Alexander Gerfer, Würth Elektronik eiSos

Eine individuelle Salatpflanze für ein Sterne-Restaurant

17. Februar 2023, 8:00 Uhr | Engelbert Hopf
Gerfer Alexander
Alexander Gerfer, Würth Elektronik eiSos: »Was ist gegen voll biologisch und sauber erzeugtes Obst oder Gemüse einzuwenden? Wer das nicht will, sollte sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, was die wirklichen Herstellungskosten von »Seed to Plate« für seine Nahrungsmittel sind.«
© Würth Elektronik eiSos

Biologisch, gesund, ressourcenschonend: Die Landwirtschaft steht vor eine Wechsel, hin zu geschlossenen Produktionskreisläufen etwa durch Vertical Farming. Einen Wandel, den Alexander Gerfer, CTO der Würth Elektronik eiSos, mit neu entwickelten Produkten und Forschungskooperationen unterstützt.

Markt&Technik: Herr Gerfer, Würth Elektronik eiSos ist einer der größten Hersteller elektronischer Komponenten in Europa. Warum widmen Sie sich seit etwa einem Jahr verstärkt dem Thema Landwirtschaft in Form neuer, hochtechnisierter Farming-Ansätze?

Alexander Gerfer: Da ist sicher ein starker persönlicher Bezug. Ich komme aus dem Bergischen Land und bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ich weiß, wie schwierig es ist, gute Ernten einzubringen, und wie viel harte Arbeit darin steckt. Auch wenn unsere Familie diesen Bauernhof schon lange nicht mehr selbst bewirtschaftet, das Thema Landwirtschaft hat mich nie losgelassen. Und jetzt haben wir die Möglichkeit, die Methodik der landwirtschaftlichen Erzeugung grundlegend zu verändern. Konkret waren für uns die LED-Lösungen für Vertical Farming der Einstiegspunkt in diese neue Thematik und in einen neuen Markt.

Welches Potenzial sehen Sie in Zukunft für die Würth Elektronik eiSos? Wo ist der Vorteil, den Sie Kunden gegenüber großen Herstellern elektromechanischer, passiver und optischer Komponenten und Subsysteme bieten können?

Ernährung geht uns ja alle an! Wir haben uns gefragt, was können wir konkret zu dieser neuen Entwicklung beitragen? Wir haben uns dann auf die LEDs konzentriert und beispielsweise zusammen mit der TU München die Forschung in diesem Bereich vorangetrieben. Wie verändert Licht das Pflanzenwachstum? Was muss ich beleuchtungstechnisch tun, um bestimmte Effekte beim Pflanzenwachstum zu erreichen? Der Lebensmittelmarkt ist der zweitgrößte Markt der Welt. Und mit unserem vor allem auf die Bedürfnisse mittelständischer Kunden ausgerichteten Beratungs- und Versorgungskonzept passt das neue Segment einer stark technisierten Landwirtschaft sehr gut zu unserem Leistungsportfolio.

Arbeiten Sie im Bereich neuer Landwirtschaftsformen in erster Linie mit Startups zusammen? Wie schnell, denken Sie, werden deren Produkte marktreif sein?

Neben den klassischen Kunden aus dem Landmaschinenbau, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten, konzentriert sich die Zusammenarbeit in Bereichen wie dem Vertical Farming mit LED bislang vor allem auf die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie Startups, die in diesem Bereich neue, richtungsweisende Ideen versuchen in marktfähige Lösungen umzusetzen.

Vor einigen Jahren trat die Tech-Elite des Silicon Valley an, das Gesundheitssystem mit neuen Entwicklungen zur revolutionieren. Sehen Sie aktuelle ähnliche Bestrebungen im Bereich Landwirtschaft? Besteht die Gefahr, dass sich die Fehler der Tech-Branche wiederholen?

Diese Gefahr sehe ich nicht. Wir forschen und entwickeln im Einklang mit der Natur. Beim Vertical Farming mit LED bekommt die Pflanze ganz genau, was sie braucht, so wie auf einem natürlichen Acker, nur gezielter, effizienter und umweltschonender. Es geht nicht darum, etwas zu ‚revolutionieren’, sondern darum, Technologien zu ermöglichen, welche die traditionelle Landwirtschaft ergänzen. Denn genau diese Technologien brauchen wir – nicht nur, weil durch Klimawandel und Besiedelung die Ackerflächen immer weniger werden und auch Wasser immer knapper wird, sondern auch vor dem Hintergrund, dass wir die globale Lebensmittelproduktion steigern müssen. Nur so werden wir mit dem zu erwartenden Bevölkerungswachstum schritthalten können.

Was ist in Ihren Augen der Treiber des verstärkten Elektronikeinsatzes im Bereich Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung – die Erzeugung der benötigten Mengen oder der Mangel an Personal in der Landwirtschaft?

Es gibt internationale Studien, die belegen, dass die landwirtschaftliche Produktion weltweit um 70 Prozent gesteigert werden muss, wenn sie mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten soll. Mit landwirtschaftlicher Produktion in unkontrollierten Umgebungen werden wir das nicht erreichen. Schließlich geht es ja auch darum, weniger Landfläche zu verbrauchen. Und es gilt in Zukunft, die Farmen näher an die Verbraucher heranzubringen. Letztlich ist das ein gigantisches Wettrennen, und die Dinge verändern sich, ähnlich wie beim Thema Klimawandel und Erderwärmung, schneller als wir es wahrnehmen oder wahrnehmen wollen.

Es gibt die verschiedensten neuen Ansätze im Landwirtschaftsbereich, die von Urban Farming auf den Hausdächern der Mega-Citys bis zur Gemüse- oder Obsterzeugung fast unter Reinraumbedingungen reichen. Welchem dieser Ansätze geben Sie in Deutschland und Europa aus heutiger Sicht die größten Chancen?

Ich denke, letztlich wird es, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen geografischen Rahmenbedingungen, auf einen Mix der verschiedenen Erzeugungsweisen hinauslaufen. Schließlich wird die konventionelle Landwirtschaft ja weiterhin existieren. Aber es wird auch ein Transformationsprozess stattfinden, der durch Vertical Farming frei werdendes Agrarland neuen Nutzungsmöglichkeiten zuführt, etwa durch Aufforstung oder Renaturisierung. Der entscheidende Faktor bei der Umstellung etwa auf Vertical Farming mit LED liegt darin, dass dadurch alles, was die Pflanze braucht, Licht, Wasser, Nährstoffe, direkt bei ihr ankommt. Es gibt keine Streuverluste mehr wie etwa im Fall klassischer Bewässerung, bei der gut 70 Prozent des eingesetzten Wassers nicht die Pflanze erreicht.

Wie sehen Sie den Stand der aktuellen Entwicklung – auf welche Art von Produkten fokussiert sich die derzeitige Entwicklung? Gibt es Bereiche, die Sie für den hochtechnisierten Ansatz ausschließen würden?

Prinzipiell lässt sich fast jede gängige Nutzpflanze im Gewächshaus kultivieren. Besonders geeignet sind Produkte, bei denen es auf Frische und damit auf kurze Transportwege ankommt, zum Beispiel Salat oder Gemüse. Hier können Restaurants und Supermärkte selbst in Ballungsgebieten Produkte anbieten, die erst Stunden zuvor geerntet wurden. Gut lager- und transportfähige Massenware wie zum Beispiel Brotgetreide wird wahrscheinlich auch mittel- bis langfristig konventionell produziert werden. Aber wenn man die aktuelle politische Situation betrachtet: Ausschließen sollten wir nichts!


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