Wie effektives Obsoleszenz-Management unter den aktuellen Bedingungen nicht nur aussehen kann, sondern muss – das war Thema auf dem Meeting der COGD. Dass der Verband weiß, wovon er spricht, zeigt ein Datum: Es war der zwanzigste Geburtstag des Deutschen Chapter der IIOM.
Die Obsoleszenzrisiken für Hersteller langlebiger Wirtschaftsgüter frühzeitig zu erkennen, zu analysieren und Strategien zu entwickeln, um negative Folgen zu minimieren – diesem Ziel widmet sich die Component Obsolescence Group Deutschland (COGD) seit jetzt 20 Jahren.
Die COGD ließ es sich nicht nehmen, diesen runden Geburtstag anlässlich des zweiten Quartalsmeetings 2025 gebührend zu feiern und hatte dafür einen würdigen Rahmen gefunden: Das Customer Experience Center von Panasonic in Ottobrunn bei München. Panasonic gehört in der Fertigung und auch in der Entwicklung von Maschinen für die Bauelemente-Bestückung zu den weltweit führenden Unternehmen. Materialwirtschaft und Kontrolle über die Stufen der Fertigung hinweg gehört für Panasonic also zu den Schwerpunktthemen. Im Rahmen ihres »Autonomous Factory«-Konzepts hat Panasonic »PanaCIM« entwickelt, ein umfassendes Manufacturing Execution System, in dem auch das Obsoleszenz-Management eine wesentliche Rolle spielt
Die wesentliche Botschaft fasste Yo Hayashi, Head of Sales, Panasonic Connect Europe, auf dem Geburtstags-Meeting in Ottobrunn in einem Satz zusammen: »Vom Chaos zur Kontrolle«. Zwar könne auch Panasonic die äußeren Umstände nicht direkt beeinflussen, »wohl aber können wir deren Auswirkungen kontrollieren und das Risiko verringern.«
Schon dieses Beispiel zeigt, dass das Obsoleszenz-Management in weiten Teilen der Industrie inzwischen angekommen ist, wie nicht zuletzt die Entwicklung der COGD aufzeigt: 172 Mitglieder gehören derzeit zum deutschen Landesverband innerhalb des International Institute of Obsolescence Management (IIOM). Damit ist die COGD das größte Chapter innerhalb des IIOM.
Zumindest über die Obsoleszenz-Problematik ist sich die gesamte Industrie heute hierzulande bewusst, nicht zuletzt durch die beharrliche Arbeit der COGD. Das war vor zwanzig Jahren noch nicht der Fall, als im April 2005 die erste Geschäftsstelle der COGD gegründet wurde. Gut in Erinnerung dürfte vielen Mitgliedern noch der zehnte Geburtstag der COGD sein, als die Feier in der Flugwerft Schleißheim, der Außenstelle des Deutschen Museums stattgefunden hatte. »Schon damals hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt: Obsoleszenz-Management ist wichtiger denn je!«, erinnert sich, Axel Wagner, heute ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der COGD und hauptberuflich als Corporate Lawyer EMEA Region bei der Asteelflash Holding tätig.
Vor allem für Hersteller langlebiger industrieller Wirtschaftsgüter hat dieses Thema in den letzten zehn Jahren nochmals deutlich an Brisanz gewonnen. Das Problem ist die an sich begrüßenswerte Entwicklung, dass durch den Spirit of Innovation der Elektronikindustrie in immer schnellerer Folge neue Bauelemente und neue Systeme auf den Markt gebracht werden. »Doch je mehr Neues kommt, umso schneller werden die Dinge auch wieder obsolet«, erklärte Axel Wagner in seiner Rede auf dem COGD-Meeting, in der er einen Rückblick auf zwanzig Jahre COGD, aber auch einen Ausblick in die Zukunft gab.
Wie viel sich getan hat, zeigt schon ein Blick auf die heute aktuellen Themen: Dazu gehören SmartPCN, die Norm IEC 62402, der voraussichtlich 2026 verabschiedet wird, sowie das Thema Supply Chain und Circular Economy. »Künftig muss das Obsoleszenz-Management von heute vorwiegend reaktiv auf proaktiv umgestellt werden – und wir müssen das Obsoleszenz-Thema künftig noch viel internationaler denken als bisher«, so sein Apell an die anwesenden Gäste und Verbandsmitglieder.
Der Rückblick zeigte auch: wirklich neu war das Obsoleszenz-Thema auch vor zwanzig Jahren nicht. In sicherheitskritischen Bereichen und Branchen wie beispielsweise der Militärtechnik, der Raum- und Luftfahrt oder dem Bahnwesen, in denen Systeme in der Regel über viele Jahrzehnte ihren Dienst erfüllen müssen, stellt die Sicherstellung der langfristigen Systemverfügbarkeit schon in den 90er-Jahren Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine große Herausforderung dar. NATO-Programme wie beispielsweise DMSMS (Diminishing Manufacturing Sources and Material Shortages) wiesen auch schon früh auf die Notwendigkeit eines umfassenden Obsoleszenz-Managements im militärischen und öffentlichen Sektor hin. Aber erst 1997 erfolgte auf Initiative der beiden Bombardier-Mitarbeiter Detlef Blum und Richard Russel die Gründung einer ersten Component Obsolescence Group in Großbritannien.
Die Idee, zusammen mit Bauteileherstellern, Dienstleistern und anderen, von Obsoleszenz bedrohten produzierenden Industrieunternehmen gemeinsam nach Lösungen zur Eliminierung oder Reduzierung von Obsoleszenzrisiken zu suchen, erwies sich in der Praxis als so erfolgreich, dass acht Jahre später auch in Deutschland eine entsprechende Organisation ins Leben gerufen wurde, anfangs noch als Untergruppe der COG UK. Im Frühjahr 2005 unter dem Vorsitz des Briten Mike Bews mit 30 Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen vorwiegend aus der Elektronikbranche gestartet, hat sich die COGD in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit aktuell 172 Mitgliederfirmen zur wichtigsten nationalen Dialogplattform für aktives und passives Obsoleszenz-Management und zum größten nationalen Chapter des IIOM, der Nachfolgeorganisation der COD UK, entwickelt.
Dass der Verband über die vergangenen Jahre gewachsen ist, ebenso wie die Bedeutung des Obsoleszenz-Managements an sich, freut Axel Wagner – einerseits. Doch er sieht die sich positive Entwicklung nicht nur mit einem lachenden, sondern auch und einem weinenden Auge: »Der kontinuierlichen Mitgliederzuwachs der COGD ist schön, aber eben leider auch ein Beleg dafür, dass sich abgekündigte oder aus anderen Gründen plötzlich auf dem freien Markt nicht mehr erhältliche Materialien, Werkstoffe, Software, elektronische Komponenten und sonstige Ersatzbauteile in den letzten Jahren für immer mehr Industrieunternehmen zu einem ernsten Problem entwickelt haben«, so Wagner.
Leidtragende seien immer noch vor allem Geräte- und Anlagenbauer aus Bereichen wie der Automatisierungs-, Automobil-, Bahn-, Medizin-, Militär- und Produktionstechnik, die mitunter über Jahrzehnte hinweg Ersatzteile für die Instandhaltung bereit stellen müssen, während die Produktlebenszyklen der verwendeten Bauteile, Komponenten und Softwareprogramme immer kürzer werden und auch sonstige Obsoleszenzrisiken wie geopolitische Verwerfungen, Naturkatastrophen, strengere gesetzliche Vorgaben zum Umweltschutz oder auch Cyberangriffe immer mehr zunehmen.
»Produktabkündigungen hat es schon immer gegeben. Vor allem bei elektronischen Komponenten ist deren Anzahl in den vergangenen zwei Jahrzehnten allerdings geradezu explodiert. Einer der Gründe dafür sind die extrem kurzen Lebenszykluszeiten von Smartphones, Smart Watches und anderen Innovationstreibern aus dem Consumer-Bereich«, erklärte Wagner.
Aber auch in anderen für die Versorgungssicherheit wichtigen Bereichen sei der Vorsorgeaufwand deutlich gestiegen, etwa hinsichtlich der Resilienz der internationalen Lieferketten. Alle latenten Risiken in der Lieferkette immer im Blick zu behalten und entsprechend vorausschauend zu handeln, stelle deshalb inzwischen gerade für mittelständische Unternehmen oftmals einen große personelle und finanzielle Herausforderung dar – wovon er selbst aus langjähriger Erfahrung ein Lied singen kann.
Wie schon seine Amtsvorgänger Dr. Wolfgang Heinbach, Ulrich Ermel und Detlef Blum haben sich auch Axel Wagner und seine COGD-Vorstandskollegen zum Ziel gesetzt, betroffene Firmen bei der Bewältigung dieser gestiegenen Herausforderungen bestmöglich mit Rat und Tat zu unterstützen. Nicht nur mit Fachvorträgen renommierter Experten bei den regelmäßig stattfindenden Quartalstreffen, mit diversen internen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themenbereichen, Dialogplattformen für den direkten persönlichen Austausch unter Mitgliedern, Hausmessen oder öffentlichen, von der COGD veranstalteten Vortragsreihen auf Fachmessen und internationalen Konferenzen.
Wagner verwies anlässlich der Feierstunde auch auf andere erfolgreiche Initiativen der COGD wie beispielswiese die Aufnahme des von der COGD initiierten smartPCN Standards in die Norm IEC 62402, die Kooperation mit der Kanzlei ReachLaw oder das Engagement in der Verbändeallianz Elektronik, in der die COGD gemeinsam mit dem FED (Fachverband Elektronikdesign und -fertigung e. V.) und dem FBDi (Fachverband der Bauelemente Distribution) einen umfangreichen Bürokratieabbau in der Elektronikindustrie fordern.
Entscheidend für die Eliminierung oder zumindest Reduzierung von Obsoleszenzrisiken bleibt auch in Zukunft der kontinuierliche intensive Austausch von Informationen und Daten mit Herstellern, Verbänden, politischen Organisationen und anderen Verbandsmitgliedern.
»Ein effizientes Obsoleszenz-Management setzt voraus, dass man sich als Unternehmen möglichst frühzeitig, also nicht erst kurz vor Beginn der Serienfertigung, sondern bereits während der Evaluierungs- und Entwicklungsphase eines neuen Produktes, mit potentiellen Schwachstellen in der Lieferkette auseinandersetzt«, so Wagner.
Voraussetzung für eine frühe umfassende Risikoanalyse sei allerdings eine entsprechend große, ständig aktualisierte und möglichst automatisiert verarbeitbare Datenbasis. Und natürlich entsprechendes Know-how und viel Erfahrung. Die allerdings könnten interessierte Unternehmen und Einzelpersonen bei der COGD reichlich sammeln: »Und wir werden alles dafür tun, dass das auch die nächsten 20 Jahre so bleibt.«