Entwicklung des Komponentenmarkts

»Gigantisch gut«

13. Juni 2016, 10:57 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung des Einkaufs hinterher

»Gigantisch gut«

Hermann Reiter, DigiKey Deutschland: »Wir haben etwa 300.000 Artikel hinzuaddiert auf unser Lager- portfolio, um noch mehr und  schnellere Verfügbarkeit zu  garantieren und um unsere Online-Aktivitäten weiter zu forcieren.«
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Dr. Marc Schacherer,  Farnell element14: »Die Digitalisierung im Einkauf hängt hierzulande im europäischen Vergleich, vor allem mit Osteuropa, zurück. Wenn unsere Kunden in diesem Punkt nicht zügig umdenken und sich  öffnen, wird das eine große Herau
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Sven Krumpel, Codico: »Für uns heißt Wachstum „Projekte“, also Designs, die zu Geschäft werden. Wo gefertigt wird, ist für uns erst mal egal, solange wir das Projekt  beliefern.«
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Dr. Marc Schacherer, Regional Sales Director von Farnell element14, spricht von einem »monstermäßig guten ersten Quartal im Jahr 2015. Wir sind happy, wenn es funktioniert, dass wir hier noch weiteres  Wachstum draufpacken können.« Ein Grund für das Wachstum im Hause Farnell sind die Single Board Computer, vor allem der Raspberry Pi mit Zubehör, der seit vier Jahren auf dem Markt ist und inzwischen ein lukratives Standbein für den Distributor bildet. »Die SBCs generieren inzwischen auch Industrieprojekte und sind nicht mehr nur in Bastler-Projekten zu finden«, unterstreicht Schacherer. Kritisch sieht er den Aufholbedarf Deutschlands bei der Digitalisierung des Einkaufs: »Die Digitalisierung im Einkauf hängt hier im europäischen Vergleich, vor allem mit Osteuropa, zurück. Wenn unsere Kunden in diesem Punkt nicht zügig umdenken und sich öffnen, wird das eine große Herausforderung für die Zukunft. In anderen Ländern können wir mit weniger Personal deutlich mehr Geschäft stemmen, weil das prozessual dort ganz anders angegangen wird. Unsere Kollegen in Osteuropa haben die Warenwirtschaft komplett digitalisiert, von Order in bis Invoice out, und das beschleunigt junge Märkte.«

Zweistellige Zuwachsraten bestätigt Frank Wolinski, Distribution and Demand Creation Director, Region EMEA, von ST Microelectronics: »Für uns war 2015 ein sehr postives Jahr mit zweistelilgen Zuwachsraten. Den Effekt, dass Osteuropa stärker wächst, sehen wir aber auch. Wir beobachten das aber noch stärker in den Emerging Markets, wobei der Effekt, wie schon gesagt, aus der Währungsschwankung kommt. Wenn ich in einem Land in Dollar fakturiere und rückwirkend in Euro umrechne, habe ich 15 Prozent Wachstum. Ein weiterer Grund für das erstarkte Osteuropa ist die Fertigungsverlagerung großer Firmen dorthin, wie etwa Harmann Becker, der seine Fertigung nach Ungarn verlagert hat.«

Die Erwartungen für 2016 bezeichnet Wolinski als sehr positiv. Erfreulich für die Distribution: »Stand heute gehen wir davon aus, dass ST 2016 in der Distribution stärker wachsen wird als 2015, was das erste Quartal auch bestätigt hat.«

Ein Beispiel, wie sich die „Währungsspiele“ auswirken, zeigt Andre Dey, Distribution Manager EMEA und Regional Sales Manager Northern Europe & South Africa, von Bourns auf: In Dollar betrachtet, hat der Komponentenhersteller 6 Prozent verloren im letzten Jahr. »In Euro dagegen sieht das ganz anders aus. Im europäischen Markt lief es sehr gut und wir sind im zweistelligen Plus, in Euro gerechnet, rausgekommen.« Auf der Erfolgsspur geht es für Bourns auch 2016 weiter. Dey: »Das erste Quartal und der April waren gigantisch gut, wir sind fast erschrocken. Wir können das teilweise gar nicht erklären. Aber wir nehmen das Geschäft natürlich, so wie es ist. Wenn wir jetzt die Bookings und Billings der Distributoren mit unserem Haus sehen, dann ist das zweite Quartal schon in trockenen Tüchern, auch in Dollar und nicht nur in Euro.« Neben Osteuropa meldet Bourns auch sehr gute Umsätze in Russland, wo das Unternehmen in Sicherheits- und Überwachungstechnik liefert, und in Israel.

»Wir müssen aufpassen,
dass uns Osteuropa bei weißer Ware
nicht den Rang abläuft“«

Die allgemeine Euphorie hinsichtlich des Wachstums in Osteuropa teilt Dieter Tappmeyer nicht. Der Gründer und Eigentümer des mittelständischen Distributors MEV ist in diesem Punkt eher skeptisch und warnt: »Der Markt der weißen Ware ist dabei, nach Osteuropa abzuwandern. Es sind große Anteile in Richtung Polen gegangen. Wir müssen aufpassen, dass uns aus diesen Ländern im Bereich der Appliance nicht der Rang abgelaufen wird.« Für MEV selbst gibt Tappmeyer wie seine Branchenkollegen ein positives Bild wieder: Wir haben uns 2015 um die 7 Prozent gesteigert, was für uns sehr gut ist, und sind auch für dieses Jahr zuversichtlich, erneut in diesem Prozentbereich wachsen zu können. Das Geschäft von MEV basiere aufgrund des technischen Beratungsansatzes des Distributors auf Projektarbeit und unterliege nicht so stark den Marktschwankungen, so Tappmeyer.

Von einem relativ flachen Jahr 2015 aufgrund der Währungsthematik spricht Hermann Reiter, Geschäftsführer der Digi-Key Deutschland GmbH. »Aber wir haben die Zeit genutzt, um uns weiter zu verbessern: Wir haben etwa 300.000 Artikel hinzuaddiert auf unser Lagerportfolio, um noch mehr und schnellere Verfügbarkeit zu garantieren und um unsere Online-Aktivitäten  weiter zu forcieren.« Im Q1/2016 legte Digi-Key einen »fantastischen Start« hin, erklärt Reiter und begründet das mit verschiedenen positiven Einflüssen, wie etwa der Tatsache, dass der EMS-Markt Prototyping und Produktion vielerorts wieder zusammenführt, um die Flexibilität zu untermauern. »Veränderung ist immer gut für uns, weil dann Bewegung im Markt ist.«

Bewegung sieht Reiter auch in Osteuropa: »Spezifisch für Osteuropa ist die Hürde wesentlich geringer, auch mal neue Wege zu gehen und auch die Kunden dementsprechend einzufangen. Damit meine ich nicht nur neue Lieferanten, sondern auch die Bereitschaft dort, Online-Tools zu nutzen und die automatisierte Bearbeitung zu foriceren.«

Eine neue Generation
wird Digitalisierung forcieren

Mit ewas über 20 Prozent organischem Wachstum hat Avnet Abacus das Jahr 2015 abgeschlossen, bestätigt Marc-Gregor Reiterer, seit Juli 2015 Regional Director Central Europe. Und so fulminant geht es für Avnet Abacus auch weiter: »Das erste Quartal 2016 war das stärkste, das wir je hatten. Mit dem Wachstum, das wir in Euro hingelegt haben, sind wir, auch bereinigt in Dollar, noch weit im positiven Bereich. Wir haben mittlerweile einen sehr guten Split mit 50 Prozent Industriekunden und etwa 50 Prozent EMS. Wachstum können wir in beiden Segmenten verbuchen.« Etwas stärker sei der Bereich der Industriekunden dieses Jahr gewachsen, so Reiterer. »Das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass wir unsere Design-In-Aktivitäten verstärkt haben, was meines Erachtens die Kernkompetenz der Distribution ist.« Auch die Logistik wird nach den Worten von Reiterer immer wichtiger: »Im Moment geht es bei den Kunden darum, Prozesskosten zu reduzieren und Lagerbestände zu minimieren, und da spielen wir mit unserer Logistik sehr gut rein.«

Als große Herausforderung für den Markt sieht Reiterer die Digitalisierung: »Das ist ein großes Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Eine neue Generation wächst heran, die autark sein will. Distribution und Herstellergeschäft wird in den kommenden fünf bis sechs Jahren nicht mehr so sein, wie wir es in den letzten zehn Jahren gekannt haben.« (Mehr dazu lesen Sie in den folgenden Beiträgen zum Markt&Technik-Forum)

Tilo Rollwa ist Bereichsleiter eCommerce von Rutronik und vertritt als Prokurist und Repräsentant den Rutronik-Spross Rutronik24 am runden Tisch. Rutronik24 ist ein eigener Vertriebskanal von Rutronik, der speziell Kunden mit kleinerem und mittlerem Mengenbedarf adressiert. »Wir haben uns mit Rutronik24 das Ziel gesetzt, die ca. 12.000 Kunden in Deutschland aufzugreifen, die bisher von der klassischen Distribution nicht adäquat bedient worden sind.« Das Konzept geht offensichtilch auf, wie Rollwa unterstreicht: »Unser Wachstum mit Rutronik24 ist überproportional groß. Auch personell haben wir bei Rutronik24 weiter investiert. Das hat dazu geführt, dass wir 2015 sehr positiv abgeschlossen und unsere Aktivitäten Rutronik24 in andere Regionen Europas ausgeweitet haben.« Und auf dem Erfolgspfad geht es für Rutronik24 nach den Worten von Rollwa auch 2016 im ersten Quartal »gigantisch gut« weiter.

»Supertoll mit 20 Prozent Wachstum in Zentraleuropa« lief es 2015 nach den Worten von Geschäftsführer Sven Krumpel auch für den österreichischen Distributor Codico. »Für uns heißt Wachstum „Projekte“, also Designs, die zu Geschäft werden. Wo gefertigt wird, ist für uns erst mal egal, solange wir das Projekt beliefern. Wir stellen uns also weniger die Frage, wohin Fertigungen verlagert werden, sondern unsere Aufgabe sehen wir ganz klar darin, den Bedarf zu schaffen und über Einzelprojekte das Geschäft der Zukunft zu generieren.« Und die sieht laut Krumpel rosig aus: »Wir freuen uns auf 2016 und die nächsten Jahre und sehen der Zukunft gelassen entgegen.«

Osteuropa könnte der Entwicklungshochburg „Zentraleuropa“ nach Ansicht von Krumpel noch Kopfzerbrechen bereiten, weniger aufgrund der Fertigungsverlagerungen, sondern weil dort auch immer mehr lokale Designs entstehen


  1. »Gigantisch gut«
  2. Deutschland ist Design-Hochburg
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