Simatic-PLC und Siemens Industrial Edge

SPS und Edge-Computing kombinieren

14. April 2023, 9:58 Uhr | Andreas Knoll
Aufbau und Funktionsweise von Siemens Industrial Edge
© Siemens

Die Edge-Computing-Plattform »Siemens Industrial Edge« soll die bewährten Simatic-S7-1200- und S7-1500-Steuerungen nicht ersetzen, sondern ergänzen – auch mit Edge-spezifischen Merkmalen wie einem Marketplace. Andreas Czech und Marc Fischer von Siemens nehmen dazu Stellung.

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Markt&Technik: Welche Bedeutung haben und welche Rolle spielen die Simatic-Controller der Baureihen S7-1200 und S7-1500 einschließlich Distributed Controller Simatic ET 200 einerseits und Industrial Edge andererseits im Automatisierungssystem von Siemens?

Czech Andreas
Andreas Czech, Siemens: »Steuerungen und Industrial Edge werden auch weiterhin nebeneinander bestehen und sich in ihren Aufgaben ergänzen.«
© Siemens

Andreas Czech, Marketing Manager Simatic: Siemens ist mit Simatic der Weltmarktführer für Automatisierungssysteme. Das haben wir nicht zuletzt dem Erfolg der vor etwa 14 bzw. 10 Jahren in den Markt eingeführten Simatic-S7-1200- und S7-1500-Steuerungen zu verdanken – als Nachfolgesystem von Simatic S7-200 und S7-300. Simatic-Controller werden kontinuierlich weiterentwickelt, um neuesten Anforderungen gerecht zu werden.

Durch Industrie 4.0 und die Digitalisierung sind die Anforderungen an Datenerfassung, Datenverarbeitung und standardisierte vertikale Kommunikation (OT/IT-Konvergenz, OPC UA) enorm gestiegen. Für flexiblere Fertigungen (z. B. Losgröße 1) fragen Kunden zunehmend nach modularen Maschinenkonzepten. Um neuen Anforderungen gerecht zu werden, bringen wir kontinuierlich innovierte Simatic-S7-1500-CPUs auf den Markt. Die wichtigsten aktuellen Verbesserungen sind in Kürze: mehr Speicher für mehr Programme (modular, Konfigurationssteuerung) und Daten, höhere Kommunikations-Performance durch Auslagerung auf zweiten Prozessorkern – damit auch Verkürzung der Zykluszeit des Steuerungsprogramms und Minimierung von dessen Schwankungsbreite. Ebenfalls eingebaut wurden neue Security-Funktionen wie etwa Root of Trust, um aktuellen und zukünftigen Bedrohungen durch Cyberangriffe begegnen zu können.

Fischer Marc
Marc Fischer, Siemens: »Simatic-Controller werden durch Industrial-Edge-Produkte erweitert, um Steuerungsprogramme einfach und flexibel mittels Edge-Apps zu ergänzen.«
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Marc Fischer, Marketing Manager Industrial Edge: Mit Industrial Edge verfolgt Siemens einen völlig neuen Vertriebs- und Geschäftsmodellansatz auf Basis eines offenen Ecosystems und eines Software-Lizenzbezugs im Abonnement, um den heutigen und zukünftigen Kundenanforderungen zu Deployment, Nutzung und Update industrieller Software und Apps gerecht zu werden. Industrial Edge wird künftig vermehrt das eine, flexible und zentrale Management- und Deployment-Tool diverser Shopfloor-Software-Produkte für die Industrie – seitens Siemens und von Drittanbietern. Die Apps sowie die Basis-Industrial-Edge-Software sind über den Industrial-Edge-Marketplace erhältlich.

In welchem Verhältnis stehen die beiden Systeme zueinander? Inwieweit können sie zusammenwirken? Welche Aufgaben können sie in gemischten Systemen jeweils erfüllen?

Fischer: Simatic-Controller werden durch Industrial-Edge-Produkte erweitert, um Steuerungsprogramme einfach und flexibel mittels Edge-Apps zu ergänzen. In heutigen Edge-Computing-Anwendungsfällen wird ein Industrial Edge neben einer oder mehreren Steuerungen (Simatic oder auch von Drittanbietern) platziert. Über sogenannte Connector-Apps werden Fertigungsdaten und Parameter (hauptsächlich über die Steuerungen) bezogen und anhand von Datenvorverarbeitungs-Apps und sogenannten Value-Apps prozessiert. Hier lassen sich Performance- oder Energiedaten erheben, harmonisieren und visualisieren, Daten in darüberliegende IoT-Infrastrukturen weitergeben oder auch KI-Algorithmen etwa zur Qualitätsüberwachung oder zur vorausschauenden Wartung bereitstellen und hosten.

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Mit Industrial-Edge-Management (IEM) ermöglicht Siemens ein zentrales Management dezentraler Industrial-Edge-Geräte und -Apps über Maschinen, Linien und Produktionsstätten hinweg.
© Siemens

Was plant Siemens mit den Simatic-Controllern einerseits und Industrial Edge andererseits? Welche Roadmap verfolgt Siemens mit den beiden Systemen für die absehbare Zukunft?

Czech: Simatic-Controller werden auch künftig in den unterschiedlichsten Anwendungen als Hardware- oder zunehmend als Software-Steuerungen zum Einsatz kommen. Dabei spielen Robustheit, Zuverlässigkeit und Langzeitverfügbarkeit (Ersatzteile, Service) sowie die weltweite Verfügbarkeit von Know-how-Trägern eine entscheidende Rolle.

Fischer: Software-Steuerungen werden in naher Zukunft auch über Industrial Edge erhältlich sein und bereitgestellt werden. Auf der Hannover-Messe zeigen wir erstmals den virtuellen Controller Simatic S7-1500V. Dadurch wird Industrial Edge zur modernen Automatisierungsinfrastruktur.

Czech: Allerdings werden auch die klassischen Steuerungen eine große Relevanz für unsere Kunden behalten. Damit werden Steuerungen und Industrial Edge auch weiterhin nebeneinander bestehen und sich in ihren Aufgaben ergänzen.

Warum nennt Siemens die Simatic-Controller nicht mehr SPSen und die Distributed Controller nicht mehr dezentrale Peripherie?

Czech: Das ist eine längere Geschichte. Vor einigen Jahren waren Begriffe wie SPS, PLC und Steuerung gebräuchlich und bezeichneten nicht nur reine logikverarbeitende Systeme. Dann kam mit neuen Begriffen eine psychologische Herabsetzung dieser Begriffe auf, dem bei Simatic mit der umfassenderen Bezeichnung »Controller« begegnet wurde, denn unsere Simatic-S7-Steuerungen sind schon immer in der Lage, komplexe Funktionen auszuführen.

Simatic S7-1500 gibt es in unterschiedlichen Bauformen und funktionalen Ausprägungen. Am weitesten verbreitet sind die zentral im Schaltschrank eingesetzten Standard- und fehlersicheren, modular aufgebauten Controller Simatic S7-1500 mit den Ein- und Ausgangsmodulen Simatic ET 200MP. Für erweiterte Anforderungen bezüglich Bewegungsführung (Handling, Kinematik, Roboter) eignet sich Simatic S7-1500T – auch fehlersicher – und der sogenannte Drive-Controller mit eingebauter Sinamics-Antriebsansteuerung. Wenn in Logistik- oder Infrastrukturprojekten erhöhte Verfügbarkeit zu gewährleisten ist, sind Simatic-S7-1500-R/H-Controller die richtige Wahl. Für den Einsatz in kleineren Schaltkästen oder direkt an der Maschine kommen als Erweiterung des dezentralen Peripheriesystems Simatic ET 200 sogenannte Distributed Controller infrage: Simatic ET 200SP CPU bzw. Simatic ET 200SP Open Controller (Software-Controller und PC in einem) oder als IP65/67-Baugruppe Simatic ET 200pro CPU.

Siemens auf der Hannover Messe: Halle 9, Stand D53

Siemens
Simatic-S7-1500-Steuerung von Siemens
© Siemens

Erster virtueller Controller von Siemens
Siemens zeigt auf der Hannover Messe die neueste Erweiterung seines Controller-Portfolios. Mit dem ersten virtuellen Controller Simatic S7-1500V können OT-orientierte User weiterhin die ihnen vertrauten Strukturen nutzen und zugleich von den Vorteilen einer IT-orientierten Umgebung profitieren. IT-gewohnte Anwender dagegen können mittels des virtuellen Controllers ebenfalls in einem ihnen vertrauten Umfeld agieren.

Auf diese Weise vereinfacht sich die Zusammenarbeit. Anwender werden hardwareunabhängig, können Kosten optimieren und IT-Mechanismen nutzen. Applikationen lassen sich leichter skalieren und dank der Offenheit problemlos in andere IT-Konzepte integrieren. Durch das zentrale und ortsunabhängige Management bietet der virtuelle Controller Nutzern eine hohe Flexibilität. 


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