Sorgen in der Batteriebranche
In der Batteriebranche blicke man mit Sorge auf den Gasstopp, denn diese Branche weist laut Christian Eckert, ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Batterien, eine deutlich höhere Energieintensität auf als die Elektro- und Digitalindustrie insgesamt. Erdgas benötigen die Batteriehersteller unter anderem für Trocknungsprozesse während der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. »Erdgas kann auch kurzfristig nicht durch andere Brennstoffe ersetzt werden. Somit würde eine ausbleibende Gaszufuhr unmittelbar dazu führen, dass die Batterieproduktion gestoppt werden müsste.«
Ein Produktionsstopp, so Eckert, hätte gravierende Folgen, denn Batterien sind wichtig für die kritische Infrastruktur. Ohne sie könnte auch die Produktion in der Chemie-, Pharma- und Ernährungsindustrie nicht aufrechterhalten werden. Außerdem würden Batterien mehr denn je benötigt, um unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden. Sie sind unverzichtbar für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Fortentwicklung zu einer All-Electric Society. Eine kurzfristige Umstellung auf alternative Energieträger ist für die Produktion von Batterien nicht machbar, so Eckert abschließend.
»Varta sichert sich bei der Versorgung mit Erdgas ab, indem sich das Unternehmen direkt und eng mit dem lokalen Netzbetreiber austauscht«, so CEO Herbert Schein. »Zusätzlich werden unternehmensintern Maßnahmen für die Umrüstungen von Gas auf alternative Energiequellen geplant und sind zu Teilen bereits in der Vorbereitung.«
Falls die Versorgung mit Erdgas nicht sicher ist, prüft Varta unterschiedliche Option und bereitet sie vor. Herbert Schein dazu weiter: »Hierbei ziehen wir vor allem Lösungen mit Strom- und Energieverbrauchsreduzierung in Betracht, mittel- und langfristig auch durch die Nutzung aller verfügbaren alternativen Energiequellen. Insgesamt gibt es für den Herbst einen definierten Notfall- und Maßnahmenplan, und wir haben zudem auch eine kurz-, mittel- und langfristige Strategie, um unseren Energiebedarf sicherzustellen.«
Trotz dieser Gegenmaßnahmen hat Varta nun laut einem Bericht des Handelsblatts seine im Juli 2022 gesenkte Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr ganz zurückgezogen. Grund seien die weiter gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe, die nur begrenzt an die Kunden weitergegeben werden könnten. Zusätzlich verzögerten sich zwei große Aufträge. Daher könnten »signifikante Volumina« in diesem Jahr nicht mehr ausgeliefert und die Umsatzziele und das prognostizierte Ergebnis im Gesamtjahr und im dritten Quartal nicht mehr erreicht werden.
EMS-Branche zur Energiekrise
»Stromkosten um Faktor sechs gestiegen«
Die politische Diskussion zu den Energiepreisen und zur Versorgung ist in vollem Gange. Beschlüsse ändern sich fast täglich. Vor diesem Hintergrund diskutierten Vertreter der EMS-Industrie das Thema beim Markt&Technik-Forum.
»Das Energieversorgungsrisiko und auch das Risiko von Stromausfällen und die Risiken, die sich durch Abschaltung der Gasversorgung ergeben, wird oft unterschätzt. Wir haben alle doch niemals damit gerechnet, dass das alles zusammentrifft«, sagt Rüdiger Stahl, Geschäftsführer der TQ. TQ betreibt seine Rechenzentren selbst und sei daher natürlich abhängig von der Stromversorgung, so Stahl. Deswegen gebe es eine USV. Die USV kann aber nicht überbrücken, dass alle Server – an der Zahl 400 mit der Virtualisierung, geordnet herunterfahren. »Daher haben wir außerdem ein BHKW, das wir auch unabhängig von Engpässen nutzen, aber wenn Gas nicht zur Verfügung steht, funktioniert das eben auch nicht.« Dass gleichzeitig Gas und Strom nicht zur Verfügung stehen, ist unwahrscheinlich, könne man vermuten, so Stahl.
Aber wenn Gas nicht zur Verfügung steht, heizen die Menschen mit Strom, und dann kann es passieren, dass lokale Netze überlastet sind. Deshalb ist das ein ernst zu nehmendes Risiko, das unterschätzt wird.« Und wie wappnet sich TQ gegen dieses Risiko? »Wir machen ein Backup vom Backup!«, antwortet Stahl. »Neben der USV und dem BHKW haben wir noch ein Diesel-Aggregat angeschafft.« Stahl fordert wie auch die anderen Diskussionsteilnehmer die Politik zum Handeln auf: »Denn wenn jedes Unternehmen alleine aktiv wird, ist das ineffizient und teuer.«
Kritik prasselt auf die Politik auch wegen der immensen Preissteigerungen ein. So sieht Andreas Schneider, COO Sales von BMK, zwar die Energiekosten selbst als beherrschbaren Kostenblock, bringt aber die indirekten Auswirkungen dieser Kosten auf den Tisch: »Was passiert in der Supply Chain, wie entwickeln sich die Löhne?« Diese Facetten sieht Schneider als deutlich unwägbarer an als die direkten Energiekosten.
Ein Blick ins Nachbarland Österreich: Hier sind die Probleme ähnlich gelagert. Michael Velmeden, Geschäftsführer der österreichischen cms electronics, beziffert die Stromkostenerhöhung konkret auf den Faktor sechs. »Und somit geht der Strom von einer unbedeutenden Größe im Kostenblock zu einer sichtbaren Größe über.« Auch mit dem Thema Blackout beschäftige man sich in Österreich, so Velmeden: »Das Problem ist die Netzstabilität. Mit der Volatilität der Versorgung können die Netze das nicht mehr in der Geschwindigkeit packen.«
In der Schweiz ist die Situation nach den Worten von Thomas Kaiser, EVP von GPV, ähnlich gelagert. Vorteil sei der hohe Anteil an Wasserkraft, die sich die geologischen Vorzüge des Landes zunutze macht, aber die Importrate bei Gas ist hoch. »Wenn wir die EMS-Industrie als Energie-Konsumenten betrachten, dann sind die Energiekosten Kalkulationsfaktoren, die uns nicht umbringen, die wir aber spürbar auf den Preis umlegen werden.« EMS-Dienstleistungen könnten also je nach Region künftig deutlich teurer werden.
Weitere Aspekte und Meinungen zum Thema Energiekrise aus der EMS-Runde lesen Sie im EMS Guide 2022, der am 12. November erscheint.