70 Jahre Elektronik, 70 Jahre voller technischer Innovation, immer am Puls der Zeit für die Leserinnen und Leser aus der Branche, die auch die Branche ist, die der ZVEI vertritt.
Gemeinsam sind die Elektronik und der ZVEI in 70 Jahren gewachsen – seit 1952 ist das Produktionsvolumen von drei auf 163 Milliarden Euro (2021) um knapp das 55-fache gestiegen – und haben sich gemeinsam weiterentwickelt: Von der Elektroindustrie zur Elektro- und Digitalindustrie, vom reinen Printheft zum multi- und crossmedialen E-Paper. Der Trend liegt auf der Hand: Elektrifizierter und digitalisierter denn je geht es in die Zukunft.
In einer so innovativen Branche tätig zu sein und über ihre Themen zu berichten, heißt auch immer, offen zu sein, für neue Ansätze, neue Perspektiven – und mutig zu sein, diese bis zum »Ende« mitzugehen. Mit ihrer Bandbreite an Berichten aus der Forschung bis hin zur Implementierung besitzt die Elektronik genau die Fähigkeit, die sie über sieben Jahrzehnte zu einem wichtigen Sprachrohr für die Elektro- und Digitalindustrie gemacht hat.
Der Wandel also, ein Motiv, das sich durchzieht: Auch 1952 war ein Jahr des Wandels. Mit der Gründung der Montanunion legten sechs Staaten die Grundlage für die Europäische Union, deren Zusammenhalt heute wichtiger ist denn je. Es kann als Zeitenwende beschrieben werden. Und in nichts weniger als in einer solchen befinden wir uns auch 2022 – politisch wie wirtschaftlich.
Der völkerrechtswidrige Krieg Putins in der Ukraine bringt ungeheures Leid über die ukrainische und russische Bevölkerung. Die Schockwellen und Auswirkungen der Aggression wie auch die westlichen Reaktionen und Sanktionen sind in der ganzen Welt zu spüren. Bei uns stellen sich vor allem zwei Fragen: Wie lässt sich die zum Teil frappierende Ressourcenabhängigkeit schnell reduzieren bzw. wie lässt sich die Resilienz in den Lieferketten grundsätzlich verbessern, damit wir auch künftig technologisch souverän handeln können.
Kaum schien die Coronakrise einigermaßen im Griff, ist jetzt die gesamte Industrie, auch die Elektro- und Digitalindustrie, wieder von Material- und Lieferengpässen betroffen. Ein Problem hat sich seit Beginn der Pandemie als besonders hartnäckig erwiesen: Die Halbleiterknappheit. Nach wie vor klemmt es bei der ausreichenden Lieferung von Halbleitern. Dieser Mangel an Chips zeigt, wie stark deren weltweiter Bedarf durch die Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung gestiegen ist. Um Versorgungsengpässe zukünftig zu vermeiden, gilt es, die Halbleiterindustrie hierzulande deutlich zu stärken und einseitige Abhängigkeiten im internationalen Wettbewerb zu verringern.
Europas Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion liegt heute nur noch bei knapp acht Prozent. Es ist gut, dass sowohl die Europäische Kommission als auch die Bundesregierung gegensteuern wollen und die Bedeutung einer leistungsfähigen, innovativen, resilienten und nachhaltigen Halbleiterindustrie vor Ort – mit entsprechendem Ökosystem – erkannt haben. In dieser Schlüsselbranche muss Europa technologisch souverän agieren können. Wichtig dabei ist, dass das weder Autarkie noch Protektionismus meint. Das Ziel muss ungebrochen heißen, globale Wertschöpfungsnetzwerke auch künftig auf Basis regelbasierter Handelsbeziehungen zu erhalten.
So bitter es ist: Der Krieg in der Ukraine zeigt uns nochmals mehr die Dringlichkeit der Energiewende – und leider auch die Schlafmützigkeit der vergangenen Jahre. Für eine gesicherte Energieversorgung müssen die erneuerbaren Energien und Stromnetze rasch ausgebaut, digitalisiert und Effizienzpotenziale konsequent genutzt werden. Die Bundesregierung steht im Wort, die Planungs- und Genehmigungsverfahren drastisch zu verkürzen. Wir müssen jetzt umsetzen, denn die Technologien sind da, und können eingesetzt und skaliert werden. Ein eingebautes intelligentes Messsystem macht noch lange kein intelligentes Stromnetz.
Wir sind überzeugt: Nur durch Elektrifizierung und Digitalisierung werden wir den Weg in eine wirklich nachhaltige Gesellschaft gehen können – den Weg in die All-Electric-Society. Zwar ist dieser Wandel kein leichtes Unterfangen: Aber er ist machbar und bietet große Chancen. Und: Er muss deutlich weniger als 70 Jahre benötigen. Es ist gut, dass die Elektronik diesen Wandel mit fundierten Berichten begleiten und dokumentieren wird. Alles Gute!
Dr. Gunther Kegel ist Vorstandsvorsitzender bei Pepperl+Fuchs und engagiert sich seit 1992 im ZVEI und seit 1998 im ZVEI-Vorstand, von 2017 bis 2020 als Vize-Präsident. Von 2007 bis 2019 war Dr. Kegel auch Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Automation und von 2016 bis 2020 VDE-Präsident. |
---|