Sie hatten bereits in unserem letzten Gespräch erklärt, dass Infineon mit Aurix auch Nicht-Automotive-Märkte adressieren möchte. Wie sieht es damit aus?
Wir haben die letzten Monate dafür verwendet, das Umfeld so auszubauen, dass auch kleinere Entwicklerteams mit dem Aurix arbeiten können. Aurix ist eine komplexe Architektur, die hoch performant und hochgradig konfigurierbar ist. Man muss sich mit dem Controller schon auseinandersetzen, um die Vorteile wirklich nutzen zu können. Das ist in Anwendungsbereichen, in denen es keine großen Entwicklungsteams gibt, kaum möglich. Hier geht es typischerweise darum, dass die Entwickler mit der Software-Entwicklung sofort anfangen wollen, ohne sich vorher groß mit der Architektur auseinandersetzen zu müssen. Hier ist mehr Hilfestellung notwendig und die gibt es jetzt: Wir haben eine sehr gute kostenlose IDE mit Compiler und Debugger, Low-Level-Treibern und Beispiel-Code verfügbar gemacht.
Und, hat es funktioniert?
Ja, der Aurix wird beispielsweise auch für Anwendungen im Bereich Energie/Power genutzt, sei es für Inverter für Wind- und Solaranlagen oder für kabelloses Laden. Aber auch im Segment Smart Vehicle, wie landwirtschaftliche Fahrzeuge, Drohnen, Boote etc., kommt der Aurix zum Einsatz. Traditionell haben diese Anwendungen häufig die besten Technologien aus dem Automobil entliehen. Und da sehen wir ganz klar einen Run auf den Aurix. Dementsprechend werden wir hier die Hilfestellungen noch weiter ausbauen, beispielsweise auch durch weitere Trainings.
Maxim hat einen Secure-Mikrocontroller vorgestellt, der eine PUF-Funktionalität (Physically Unclonable Functions) nutzt. Infineon sieht sich selbst als Security-Spezialist, bislang ist solch eine Funktionalität aber auf keinem IC integriert. Warum?
Infineon hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der PUF-Technologie befasst. Aufgrund eigener Untersuchungen, aber auch auf Basis der Forschungsergebnisse führender Sicherheitsexperten sind wir zu dem Schluss gekommen, dass PUF nicht unseren Ansprüchen an Datensicherheit gerecht wird und wir deshalb von der Nutzung in unseren Mikrocontrollern absehen. Hierbei sind einerseits neuere Methoden in der Angriffstechnologie relevant, die exemplarisch das Auslesen der Geheimnisse, aber auch einfaches „Klonieren“ der sogenannten Physically Unclonable Functions erlauben. Ein weiterer, sehr wichtiger Aspekt ist der mögliche Missbrauch dieser Funktionen als versteckter Zugang, sprich: Backdoor oder Hardware-Trojaner. Statt auf die PUF-Technologie setzen wir zum Schutz von Daten auf Hardware-basierte Sicherheitslösungen. Diese reichen je nach Anforderung der Anwendung, angefangen bei Reisepässen über Bankkarten, PCs bis hin zu Autos und IoT-Geräten, von einem dedizierten Sicherheitscontroller wie z.B. Smart-Card-Security-Controller oder Optiga TPM bis hin zu Lösungen mit integriertem Sicherheitselement wie dem Aurix. Hardware-basierte Sicherheit bietet als Root of Trust hocheffizienten Schutz vor Angriffen aus dem Netz sowie physikalischen Angriffe auf das Gerät selbst. Durch Updatefähigkeit können dedizierte Sicherheitscontroller auch für den langfristigen Einsatz im Feld eingeplant werden.
Wie sieht es mit der Cypress-Übernahme aus?
Wir hatten ja gesagt, dass wir die Übernahme gegen Ende dieses oder Anfang des kommenden Quartals abschließen können. Nach der Freigabe durch CFIUS fehlt jetzt nur noch die Zustimmung aus China.
Mit der Übernahme erweitert sich das Infineon-Angebot im Controller-Markt beträchtlich …
Es gibt viele gute Gründe für die geplante Übernahme, denn Infineon und Cypress ergänzen sich in vielen Anwendungen hervorragend. Beispiel Wireless Connectivity: Cypress ist Spezialist für Bluetooth und WiFi. Infineon selbst ist hier nicht aktiv, verfügt dafür aber über eine große Security-Expertise. Oder nehmen Sie MCUs für Industrieanwendungen: Cypress hat hier ein großes Portfolio, einschließlich der PSoCs. Auch hier ergänzt Cypress also das Infineon-Angebot.
Wenn wir auf den Automotive-Bereich schauen, bietet Cypress mit Traveo Controller für Anwendungen, die wir mit unseren Aurix-Komponenten nicht adressieren. Zum Beispiel Cluster-Anwendungen und im Bereich Body-Controller. Cypress ist außerdem hervorragend positioniert, wenn es um Touch- und Capsense-Controller geht. Und mit seinen NOR-Flash-Speichern ist Cypress in vielen Automotive-Anwendungen vertreten, in denen auch unsere eigenen MCUs zum Einsatz kommen. Sie sehen: Das Portfolio ergänzt sich hervorragend, es gibt kaum Überlappungen.
Und was unsere Marktposition für den Automotive-Bereich anbelangt: Wenn die Übernahme erfolgt, wird Infineon zur Nummer 3 unter den Anbietern von Automotive-Controllern. Und wenn ich mir unsere Design Win Pipeline anschaue, kann ich mir gut vorstellen, dass wir hier noch weiter aufholen, sprich: auch danach noch Marktanteile gewinnen werden. Rechnet man noch die NOR-Flash-Speicher dazu, dann wird Infineon die Nummer 1 im Halbleitermarkt für Automotive-Anwendungen.