Einheitliche Kommunikation

Warum Ethernet die Einführung von I4.0 beschleunigen kann

10. September 2024, 8:25 Uhr | Von Steven Keeping, Autor für Mouser Electronics
Dank SPE lassen sich die Vorteile von Industrial Ethernet im gesamten Produktionsbetrieb nutzen – selbst für den Betrieb des kleinsten Sensors.
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Bei der Integration von Industrie 4.0 spielt der Kostenfaktor eine entscheidende Rolle. Single-Pair-Ethernet kann hier dazu beitragen, die Hürden möglichst gering zu halten.

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Das industrielle Internet der Dinge ist die Plattform, auf der Hersteller ihre Industrie-4.0-Produktion aufbauen. Eine wichtige Rolle des Netzwerks besteht beispielsweise darin, Rückkopplungsschleifen zu bilden, in denen Sensoren verschiedene Prozesse überwachen. Deren Daten werden dann zur Steuerung und Verbesserung des Maschinenbetriebs genutzt.

Die Implementierung des IIoT ist für die Industrie noch immer Herausforderung – wobei die Investitionskosten die vielleicht größte Hürde darstellen. Um die Einführung von Industrie 4.0 voranzubringen, ist es daher wichtig, dass das IIoT-Netzwerk eines Produktionsbetriebs auf die bewährte, zugängliche und relativ kostengünstige Ethernet-Kommunikationstechnologie aufsetzen kann.

Die Rolle von Industrial Ethernet

Als meistverbreitete kabelgebundene Netzwerkoption bietet Ethernet eine gute Herstellerunterstützung und IP-Interoperabilität. Darüber hinaus kann ein Kabelsatz sowohl für die Daten- als auch die Leistungsübertragung verwendet werden, um angeschlossene Sensoren, Aktoren und Kameras zu versorgen.

Mit seinen robusten Steckern und Kabeln bietet Industrial Ethernet eine bewährte und ausgereifte Technologie für die industrielle Automatisierung. Ethernet ermöglicht dabei nicht nur den Transport wichtiger Informationen, sondern auch den einfachen Zugriff auf Maschinen und Steuerungen in der Fertigung. Das Standard-Ethernet-Protokoll ist jedoch anfällig für Paketverluste, was die Latenzzeit erhöht. Das macht es für synchronisierte und schnell laufende Prozesse ungeeignet. Um die Schwächen des Standardprotokolls zu überwinden, wird die Industrial-Ethernet-Hardware mit deterministischen Industrieprotokollen mit geringer Latenz kombiniert, darunter Ethernet/IP, ModbusTCP und Profinet.

Bei der Bereitstellung von Industrial Ethernet werden industrietaugliche Versionen der CAT5e-Standardkabel verwendet, für zertifiziertes Gigabit-Ethernet entsprechende CAT6-Kabel.

CAT5e-Kabel bestehen zum Beispiel aus acht Drähten, die zu vier verdrillten Paaren zusammengefasst sind. Durch das Verdrillen werden Signalstörungen (Crosstalk) zwischen den einzelnen Kabelpaaren begrenzt. Ein Kabelpaar bietet beide Seiten einer Duplex-Verbindung. Bei Hochgeschwindigkeitssystemen wie Gigabit-Ethernet werden alle vier Paare für die Datenübertragung verwendet. Systeme mit geringeren Anforderungen an den Datendurchsatz (bis zu 100 Mbit/s) können mit nur zwei verdrillten Paaren betrieben werden. Die freien Kabelpaare lassen sich dann für die Stromversorgung oder herkömmliche Telefondienste verwenden.

Proprietäre Lösungen schließen die Lücke

Ein Nachteil der Verwendung von CAT5e-Kabeln für IIoT-Applikationen ist, dass sie für viele Aufgaben überdimensioniert sind. Hochgeschwindigkeits-Ethernet hat seine Berechtigung, wenn Werkzeugmaschinen über CAD programmiert werden. Allerdings wird es kaum für einen Sensor benötigt, der die Geschwindigkeit eines Förderbandes meldet. Und ein Großteil des IIoT basiert auf der Erfassung bescheidener Mengen an Sensordaten, um Fertigungsprozesse zu optimieren. Das bedeutet, dass Kapital in kilometerlangen Kabeln mit technischen Funktionen gebunden ist, die nie genutzt werden. In der industriellen Fertigung, die getrieben von Kosteneffizienz ist, gehen Unternehmen daher alternative Wege: Anstatt Geld in teure Kabel zu investieren, haben sich die Hersteller für wesentlich kostengünstigere proprietäre Feldbus-Systeme entschieden, um z. B. Sensoren zu verbinden, die nicht den vollen Funktionsumfang von Ethernet benötigen. Diese Feldbusse werden in der Regel für Anwendungen wie industrielle Messtechnik und Remote I/O eingesetzt. Sie bieten Kabellängen von bis zu einem Kilometer und Rohdatenübertragungsraten von bis zu 10 Mbit/s. Viele dieser proprietären Feldbusoptionen wie HART, Profibus PA und 4–20 mA verwenden relativ preiswerte verdrillte Einzelkabel.

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Die Auswahl der richtigen Verbindungsmethode ist entscheidend für den Erfolg jedes Projekts.
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SPE für eine durchgängige Kommunikation

Heutzutage verwenden Fabriken, die Industrie 4.0 einführen, erstens Standard-Ethernet für Prozesse wie ERP und CAD, zweitens Industrial Ethernet für den technischen Betrieb und die Anlagenverwaltung sowie drittens proprietäre Feldbusse für die Messtechnik und Remote I/O.

Das ist keine ideale Vorgehensweise, denn die beiden erstgenannten Systeme funktionieren zwar gut zusammen, doch Feldbusse sind mit ihnen nicht kompatibel.

Die Norm IEEE 802.3cg, eine kürzlich erfolgte Erweiterung der Ethernet-Spezifikation, ist für Industrieapplikationen gedacht, die derzeit von Nicht-Ethernet-Feldbussen bedient werden. Der neue Standard gewinnt zunehmend an Bedeutung, da er allen Industrie-4.0-Fabriken die Nutzung der Ethernet-Plattform ermöglicht. Alle Geräte – vom zentralen Cloud-Server in der Fabrik über Remote-Terminals bis hin zum kleinen Temperaturmonitor – werden über ein einziges standardbasiertes Protokoll miteinander kommunizieren können.

Eine Schlüsselkomponente der Spezifikationsänderung ist das Single-Pair-Ethernet-Kabel. SPE wird nicht über das mehrpaarige CAT5e-Kabel des herkömmlichen Industrial Ethernet übertragen, sondern über ein einziges verdrilltes Kabelpaar. Dies senkt die Kosten und den Umfang eines Großteils der Kommunikationsverkabelung in der Fabrikautomatisierung oder in Gebäuden. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang: Auch mit den neuen Ethernet-Anschlüssen können alte, proprietäre Feldbusse mit verdrillten Zweidrahtleitungen für SPE weiterverwendet werden. Somit ist es nicht nötig, kilometerlange alte Kabel zu entfernen und durch neue zu ersetzen.

Der Standard IEEE 802.3cg führt zudem zwei neue Bitübertragungsschichten (Physical Layer, PHY) für Industrieapplikationen ein, um die Kosten niedrig zu halten. Die erste ist für Applikationen mit kurzer Reichweite (bis zu 15 m) gedacht, während die zweite eine Reichweite von bis zu einem Kilometer bietet und einen optionalen verstärkten Sendepegel für erhöhte Rauschtoleranz sowie einen energiesparenden Ruhemodus umfasst.

Bedeutung von »Right First Time«

Die moderne Fertigung erfordert Präzision und Reproduzierbarkeit. Bauteile oder -gruppen müssen mit möglichst geringen Toleranzen gefertigt werden. Gleichzeitig sollen sie aber auch jahrelang perfekt funktionieren. Je kleiner oder komplexer die Produkte werden, desto mehr Präzision ist erforderlich.

Das IIoT unterstützt diesen Trend, denn es ermöglicht eine Echtzeitsteuerung und erkennt Abweichungen, bevor sie aus dem Ruder laufen. Mithilfe von Single-Pair-Ethernet können Ingenieure die Vorteile von Industrial Ethernet im gesamten Produktionsbetrieb nutzen – selbst für den Betrieb des kleinsten Sensors. Das erleichtert die Erfassung und Analyse der umfangreichen Daten, die für die Verbesserung der Fertigungsabläufe erforderlich sind. Zudem wird SPE künftig eine Schlüsselrolle spielen, um Technologien wie maschinelles Lernen (ML) und KI zu integrieren.

Wandel in der Automatisierung

In den 70er-Jahren war „Industrie 3.0“ die Bezeichnung für einen Paradigmenwechsel in der Fertigung. Hierbei wurde die Informationstechnologie eingesetzt, um die Automatisierung voranzutreiben und die Produktivität, Präzision und Flexibilität zu verbessern. Mit der Weiterentwicklung von Industrie 4.0 wird die groß angelegte Automatisierung der Industrie durch intelligente Technologien, Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) und maschinelles Lernen (ML) umgesetzt. Der entscheidende Unterschied ist, dass Industrie 3.0 dem Menschen Informationen lieferte, um bessere Entscheidungen zu treffen, während Industrie 4.0 digitale Informationen nutzt, um Prozesse weitgehend ohne unser Zutun zu optimieren.

Industrie 4.0 kann heute eine Verbindung zwischen der Entwicklungsabteilung und der Fertigung herstellen. Durch den Einsatz von M2M-Kommunikation können computergestützte Designs (Computer-Aided Designs, CAD) mit Werkzeugmaschinen kommunizieren und diese direkt für die Herstellung von Teilen programmieren. Und die Werkzeugmaschinen können mit der CAD-Anwendung kommunizieren und sie über Herausforderungen im Produktionsprozess informieren, damit die Artikel so verändert werden, dass sie leichter und effizienter zu fertigen sind.

 


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