Mehr Aussteller als vor Corona – Wolfgang Mildner, General Chair der Messe Lopec, freut sich über diese Rückkehr der Normalität. Neben Automotive und Smart Living rückt auf der diesjährigen Messe ein weiteres Thema vor allem in den Kongressvorträgen in den Vordergrund: Sustainability.
Markt&Technik: Wenn Sie die Aussteller und die Vortragseinreichungen der diesjährigen Lopec betrachten – gibt es Veränderungen, zeichnen sich neue Schwerpunkte ab?
Wolfgang Mildner: Wir haben das im Vorfeld der Lopec diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die flexible und gedruckte Elektronik im Automotive-Bereich angekommen ist und umgesetzt wird. Es gibt heute keinen Tier-One in der Automotive- und Automobilbranche, der nicht bereits entsprechende Projekte umsetzt oder daran arbeitet. Im Prinzip geht es dabei immer darum, bereits existierende Oberflächen mit Funktion zu versehen und so dazu beizutragen, das Wohlbefinden von Fahrer und Beifahrer zu erhöhen und das Gesamtgewicht des Fahrzeugs trotz der Integration neuer Features nicht drastisch zu steigern.
Dazu gibt es ganz naheliegende Lösungen. Wenn Sie in einem Elektrofahrzeug, anders als in einem Auto mit Verbrennungsmotor, eben keine Warmluft mehr zum Heizen des Innenraums verwenden können, müssen Sie das anders regeln. Eine Möglichkeit sind da sicher in die Innenraumoberflächen integrierte Heizelemente. Wenn Sie den Bereich Smart Living betrachten, dann dauert es dort einfach länger, bis existierende Lösungen in den Markt gebracht werden können, weil sie zuvor noch entsprechende Tests zu durchlaufen haben. Ich denke hier etwa an smarte Pflaster oder Textillösungen, die im Medizinbereich eingesetzt werden können.
Aus diesem Grund bleiben Automotive und Smart Living weiterhin die Schwerpunkte der Lopec. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach nachhaltigen Prozessen und Produkten, und da hat die flexible und gedruckte Elektronik einiges zu bieten. Nachhaltige Aspekte der Druckverfahren als additive Fertigungsverfahren für Elektronik sind schon immer ein Markenkern der flexiblen und gedruckten Elektronik und werden – zum Glück – zu einem immer stärkeren Faktor am Markt.
Im letzten Jahr erfolgte der Neustart der Lopec als Live-Veranstaltung nach der Corona-Pandemie. In diesem Jahr nun benötigen die Aussteller und Besucher auch keine Atemschutzmasken mehr. Hat sich die Messe erholt?
Ich denke, die Erleichterung darüber, nun fast wieder überall hin ohne Einschränkungen reisen zu können, ist überall spürbar. Wir stellen allerdings auch fest, dass die Entscheidung darüber, ob man an einer Veranstaltung teilnimmt, und das bestätigen uns auch andere Kongress- und Messeveranstalter, nach der Pandemie kurzfristiger gefällt wird als davor. Ich melde mich eben nicht mehr sechs Wochen vor der Veranstaltung als Besucher an, sondern erst ein, zwei Wochen davor. Bei den Ausstellern haben wir inzwischen die Zahlen der Vor-Corona-Zeit überboten! Wir haben in diesem Jahr wieder Aussteller aus Korea, Japan und China hier. Ich gehe auch von Besuchern aus diesen Ländern aus. Wie sich das im Fall China verhält, können wir aktuell allerdings noch nicht abschätzen.
Sie sagten vor einem Jahr, dass sich während der Pandemie eine Reihe von Startups schlafen legen musste. Hat sich die Startup-Welt inzwischen wieder normalisiert?
Sagen wir es so: Die Herausforderungen haben sich verändert. Heute bestimmt nicht mehr die Frage nach möglichen Lockdowns oder langfristigen Kontakteinschränkungen die Zukunft der Startups im Bereich flexibler und gedruckter Elektronik, sondern die Frage: Kommen die Startups an die notwendigen Gelder für ihre Weiterentwicklung? Mit den Veränderungen im Finanzwesen und der Abkehr von der Niedrigzinspolitik fahren da viele Startups inzwischen an der Kante. Wir haben dies als Anlass genommen, dieses Mal auf der Lopec zum ersten Mal jemanden als Startup-Chair zu benennen, der sich ausschließlich um das Thema Startups kümmert, und loben den Startup-Award in mehreren Kategorien aus.
Mit Evonik und Louisenthal haben sich namhafte Firmen aus dem Bereich der flexiblen und gedruckten Elektronik zurückgezogen. Deutet sich hier eine Veränderung der Marktteilnehmer an?
Nein, das würde ich nicht so interpretieren. Große Unternehmen, das gilt speziell für den Fall Evonik, setzen von Zeit zu Zeit ihre Schwerpunkte in einer neuen Richtung. Der wird zukünftig eben in anderen Bereichen als der flexiblen und gedruckten Elektronik liegen. Doch das Know-how von Evonik ist ja nicht vom Markt verschwunden, es wurde von Innovation Lab übernommen. Man muss aber auch ganz klar feststellen, dass ein Engagement im Bereich flexibler und gedruckter Elektronik ganz sicher nicht als Kurzzeit-Engagement angelegt sein sollte. Aktivitäten in diesem Bereich erfordern Geduld, und die ist nun mal nicht bei allen gleich ausgebildet. Aber einen generellen Trend zum Verlassen dieses Technologiesegments kann ich nicht feststellen.