Zur Ernährung von Mensch und Nutztier, könnten Makro- und Mikroalgen in Zukunft langfristig einen signifikanten Beitrag leisten. Dazu notwendige automatisierte, hocheffiziente Produktionsanlagen setzen unter anderem die Entwicklung pflanzenoptimierter Beleuchtungssysteme voraus.
Aktuell steht die Weltbevölkerung bei rund 8 Milliarden Menschen. Bis 2050 erwarten die Vereinten Nationen ein Anwachsen auf 10 Milliarden Menschen. Um die Menschheit dann ausreichend mit Nahrung zu versorgen, wäre eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion um etwa 50 Prozent notwendig. Das dürfte jedoch kaum passieren. In den letzten Jahrzehnten ging die landwirtschaftliche Nutzfläche der weltweiten Landfläche von 40 Prozent im Jahr 1991 bis 2018 auf 37 Prozent zurück. Durch den Klimawandel wird ein weiterer Rückgang um bis zu 30 Prozent erwartet. Das hätte zur Folge, dass auf den dann noch bestehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen die Erträge sogar um bis zu 70 Prozent gesteigert werden müssten.
Da dies kaum realistisch erscheint, ist es höchste Zeit, sich nach Alternativen umzusehen. Zum einen wären da effizientere und zuverlässigere Methoden zur Nahrungsmittelproduktion, wie sie etwa das Vertical Farming verspricht. High-Tech in der Landwirtschaft, das ist ein Gedanke, an den sich viele wohl noch gewöhnen müssen. Doch der High-Tech-Einsatz dürfte sich nicht nur direkt auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken, er dürfte auch auf die Attraktivität einer beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft speziell für junge Menschen einzahlen. Wie dringend das nötig ist, zeigen Zahlen aus den USA. Dort beträgt aktuell das Durchschnittsalter eines Farmers 57 Jahre, ein Drittel ist sogar älter als 65 Jahre. Ein High-Tech-Approach ist dort also zur Gewinnung einer neuen Farmergeneration mehr als notwendig.
High-Tech, das mag der eine oder andere vielleicht eher mit Blockchain und Crypto-Mining verbinden; das Problem dabei ist nur, »Bitcoins kann man nicht essen«, wie es Alexander Gerfer, CTO von Würth Elektronik eiSos, auf den Punkt bringt. Der High-Tech-Einsatz in der Nahrungsmittelerzeugung zielt deshalb unter anderem darauf ab, ob es mit ihm beispielsweise möglich wäre, technologiegestützte Makro- und Mikroalgen in die weltweite Nahrungsversorgung von Mensch und Nutztier zu integrieren und sie auf diesem Wege zu verbessern. Auf diese Weise könnte ein signifikanter Beitrag zur Lösung der globalen Ernährungsprobleme geleistet werden. Eine Ansicht, der sich bereits 2016 auch die EU anschloss, indem sie feststellte, dass es sich bei der Alge um ein landwirtschaftliches Erzeugnis handelt. Da Verbraucher zudem zunehmend tierisches Eiweiß meiden und stattdessen zu pflanzlichen und mikroalgenbasierten Produkten greifen, steigert dieser Trend die Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln mit Mikronährstoffen noch zusätzlich.
Vor diesem Hintergrund wird allein in Europa ein jährliches Marktwachstum von durchschnittlich 10,9 Prozent für Produkte aus Mikroalgen erwartet. Aktuell produzieren bereits 16 Unternehmen hierzulande Mikroalgen. Marktanalysten schätzen den Markt in Europa aktuell auf ein Umsatzvolumen von rund 200 Millionen Euro; weltweit ist von einem Umsatzvolumen von gut 2 Milliarden Euro die Rede. Eine Möglichkeit, den Ertrag der Algenproduktion durch Einsatz von Technik zu steigern, besteht in der Verbesserung der Beleuchtung. Dieser Zielsetzung folgend hat Würth Elektronik eiSos zusammen mit dem Projektunterstützer und -entwickler Agile Solutions ein LED-Beleuchtungssystem entwickelt, das den Ertrag bei der automatisierten Produktion von hochreinen Mikroalgen und terrestrisch wachsenden Pflanzen deutlich steigert.
»LED-Lichttechnik im Allgemeinen und pflanzenoptimierte Beleuchtung im Speziellen sind für uns kein Neuland«, versichert Würth-Elektronik-Manager Gerfer. »Mit unserem Prototyp Connected Vertical Farm haben wir bereits im Kleinen gezeigt, wie Pflanzen unter optimiertem LED-Licht hervorragend wachsen und gedeihen; unter Wasser funktioniert das ganz ähnlich.« Unterstützt von Würth Elektronik konnte Agile Solutions die Entwicklungszeit einer entsprechenden Anlage entscheidend verkürzen und schnell ein ausgereiftes Beleuchtungssystem mit integrierter Selbstdiagnose und optimierter Lastverteilung auf den Markt bringen. Eine optimierte Lastverteilung ist dringend zu empfehlen, da Lichtsysteme für solche Algenzuchtanlagen schnell in Dimensionen von 200 bis 300 kW kommen – das lässt sich dann nicht mehr wie der Zimmerlichtschalter einfach einschalten.
In Deutschland wird zur Herstellung von Mikroalgen auf hocheffiziente und ressourcenschonende Indoor-Verfahren gesetzt. Produziert wird dabei vor allem die phototrope Mikroalge Spirulina. Bei dieser Mikroalge handelt es sich um ein wirkliches Superfood, das bis zu sieben Mal mehr Protein bietet als Tofu. Neben der Lebensmittel- dient sie auch der Pharmaindustrie als wichtiger Rohstoff, wie Martin Havers, Gründer von Agile Solutions, hervorhebt. Produziert werden die Algen, im Gegensatz zu den einfachen Open-Pond-Systemen, die vor allem in Asien weit verbreitet sind, in geschlossenen Aufzuchttanks. Auf diese Weise, unter Reinraumbedingungen gezüchtet, wird höchste Qualität und ständige Verfügbarkeit garantiert – unabhängig von Wetter und Jahreszeit. Geerntet werden können die Mikroalgen etwa alle 18 Stunden; in diesem Zeitraum bewegt sich ihre Verdoppelungsrate.
Im Rahmen dieser Kooperation zwischen Würth Elektronik und Agile Solutions sorgen für die artgerechte Beleuchtung der Algen zwischen den Tanks angebrachte LED-Vorhänge mit etwa 700 LEDs. Der Stromverbrauch eines solchen LED-Vorhangs liegt bei rund 300 W. Diese LEDs liefern genau die Lichtwellenlänge, welche die phototrope Alge in ihrer jeweiligen Wachstumsphase und Algenkonzentration benötigt. Zum Einsatz kommen dabei Mid-Power-Leuchtdioden mit hohem Wirkungsgrad, einer Lichtintensität von 200 µmol/m2s, und folgenden Wellenlängen: Deep Blue (450 nm), Hyper-Red (660 nm), Far Red (730 nm) und Daylight (5000 K). Die LEDs zeichnen sich durch eine besonders homogene, gleichmäßige Lichtverteilung aus. Das System überwacht sich selbst. Eine Software erkennt, ob und an welcher Stelle eine LED defekt ist; Fehler lassen sich so schnell beheben. Bei minimalem Personaleinsatz wird so eine gleichbleibend hohe Marge erreicht. Beim Abarbeiten ihrer Lichtrezepte sorgen die Lichtsysteme zudem für eine optimale Lastverteilung, sodass der elektrische Energiebedarf der Fabrik weitestgehend konstant bleibt.