Kommentar

Die eigentliche Gefahr

5. April 2018, 12:58 Uhr |
Ingo Kuss, Chefredakteur, IKuss@weka-fachmedien.de
© Markt & Technik

Der tödliche Unfall mit einem Testfahrzeug von Uber hat grundsätzliche Zweifel daran geweckt, wie sicher ein Robotortaxi sein kann. Doch die eigentliche Gefahr ist nicht das autonome Fahrzeug, sondern der Weg dahin.

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Eine Frau betritt plötzlich eine schlecht beleuchtete Straße, wird von einem Auto erfasst und erliegt kurz darauf ihren schweren Verletzungen. Angesichts von weltweit über einer Million Verkehrstoten pro Jahr ist in einem solchen Fall kein großes öffentliches Aufsehen zu erwarten. Doch dieses eine Unglück in Tempe, Arizona, vor rund drei Wochen löste ein gewaltiges Medienecho aus: Erstmals war ein autonomes Fahrzeug in einen tödlichen Unfall verwickelt. Auf dem Fahrersitz des Testautos von Uber saß zwar eine sogenannte „Sicherheitsfahrerin“, doch den Wagen steuerte der Autopilot.

Wurde der Unfall zunächst als unvermeidbar eingestuft, haben sich inzwischen die Anzeichen für ein technisches Versagen verdichtet: Die Fahrzeugsensoren inklusive Radar- und Lidarsystemen hätten die Frau eigentlich rechtzeitig genug erkennen müssen, um das Auto vor dem Aufprall zumindest abzubremsen. Schnell entbrannte daher eine Diskussion, ob ein Roboterfahrzeug überhaupt sicher genug für den öffentlichen Straßenverkehr sein kann. Das ist zwar eine verständliche Reaktion, geht aber meiner Ansicht nach an dem eigentlichen Kern des Problems vorbei: Nicht das autonome Fahrzeug selbst ist die Gefahr, sondern der Weg dahin. 

Ein ausgereiftes Roboterauto wird nämlich schon allein aus Haftungsgründen nicht nur defensiv fahren, sondern auch über redundante Sicherheitssysteme und rigorose Fallback-Strategien verfügen. Bei technischen Defekten oder widrigen Fahrsituationen wird es so vielleicht den Verkehrsfluss verlangsamen, aber für andere Verkehrsteilnehmer immer noch eine signifikant geringere Gefahr darstellen als ein menschlicher Fahrer. Bleibt die Frage, wie schnell sich ein solcher Reifegrad erreichen lässt. Für eine seriöse Antwort gehen da zurzeit die Meinungen allerdings auch unter Experten noch zu weit auseinander. 

Fest steht nur, dass schon jetzt verfügbare Assistenzsysteme den Fahrer in eine völlig neue und ungewohnte Rolle bringen: Sobald ein System wie etwa ein Staupilot selbständig die Spur halten und das Fahrzeug bremsen und beschleunigen kann, wird der Mensch zumindest vorübergehend zum bloßen passiven Überwacher. Das Fatale dabei ist, dass mit wachsender Perfektionierung der Systeme die Herausforderung immer größer wird. Denn je fehlerfreier die Assistenten funktionieren, desto schwieriger wird es für den Menschen, die notwendige Konzentration für ihre Überwachung aufzubringen.

Ob bei komplexen industriellen Prozesssteuerungen oder in der Luftfahrt: Die Fähigkeit, über einen langen ereignislosen Zeitraum aufmerksam zu bleiben und gleichzeitig im Krisenfall schnell reagieren zu können, erfordert ein intensives Training. Mit steigendem Automatisierungsgrad werden Autofahrer ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt sein – jedoch bislang ohne eine entsprechende Schulung. Im Vergleich zu den Risiken eines zukünftigen Robotertaxis erscheint mir das als die konkretere und vor allem auch erheblich größere Gefahr.


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