EMV-Labor

Schaltregler erfolgreich entstören

28. Oktober 2014, 10:16 Uhr | Von Helmuth Lemme und Thomas Rechlin
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wirkung von Entstörmaßnahmen sicher beurteilen

Noch einige andere Probleme sind bei Schaltreglern zu lösen: Zum einen der hohe Stromstoß beim Einschalten (Inrush Current), der ein Vielfaches des normalen Eingangsstroms sein kann, weil die Speicherkondensatoren erst aufgeladen werden müssen. Die Gesamtschaltung muss so ausgelegt sein, dass dadurch kein Schaden entsteht, weder am eigentlichen Wandler noch an der Spannungsquelle. Bei Bedarf baut man eine Strombegrenzung ein. Dazu können vorgeschaltete Spulen dienen, die den Stromstoß glätten, oder auch NTC-Widerstände (Thermistoren).

Zum anderen sind Maßnahmen gegen Überspannungen unbedingt sinnvoll, landläufig auch unter dem Begriff „Surge“ oder „Transienten“ bekannt, die einen Wandler erheblich schädigen können. Hierbei unterscheidet man längerfristige Überspannungen (im ms-Bereich), wie sie z.B. durch eine instabile Versorgung hervorgerufen werden können, und kurzfristige (im µs-Bereich), die durch Störeinkopplungen in der umgebenden Beschaltung entstehen. Je nach Art der Überspannung eignen sich entweder Varistoren oder TVS-Dioden, auch Suppressordioden genannt. Varistoren sind hierbei robuster und können Überspannungen mit höherer Leistung begrenzen, haben aber eine längere Ansprechzeit. Im Gegensatz dazu sprechen TVS-Dioden rascher an und sind so für steile Spannungsspitzen (hohes du/dt), jedoch mit geringerer Leistung, bestens geeignet.

Um die Wirkung von Entstörmaßnahmen sicher beurteilen zu können, muss die Störausstrahlung eines Wandlers präzise gemessen werden. Das erfordert aufwendige Apparaturen. Für solche Zwecke gibt es mittlerweile spezialisierte EMV-Labors, in denen erfahrene Fachleute ihr Wissen zur Anwendung bringen. Gemessen wird der Ripple&Noise immer als Gesamtwert von Spitze zu Spitze. Zur Reduktion eignen sich am besten LC-Filter am Ausgang. Die Kondensatoren müssen einen möglichst geringen ESR-Wert (äquivalenter Serienwiderstand) haben und möglichst nah an den Anschlüssen des Wandlers platziert werden. Die Filter-Grenzfrequenz sollte etwa ein Zehntel der Arbeitsfrequenz des Wandlers betragen. Im Kasten „Die Störmessungen im Detail“ sind die einzelnen Messvorgänge aufgelistet; zu Erleichterung der internationalen Kommunikation werden hier durchweg englische Bezeichnungen verwendet.

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Labors für unterschiedliche Arten von Qualitäts- und Stresstests
Bild 3. Labors für unterschiedliche Arten von Qualitäts- und Stresstests.
© Recom

Stromversorgungs-Cluster im Herzen Europas

Um sich diesen Themen intensiver widmen zu können und sie mit der umfangreichen Kompetenz in Sachen Stromversorgung in Einklang zu bringen, hat die Firma Recom, langjähriger Hersteller von Schaltreglern der verschiedensten Typen (AC/DC, DC/DC, Schaltregler, LED-Treiber), in Gmunden am Traunsee, Österreich, ein neues, 3000 m² großes Headquarter mit Campus-Charakter errichtet [1]. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf den Labortrakt gelegt (Bild 3). Neben der Erweiterung der bestehenden R&D-, Versuchs-, Untersuchungs- und Qualitätslabore wurde ein State-of-the-Art-EMV-Labor eingerichtet, welches im süddeutschen und österreichischen Raum kaum seinesgleichen haben dürfte. In der von Rohde & Schwarz ausgestatteten 3-m-SAR-Kammer (Semi Anechoic Chamber) mit Drehtisch können normkonforme Messungen nach CISPR22 durchgeführt werden, von 9 kHz bis 30 MHz „conducted“ und von 30 MHz bis 3 GHz „radiated“. Eine Besonderheit stellt dabei der automatisierte Messablauf für Prüflinge mit einem Durchmesser von bis zu 1,5 m dar. Nahfeldsonden ermöglichen eine Ermittlung der kritischen Störquellen am Prüfling.

In der reflexionsfreien Messkammer werden Baugruppen auf ihre Störabstrahlung und ihre Störempfindlichkeit hin überprüft
Bild 4. In der reflexionsfreien Messkammer werden Baugruppen auf ihre Störabstrahlung und ihre Störempfindlichkeit hin überprüft.
© Recom

Darüber hinaus ist das Labor auch für Messungen nach EN 61000-4-2/ -4/ -5/ -6/ -11 und EN 61000-3-2 ausgestattet. Letzteres ist besonders für LED-Treiber ein wichtiges Kriterium. Last but not least kann mit der hauseigenen GTEM-Zelle auch das Verhalten des Prüflings auf eingestrahlte Störungen (Radiated Immunity, Teil der EN 61000-4-3) überprüft werden (Bild 4). Im Kasten „Headquarter“ sind die dort eingerichteten Labore aufgelistet. Doch das teuerste Equipment ist nutzlos ohne qualifizierte Anwender. Daher wurde das Team um eine EMV-Spezialistin mit langjähriger einschlägiger Erfahrung ergänzt, die nun das EMV-Labor betreut. Für die enge Projektzusammenarbeit mit Fachhochschulen und Universitäten werden nicht nur separate Arbeitsräume am Recom-Campus zur Verfügung gestellt, sondern auch drei kleine Appartements zur Unterbringung auswärtiger Studenten und Wissenschaftler. In Zukunft soll es darüber hinaus Kunden und befreundeten Unternehmen möglich sein, die Labore auch für Tests an eigenen Prototypen zu nutzen. Durch die enge Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen aus der Stromversorgungsbranche soll so im Dreieck München-Linz-Graz langfristig ein innovativer Stromversorgungs-Cluster entstehen.


  1. Schaltregler erfolgreich entstören
  2. Wirkung von Entstörmaßnahmen sicher beurteilen
  3. Die einzelnen Labors im Headquarter

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