Industrie 4.0: Normung & Standardisierung

»Wir fangen nicht auf der grünen Wiese an!«

3. September 2015, 9:08 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Normung national und international

Wie kam RAMI zustande?

RAMI ist eine Adaptierung des bereits umgesetzten Smart Grid Architecture Models (SGAM), das wir bereits in der Normung und Standardisierung anwenden. Die Plattform und die beteiligten Verbände haben die Idee aufgegriffen, auf Industrie 4.0 übertragen und erweitert.
Beim SGAM war die damalige Idee, dass eine spezifische Applikation in diesem Modell eingetragen und damit konkretisiert wird.
So wurde eine Referenzarchitektur auf dem untersten Layer, dem Component Layer, eingetragen. In den darüber liegenden Layern konnten die Experten an Komponenten und Schnittstellen Normen daran heften. Das hat den Vorteil, dass wir beim SGAM eine Referenzarchitektur für eine spezifische Anwendung haben und damit der Anwender eine Art Führung zur Nutzung der passenden Normen an die Hand bekommt. Er sieht direkt, welche Normen für seine Applikation relevant sind und wo diese angewendet werden. Das heißt er muss sich nicht in 30.000 Seiten diverser Normen einlesen.
Umgesetzt wurde das bei der Bearbeitung des EU-Normungsmandates für Smart Grid. In einem Bericht, dem First Set of Standards, wurde diese Zuordnung für die Smart Grid Community herausgearbeitet. So etwas könnte ich mir auch für RAMI 4.0 vorstellen.

Sie sagten eingangs, wir fangen nicht auf der grünen Wiese an mit der Industrie-4.0-Normung – wie lassen sich vorhandene Normen und bestehende Lücken anhand von RAMI identifizieren?

Wenn man Normen und Standards am konkreten Use Case oder einer Applikation „mappt“, dann sieht man, was vorhanden ist und was gegebenenfalls noch fehlt. Fehlt etwas, haben wir die Möglichkeit, daraus ein Arbeitsprogramm für die Normung abzuleiten. Das hat den Vorteil, dass strukturierter und nicht aus Zufall vorgegangen wird.

RAMI ist also ein Konsens innerhalb Deutschlands?

So wird es jetzt dargestellt. Es ist das Ergebnis der Verbändeplattform, das wir auch seitens der Normung unterstützen. Für uns ist das jetzt die Basis, auf der wir mit den Experten Normen und Standards mappen können. Hierbei werden wir konstruktiv mit der Plattform Industrie 4.0 zusammenarbeiten.

Wurden die Normungsgremien bei der Gestaltung von RAMI also nicht eingebunden?

Doch. Zusätzlich sind natürlich viele Beteiligte in Personalunion in verschiedenen Gremien tätig. Es gab daher einen engen Austausch zwischen Plattform und Normungsarbeitsgruppen. Man hat sich bei RAMI, wie schon erläutert, zum einen auf das gestützt, was wir für das Smart Grid in der Normung erarbeitet haben, und zum anderen auf das, was heute schon als Systemnormen zur Verfügung steht.

Außerhalb der Elektronik/Elektro-/Automatisierungstechnik-Normung passiert aber auch noch eine ganze Menge, besonders im Hinblick auf IT und Internet. Wie lässt sich das in Einklang bringen?

Daran merkt man natürlich, dass es unterschiedliche Normungskulturen sind, die jetzt zusammenkommen. Hinzu kommt, dass wir es im Maschinen- und Anlagenbau, der Fertigungstechnik oder Prozessindustrie mit Investitionsgüterbereichen zu tun haben. Diese denken in ganz anderen Lebenszyklen als die IT-Industrie. Das müssen wir nun sinnvoll zusammenbringen. Aber von Unkenrufen halte ich nichts, denn ähnliche Situationen hat es in der Vergangenheit auch schon gegeben. Die Automatisierungstechnik hat ja schon vieles aus der IT übernommen und teilweise für die industrielle Anwendung in der Automatisierungstechnik gehärtet und spezialisiert.
RAMI wird uns auch dabei helfen, diese verschiedenen Normungswelten besser miteinander zu vernetzen. Es kann beispielsweise sein, dass ein Communication-Layer aus der IT-Welt mit den applikationsspezifischen Informationsmodellen der IEC auf dem Information-Layer verbunden werden.

Es spräche also nichts dagegen, die Normen sozusagen zu „mischen“?

Auf jeden Fall wäre das sinnvoll und wird auch gemacht. Ziel wäre es, hierzu den Layer-Ansatz des RAMI-Modells zu nutzen. Allerdings müssen wir dann unsere Normen viel stärker modularisieren – wie bereits in der Normungs-Roadmap von DKE und DIN gefordert. In der Vergangenheit hat man – übertrieben formuliert – Silo-Normen geschaffen. Heute gibt es viele Ähnlichkeiten in manchen Bereichen, die nur applikationsspezifisch ergänzt werden müssen, was mit dem Layer-Ansatz sehr gut zu leisten ist.

Inwieweit gibt es bei der Normung Konkurrenz mit dem IIC – also dem aus USA getriebenen Industrial Internet Consortium?

Das IIC hat sich bewusst nicht die Aufgabe gestellt, Normen zu entwickeln. Sinnvoll ist also eine Kooperation und Zusammenarbeit von IIC mit der IEC, so wie es auch in der Vergangenheit ein konstruktiver Austausch zwischen Konsortien und der internationalen Normungsorganisation IEC gab, gerade im Bereich der Automatisierungstechnik. Beide Organisationen haben sich hierfür bereits offen gezeigt.

Wie ist der Status Quo zur Industrie-4.0-Normung jetzt auf internationaler Ebene?

Wir haben das Ganze von deutscher Seite schon vor zwei Jahren bei der IEC eingebracht und damit erreicht, dass eine „Strategic Group“ direkt unterhalb des Lenkungsgremiums der IEC installiert wurde. Von Anfang an haben wir versucht, das Ganze zu internationalisieren, denn das ist unser Verständnis von Normung: Mit der internationalen, konsensorientierten Normung sollen technische Handelsbarrieren verhindert werden. Gerade für unsere exportorientierte Industrie würde eine rein nationale Festlegung nur sehr begrenzt Sinn machen. Die Grundstruktur der I4.0-Komponente orientiert sich beispielsweise in der Grundstruktur der Verwaltungsschale am Stand der Arbeiten zur digitalen Fabrik in der IEC 62832.


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