Auch wenn er durchaus so etwas wie Goldgräberstimmung am Markt ausmacht, sieht Ralf Fachet, Senior Director Sales & Marketing bei NetModule, einen gesellschaftlichen Wandel, der sich unter anderem in der Art der Mobilität niederschlägt. »Die Leute werden umweltbewusster, und da hat das 9-Euro-Ticket meiner Ansicht nach durchaus etwas gebracht, nämlich die Einsicht: Wenn das so einfach ist, nutze ich das jetzt!«
Vereinfachungen, Flatrates werden sich nach seiner Ansicht am Markt immer durchsetzen. »Das hat sich zum ersten Mal bei den Mobilfunktarifen gezeigt, das hat sich beispielsweise bei den Streaming-Angeboten wiederholt und wird wahrscheinlich auch der Schlüssel zu einer verbesserten, nachhaltigen Mobilität für jeden Einzelnen von uns sein.« Multimodalität lautet für ihn darum das Zauberwort für die Individualmobilität der Zukunft. Doch die Nutzung verschiedener aufeinander abgestimmter Verkehrsmittel erfordert ein Reisemanagement, im Sinne von »Network as a Service«, das zuvorderst eine verbesserte Zug-zu-Land-Kommunikation erfordert. »Im Netzbereich ist die Abdeckung der Bahn niedrig; ändern ließe sich daran schnell wohl nur etwas, wenn die Bahn die Möglichkeit der Campus-Netze für sich nutzen würde.«
Zeitlich näher ist da der Einzug von WiFi 6 in die Züge der verschiedenen Bahnbetreiber. Nach Auskunft von Peter Albert, Vorstand der zur Westermo-Gruppe gehörenden Eltec, wird die Deutsche Bahn ihre Züge bereits ab Ende dieses Jahres mit entsprechenden Produkten ausrüsten; »die ÖBB wird meines Wissens nach 2023/24 mit der entsprechenden Ausrüstung der Züge beginnen«. Gegenüber 5G, so Albert, »stellt das für die Reisenden noch einmal eine deutliche Steigerung des Komforts dar«.
Auch wenn die aktuelle Energiekrise der Branche durchaus auch einen Dämpfer versetzt hat, wie Patrik Hellmüller, zuständig für Marketing Communications bei Syslogic, feststellt, »so ist unser Commitment zum Bahnmarkt ungebrochen, und speziell unsere Nvidia-basierten Produkte ermöglichen es uns, eine Vielzahl unterschiedlicher Herausforderungen anzunehmen«. Der besondere Clou dabei: Der Nutzer benötigt keine Cloud, um die ermittelten Daten zu speichern, um sie dann später auszuwerten. »Das sensorische Sammeln im Zusammenspiel mit der Software liefert vor Ort direkte Ergebnisse, ohne den Umweg über die Cloud. Damit lassen sich spezifische Aufgaben direkt vor Ort im Zug lösen.«
Aus Sicht von Dimitrios Koutrouvis, Managing Director bei Lütze Transportation, waren die Zukunftsaussichten der Branche noch nie so gut wie heute. Anders als in der Vergangenheit setzten die Kunden aber zunehmend auf Standardprodukte, worin Koutrouvis eine zusätzliche Chance für Bahnzulieferer sieht. Er ist darüber hinaus der Meinung, dass die Branche in der Zeit seit der letzten InnoTrans 2018 den bislang größten Technologiesprung gemacht habe, »seit ich in dieser Branche tätig bin«. Er mahnt aber auch Wandel an. »In einer Branche, in der Probleme in Zukunft in Echtzeit gelöst werden müssen, wo Systemanbieter ihre ermittelten Daten kapseln oder nur gefiltert zur Verfügung stellen, bin ich der Meinung, dass die Bahnbranche da viel von der Industrieautomatisierung lernen kann, wo ein Zugang zu vielen Subfunktionen Usus ist.« Beim Thema führerlose Fahrzeuge sieht er Europa auf einem guten Weg, auch wenn sich bis zum Einsatz solcher Zugsysteme wohl noch einige Jahre hinziehen werden.
Verstärkte Elektronisierung der Bahn bedeutet zwangsläufig auch einen deutlich steigenden Bedarf an AC/DC- und DC/DC-Versorgungen, wie die ausstellenden Stromversorgungsspezialisten auf der InnoTrans bestätigen. So unterschiedlich dabei die einzelnen Business-Ansätze sein mögen, sie alle treten als Kompetenzberater und »Problemlöser« auf. Obwohl Recom den Bahnmarkt erst seit gut acht Jahren mit darauf zugeschnittenen Produkten beliefert, kann das Unternehmen heute Produkte im Bereich von 1 W bis 16 kW anbieten. »Unser Ziel ist es, Recom als Global Player in diesem Bereich am Markt zu etablieren«, so Michael Peters, Business & Product Manager. Neben dem Direktgeschäftsansatz ist Recom derzeit auch dabei, Gespräche mit Distributoren zu führen, die diese Produkte weltweit betreuen sollen. Mit der Unterzeichnung entsprechender Verträge rechnet Peters in den nächsten Monaten; »für uns kam die InnoTrans damit vielleicht ein halbes Jahr zu früh«.
Steffen Heinrich, Geschäftsleitung Technik bei MTM Power, verweist darauf, dass auch die Bahnindustrie von der Corona-Pandemie beeinflusst wurde »und es eine ganze Reihe von Projekten gibt, die Corona-bedingt verschoben wurden«. Auch wenn der Bahnmarkt traditionell lange Vorlaufzeiten habe, »hat auch er unter der unsicheren Liefersituation für Komponenten und Subsysteme in den letzten Jahren gelitten«.
Über eine sehr gute Projektlage freut sich derweil Dieter Kocevar, Managing Director der Autronic Steuer- und Regeltechnik. »Es ist durchaus nicht so, dass es in den letzten zwei Jahren keine neuen Projekte gegeben hätte, die letzten fünf Entwicklungsprojekte haben sich ohne einen einzigen Kundenbesuch ergeben. Video-Meetings können da sehr effizient sein.« In seinen Augen hat dieser Umstand in dem ein oder anderen Fall sogar die Time to Market verkürzt. Er äußert aber auch Selbstkritik: »Die letzten zweieinhalb Jahre haben auch gezeigt, dass wir unsere High Runner wirklich ab Lager verfügbar haben müssen.« Verträge, so sein Eindruck, »werden inzwischen zum Teil deutlich schneller gemacht als früher«.
»Die Schiene ist grün, und das macht sie für die Politik so attraktiv«, stellt Birgit Tunk, Geschäftsführerin der Syko Gesellschaft für Leistungselektronik fest. »Die technische Herausforderung besteht nun darin, die Effizienz in der Bahntechnik zu erhöhen, und als Problemlöser in Sachen Stromversorgungslösungen können wir hier einen entscheidenden Beitrag leisten.«