorherigen Gesellschafter des Vorläuferunternehmens, das das OF-Verfahren entwickelt hatte, das Verfahren sowie die Anlagen und Maschinen zu erwerben und die Technik weiterzuentwickeln.
Seitdem führe ich als Inhaber und Geschäftsführer die Kleinunternehmung mit sechs produktiven Angestellten. Wir sehen uns als Nischenanbieter im Bereich von Kleinst- und Kleinserien sowie im Prototypenbau.
Wo möchte die STB Abschirmtechnik hin und welche Ziele verfolgt sie?
Es erreichen die STB Abschirmtechnik sehr viele Anfragen aus dem Großserienbau. Insbesondere in der Automobilindustrie geht es oftmals um hunderttausende zu beschichtende Teile.
Bislang und in Zukunft wird die STB Abschirmtechnik die Durchführung der Beschichtung von Großserien über 150.000 Teile im eigenen Hause ablehnen und auch weiterhin seiner Strategie des Prototypenbaus und der Kleinserienfertigung treu bleiben.
Selbstverständlich unterstützt die STB Abschirmtechnik seine Kunden bei der Einführung einer »In-Line-Lösung«, sodass für die Unternehmen auch die Großserienproduktion im eigenen Haus ermöglicht werden kann.
Ziel der STB Abschirmtechnik ist es auch weiterhin, das Unternehmen inhabergeführt, familienorientiert und ohne fremde Verbindlichkeiten technisch weiterzuentwickeln und finanziell unabhängig zu bleiben. Dabei stehen die Vielfältigkeit der Kundenverbindungen sowie die Diversifikation der verschiedenen Branchen absolut im Vordergrund. Nur so wird die STB Abschirmtechnik auch in 30 Jahren in der Nischenindustrie der Oberflächentechnik für die elektromagnetische Abschirmung, ESD und RFID eine Rolle spielen.