Für einige Unternehmer aus der Elektronikbranche ist die aktuelle Strompreisdebatte dagegen eher sekundär: »Probleme wie unzulängliche Nacharbeit am Pandemiegesetz, die noch immer ungelöste Frage der Transportwege und damit einhergehende Teileverknappung kosten uns ein Vielfaches dessen, was die zusätzlichen Energiekosten ausmachen«, so Oliver Walter, CEO der Camtec Power Supplies.
Bei ebm-papst fand man die Strompreiserhöhungen dieses Jahres verkraftbar, »aber im nächsten Jahr kaum noch kontrollierbar«, so Markus Mettler, technischer Betriebsleiter bei ebm-papst. »Wenn der Börsenpreis bei etwa 500 Euro/MWh pendelt, beträgt das ein Vielfaches des Preises vor dem russischen Angriffskrieg.« Er stellt fest, dass das System der Merit Order, bei dem das teuerste Kraftwerk den Preis für den Strom diktiert, aktuell nicht mehr funktioniert und nicht zum derzeitigen Herstellungsmarkt passt; »aus dem Grund halten wir eine temporäre Strompreisdeckelung für richtig«. Angesichts der aktuellen Entwicklung gewinne die Eigenerzeugung an Bedeutung. »Aber die regulatorischen Bedingungen wie etwa Anschlussbedingungen, Netze, Verordnungen und Gesetze sind mit hohem regulativem Aufwand verbunden und zeitintensiv.«
»Der Strom wird für uns vor allem in Deutschland teurer«, beklagt Denis Giba, Managing Director bei Odu. »In unseren Werken in Rumänien, China und Mexiko steigen die Energiekosten ebenfalls, aber die Steigerungsraten in Deutschland sind eindeutig am höchsten.« Als Mitglied des VDMA wünscht man sich bei Odu, dass der VDMA im Dialog mit der Politik Einfluss auf für das Unternehmen wichtige Entscheidungen nehme, »dafür ist der VDMA da«.
Da die Steckverbinderproduktion nur moderat stromintensiv sei, bezeichnet Helge Puhlmann, European President von Yamaichi Electronics, sie als kostenmäßig noch beherrschbar. Im konkreten Fall laufen etwa die diesbezüglichen Verträge in Frankfurt an der Oder noch bis zum Ende nächsten Jahres. Einen temporären Strompreisdeckel kann sich Puhlmann in dieser außergewöhnlichen Situation durchaus vorstellen. Seine Forderung: Die Politik solle sich endlich auf die wichtigen Dinge konzentrieren und etwa eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten beschließen. »Ideologie hat bei solchen fundamentalen Dingen nichts zu suchen. Es geht hier um nichts anderes als die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes, das scheint aber leider einigen Politikern vollkommen egal zu sein!«
Wenig unterschiedlich gestaltet sich die Sicht der Dinge auch bei den Herstellern von Halbleitern und passiven Bauelementen in Deutschland. »Die Dinge haben sich zunehmend dramatisiert, allerdings konzentriert sich das noch recht deutlich auf Europa und Deutschland«, stellt Dr. Gerald Paul, CEO von Vishay, fest. Außerhalb Europas sei in puncto steigender Energiepreise wenig bis gar nichts für Vishay zu spüren. Bezogen auf Deutschland rechnet Dr. Paul mit Mehrkosten von 10 bis 20 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Trotzdem ist er gegen einen politischen Deckel: »Ich bin kein Freund staatlicher Eingriffe in den Markt, das kann unliebsame Konsequenzen haben, die, wie so oft, zurzeit noch niemand bedenkt.«
Von Mehrkosten im Vergleich zu den ursprünglichen Prognosen vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs spricht man bei Infineon Technologies. Dort erwartet man inzwischen bis zum Ende des Geschäftsjahres am 30. September zusätzliche Energiekosten in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Damit würden sich die Gesamtkosten für diesen Bereich dann für Infineon auf rund 300 Millionen Euro belaufen. Infineon macht sich dafür stark, dass der Strommarkt auf Reformmöglichkeiten geprüft wird. Ein wesentlicher Ansatzpunkt sei aus Infineons Sicht dabei, die derzeitige starre Kopplung des Strompreises an den Gaspreis zu überarbeiten, das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Neben einer Hedging-Strategie versucht Infineon nach eigener Darstellung, alle Möglichkeiten zu nutzen, seinen Energieverbrauch zu senken, und Gas wo möglich durch andere Energieträger zu ersetzen.
Bei TDK Europe liegt der Kostenanteil der steigenden Strom- und Energiekosten je nach Abhängigkeit vom Energieaufwand im Herstellungsprozess teils im zweistelligen Bereich. »Wir erwarten, dass sich die Wirkung der Kostenerhöhungen bei uns schrittweise verstärken wird, abhängig davon, wann laufende längerfristige Verträge mit Energieversorgern enden«, stellt Josef Vissing, President TDK Europe fest. »Wir begrüßen darum natürlich politische Maßnahmen, die zu einer Beruhigung der steigenden Energiepreise führen.«
Bei SRT Resistor Technology in Cadolzburg im Landkreis Fürth steht das Ende langfristiger Verträge bereits unmittelbar bevor. »Unser 3-Jahres-Stromkontrakt mit den örtlichen Gemeindewerken läuft leider am 31. Dezember aus«, gibt Dr. Lutz Baumann, einer der Geschäftsführer des Unternehmens, zu Protokoll. »Ab dem 1. Januar 2023 wird unser reiner Strompreis um den Faktor 4 steigen, mit den Zuschlägen und dem Wegfall des EEG ergibt sich daraus für uns eine Verdoppelung der Stromkosten!« Ein temporärer Strompreisdeckel für Industriekunden wäre darum aus seiner Sicht die richtige Lösung: »Ja, diese Forderung würde ich unterstützen!«
Dr. Alain Schumacher, CTO des in Luxemburg ansässigen Spezialisten für Polymerelektronik IEE, verweist darauf, dass die Strompreisentwicklung an den verschiedenen Standorten des Unternehmens sehr unterschiedlich sei: »In Luxemburg etwa haben sich die Ausgaben für Strom gegenüber 2021 um das Fünffache gesteigert, in der Slowakei kämpfen wir mit einem mittleren Faktor von 2,5.« Er weist auch darauf hin, dass es nichts hilft, wenn man zwar gültige Verträge habe, »aber der Anbieter die Marktentwicklung nicht überlebt hat und wir ab Mitte des Jahres in einen Vertrag mit dem Faktor 5 an Preissteigerung einsteigen mussten«. Vorausplanung könne eben nicht alle Eventualitäten abdecken. Er plädiert dafür, vonseiten der Politik alle vertretbaren Möglichkeiten zu nutzen, um die aktuelle Situation zu entschärfen, »dazu gehört auch ein Preisdeckel als ein direkter Hebel«.
Dr. Schumacher plädiert auch dafür, sich zwingend mit Herangehensweisen in anderen Ländern und Regionen zu beschäftigen. »Der Ansatz, den die USA verfolgen, ist die Einstufung als Allgemeingut. Strom ist ein Grundnahrungsmittel für unsere Gesellschaft und Industrie geworden und kann durch keine Alternative ersetzt werden, deshalb muss man einen sicheren Regulierungsmechanismus einführen. Die Herstellungsmethoden dagegen sind versatiler.« Den zentralistischen Ansatz Chinas, den Strom vom Staat zu subventionieren, findet er dagegen eher schwierig auf Europa übertragbar.