Im Ökosystem der Automobilindustrie gibt es verschiedene Arten von Zulieferern. Ein Überblick über die jeweiligen Auswirkungen auf das Geschäft und die Verantwortlichkeiten ist in Bild 2 dargestellt.
Die Tier-Ones könnten als die derzeit größten Akteure am stärksten von den Veränderungen betroffen sein. Ihre Rolle wird sich von einem Systemverantwortlichen und einem Systemproduktgeschäft zu einer Integratorrolle für den OEM verändern. Sie müssen dafür sorgen, dass das Automotive OS auf ausgewählter Hardware läuft.
Sogar das heutige Steuergerätegeschäft wird sich ändern: Es wird eine höhere Nachfrage nach »Build to Print« geben, sodass Tier-Ones das Design entwickeln und lizenzieren, aber die Hardwareproduktion in externen Fabriken mit dem besten Kostenmodell durchgeführt wird. Dadurch werden Tier-Ones eine ähnliche Systemverantwortung haben wie bisher – aber in einer anderen Rolle, was zu einem geringeren Umsatz führen wird.
Software-Lieferanten werden eng mit dem Anbieter des Automotive OS zusammenarbeiten, wenn sie nicht selbst der Anbieter des Automotive OS sind. Ihr Geschäft wird sich auf die Bereitstellung von nicht differenzierenden Softwareelementen oder Applikationen basierend auf der Automotive-OS-API konzentrieren. Ein weiteres großes Geschäftsfeld ist die Wartung der ausgelieferten Automotive-OS-Versionen, zum Beispiel die Bereitstellung von Sicherheits-Patches. Wenn man bedenkt, dass eine Version 15 Jahre lang gewartet werden muss und alle drei Jahre eine neue Hauptversion herauskommt, sind das bis zu fünf Versionen, die parallel gewartet und betrieben werden müssen.
Das beansprucht sehr viel Zeit und Ressourcen. Die Anbieter des Automotive OS werden versuchen, diese Arbeit auszulagern, um ihre eigenen Entwickler nicht zu blockieren.
Ingenieurbüros oder Personaldienstleister werden parallel zum Bedarf an Softwareentwicklern ein wachsendes Geschäft erleben. Wenn es ihnen gelingt, über neue Best-Cost-Länder in Afrika oder Mittelamerika zu skalieren, wird es einen kontinuierlichen Geldzufluss geben, da Entwicklung und Wartung des Automotive OS viele Arbeitskräfte erfordern. Die Dienstleister werden ebenfalls Projekte in eigener Verantwortung durchführen, indem sie direkt innerhalb des Automotive-OS-Ökosystems Prozesse, Methoden und Tools für Lieferanten mitentwickeln. Diese projektorientierte Entwicklung wird sowohl Automotive-OS-Softwareelemente als auch Applikationen umfassen.
Das Geschäft der Tool-Anbieter wird wie bisher weiterlaufen. Auch wenn es eine Veränderung hin zu neuen Kundengruppen geben könnte, wird die Anzahl der Lizenzen stabil bleiben oder leicht steigen. Strategische Partnerschaften mit den Automotive- OS-Anbietern werden immer wichtiger, da diese ein Multiplikator für das Tool-Geschäft sind.
Das ist noch nicht entschieden, denn die Automobilsoftware befindet sich derzeit in einem starken Wandel. Erste Trends werden sichtbar, aber diese haben sich noch nicht stabilisiert.
Weltweit gibt es Platz für zwei bis drei Automotive-OS-Produkte. Eins davon wird auf einem offenen, gemeinschaftsbasierten Ansatz basieren. Die beiden wichtigsten Erfolgsfaktoren sind hierbei die Wiederverwendbarkeit von OSS und eine einfache Portierung auf neue Hardwareziele, um eine kurze Zeit bis zur Markteinführung zu erreichen. Außerdem sind die Benutzerfreundlichkeit und die Akzeptanz der Entwickler entscheidend.
Es wird kommerzielle Automotive OS wie das VW.OS geben. Diese können erfolgreich sein, wenn sie schnell auf den Markt kommen und ein Ökosystem schaffen, das von den Endanwendern weitgehend akzeptiert wird, zum Beispiel kompatibel zu Google, Android und WeChat/Tencent. Dieses Automotive OS muss für andere OEMs offen sein, um einen großen Anwenderkreis zu erreichen und die Kosten pro Funktion zu senken.
FoxConn visiert derzeit mindestens zwei Geschäftsrichtungen an, zum einen als »Build-to-Print«-Zulieferer, bei dem die derzeitigen Fabriken wiederverwendet werden können, insbesondere wenn es um eine einheitlichere Integration oder Verarbeitungscomputer geht, die keine speziellen E/A-Geräte benötigen. Zum anderen arbeitet FoxConn an einer , die viele asiatische OEMs und Zulieferer anziehen könnte.
Interessant wird der Tier-One-Markt sein; dort wird es einen hohen Druck zur Umstellung auf mehr softwaregesteuerte Unternehmen geben. Es wird weitere Konsolidierungen geben, wie kürzlich bei Hella geschehen. Außerdem werden immer mehr Tier-Ones Softwarefirmen zukaufen, so wie sich beispielsweise Aptiv durch die Übernahme von Wind River weitere Softwarekompetenz und Produkte gesichert hat.
Literatur
[1] https://soafee.io
[2] https://sdv.eclipse.org
[3] https://www.jaspar.jp/en
[4] https://www.mih-ev.org/en/news-info/?id=765
[5] https://www.mih-ev.org/tw/consortium
Die Autoren
Rudolf Grave
hat Elektrotechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg studiert. Von 2005 bis 2022 war er bei der Elektrobit Automotive im Umfeld AUTOSAR, Software-Architektur und Funktionale Sicher-heit beschäftigt. Seit 2022 verantwortet er bei Tasking die Themen Product-Tooling und New Technologies
Christoph Herzog
ist seit 2012 in diversen Leitungsfunktionen bei Elektrobit Automotive beschäftigt. Aktuell ist er für die Themen Trend-Scouting, Business-Development sowie Portfolio- und Produktmanagement verantwortlich. Sein Schwerpunkt liegt bei den Produktlinien & Themen im Bereich AUTO-SAR, statische und dynamische Betriebssysteme, Safety, Security und Connectivity.