Wie sich dynamische Tarife mit dem Eichgesetz in Einklang bringen lassen, ist heute noch offen. Bisher gibt es keine PTB-bauartzugelassene Messtechnik, die dynamische Tarife zuließe.
Laut Martin Kahmann von der von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) wären künftig aber flexible Regelungen denkbar, mit denen alle Beteiligten gut leben könnten.
Wer über dynamische Tarife redet, denkt zunächst an technische Herausforderungen und häufig auch an Datenschutz und Datensicherheit – vergisst allerdings oft das Eichrecht.
Wenn die Kunden einen Vertrag mit einem Energieversorger schließt, dann ist dabei auch immer das Eichrecht im Spiel. Es soll angemessenen Verbraucherschutz und Fairness beim Handel mit messbaren Gütern gewährleisten. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass die Messgeräte zuverlässig funktionieren und dass Messsysteme so ausgelegt sind, dass sie die Preise den bezogenen Energiemengen entsprechend einem Versorgungsvertrag zuverlässig und für die Vertragspartner transparent zuordnen. Das setzt voraus, dass die Preisbildungsvorschriften für Stromkosten lückenlos über einen Abrechnungszeitraum nachvollziehbar sein müssen. Als das Eichrecht entstand, hatte niemand erwartet, dass derartig dynamische Tarifierungen bis den Endverbrauchersektor hinein jemals realisiert werden könnten. Und zwar weder die Behörden noch die Messgeräte-Industrie. Als Konsequenz gibt es PTB-bauartzugelassene Messtechnik, mit der unvorhersehbare Einflussnahmen auf die Strompreise eichrechtkonform realisierbar wären, tatsächlich bis heute nicht.
Genau so etwas würde aber benötigt, wenn – wie es jetzt überlegt wird –sich beispielsweise die Stromtarife am jeweils herrschenden Wetter oder an den jeweiligen Preisen der Strombörse orientieren. Wie sich solche dynamischen Tarife mit dem Eichgesetz in Einklang bringen ließen, ist heute noch offen. »Derzeit gibt es jedenfalls keine Präzedenzfälle, in denen das Eichrecht so etwas hätte bedienen können«, sagt Martin Kahmann.
Der Kern des Problems liegt wie oben angedeutet darin, dass nach dem Eichrecht jederzeit nachvollziehbar sein muss, ob ein Versorgungsvertrag erfüllt wurde oder nicht. Nimmt man theoretisch einmal an, dass der Strompreis in Abhängigkeit von der gerade herrschenden Temperatur berechnet werden soll, so muss überprüfbar gewährleistet sein, dass die Thermometer richtig funktionieren und dass die Preise für die bezogenen kWh auch richtig den jeweiligen Temperaturwerten zugeordnet werden. Oder – um eine anderes Beispiel zu nennen – wenn die Preise z.B. an Kurse an einer Stromhandelsbörse gekoppelt werden, muss auch bei dieser Art dynamischer Preisbildung das Einhalten der vertraglichen Vereinbarungen zumindest im Nachhinein nachvollziehbar sein.
Laut Kahmann muss das Eichrecht aber gerade für das letztgenannte Modell keine unüberwindliche Hürde darstellen. In der Branche diskutiert wird zum Beispiel folgender von der PTB vorgeschlagener Ansatz: Wenn auf einer öffentlich zugänglichen, vertrauenswürdigen Web-Site die Börsenkurse dauerhaft registriert würden, schüfe das für die Kunden die Möglichkeit, zusammen mit den Lastgängen nachzuvollziehen, ob die letztlich in Rechnung gestellten kWh richtig und vertragsgemäß bewertet wurden.
Konkrete Zulassungsanträge für Messsysteme, die solche oder ähnliche Konzepte implementieren, liegen laut Kahmann der PTB allerdings bislang nicht vor.
Doch gab es – beispielsweise im Rahmen von E-Energy – nicht Pilotprojekte, in denen mit variablen Tarifen gearbeitet wurde? Das stimmt zwar, doch dabei handelte es sich offenbar um Feldversuchsausnahmefälle. Wenn die dynamische Tarifierung in der Praxis in größeren Maßstab Einzug halten würden, könnte dies allerdings wohl nicht mehr so funktionieren und die Eichämter müssten auf die Einhaltung der Gesetze pochen.
Doch wären hier durchaus flexible Regelungen denkbar, mit denen alle Beteiligten gut leben könnten. Schlussendlich kommt es darauf an, zu verhindern, dass der Verbraucher wegen technischer Fehler eine Rechnung mit falschen Messwerten bekommt. Das eichrechtlich festgelegte Schutzniveau kann technisch dabei auf unterschiedliche Weisen realisiert werden. Wenn die Zulassungsbehörde solche Realisierungen als den eichrechtlichen Anforderungen entsprechend bewertet, dann gibt es gute Chancen auf die eichrechtlichen „Weihen“ einer Bauartzulassung, so Kahmann.