Die Herausforderungen für die Stromversorgungsbranche waren in den letzten beiden Jahren enorm. Erst der Einbruch des Marktes, dann die rasante Markterholung. Rechnen Sie damit, dass die Konjunkturzyklen kürzer und ihre Amplituden steiler werden?
Die Stromversorgungsbranche hat 2009/10 eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich gebracht. Zu Beginn des letzten Jahres war eine Vielzahl von Mehrfachbestellungen am Markt zu beobachten, das hat sich über das Jahr hin beruhigt, die Book-to-Bill-Zahlen haben inzwischen wieder fast normales Niveau erreicht. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir in Zukunft solche extremen Wechselphasen häufiger erleben werden. Ich sehe darin aber keine Gefährdung unseres Geschäfts, für uns stellt sich viel eher die Frage: Welche der zahlreichen Möglichkeiten, die solche Marktentwicklungen mit sich bringen, bietet für uns die besten Wachstumschancen für die Zukunft?
Welche der sich auf dieser Achterbahnfahrt eröffnenden Möglichkeiten bietet nach Ihrer Ansicht in Zukunft die besten Wachstumschancen für Vicor?
Zu Beginn unserer Unternehmensgeschichte war das Geschäft zu etwa 70 Prozent von Telekommunikationsanwendungen dominiert. Dieser Anteil ist inzwischen zurückgegangen. Der Industrie- und der Defense-Markt sind dazugekommen. Mit der Entwicklung der VI Chips sind wir in für uns neue Anwendungsbereiche wie das Server-Business und Consumer-Applikationen vorgestoßen, und wir sehen für Produkte wie etwa die VI Chips auch Einsatzmöglichkeiten im Automotive-Bereich. Der Reiz des Power-Component-Konzepts besteht für mich im Gegensatz zu kundenspezifisch orientierten Lösungen eben darin, dass diese Komponenten, verpackt etwa in unterschiedlichen Gehäusen, in verschiedenen vertikalen Märkten vielfältig einsetzbar sind, ohne dass sie für diese Applikationsbereiche speziell entwickelt wurden.
Sie haben in der Vergangenheit behauptet, dass Standardisierungsbemühungen in der Stromversorgungsbranche das »Rattenrennen« nur weiter beschleunigen würden. Von den traditionellen Stromversorgungsherstellern ist bislang keiner Ihrem V-I-Chip-Konzept gefolgt. Welche Herausforderungen kommen auf traditionelle AC/DC- und DC/DC-Spezialisten in Zukunft zu?
In den letzten fünf Jahren war zu beobachten, dass speziell taiwanische Unternehmen die Business-Konzepte amerikanischer Hersteller adaptiert haben. Der Unterschied ist: Sie setzen diese Konzepte deutlich schneller am Markt um. In meinen Augen besteht das Problem darin, dass es kein Patent auf Schnelllaufen gibt. Schon heute sind die taiwanischen Unternehmen auf einem wettbewerbsfähigen Niveau, wenn es um konventionelle Technik geht. Power-Spezialisten, die diesen »Wettlauf« in Zukunft bestehen wollen, müssen nicht nur über entscheidende IP-Vorteile verfügen, sie müssen auch in der Lage sein, diese weltweit zu schützen. Obwohl wir 2010 unsere Produktionskapazitäten verdreifacht haben, können wir nicht alle Märkte abdecken. Wir verfolgen darum eine intensive Lizenzierungs-Politik: Wenn Kunden mit entsprechendem Potential unsere Visionen teilen, sind wir bereit, entsprechende Lizenzierungsabkommen zu unterschreiben. Dies ermöglicht uns auch entsprechend hohe Investitionen in R&D, weil wir nicht genötigt sind, selbst riesige Produktionskapazitäten aufzubauen, um den Marktbedarf abzudecken.
Sie haben Vicor vor 30 Jahren gegründet und sind nach wie vor der Motor dieses Unternehmens. Wenn Sie sich einmal zurückziehen, könnte Vicor dann seine Unabhängigkeit verlieren?
Nein. Mir macht es weiterhin Spaß, Vicor weiter zu entwickeln. Unabhängig von meiner Person verfügt das Unternehmen zudem über ein sehr leistungsfähiges Management. Ich würde deshalb Ihre Frage verneinen. Vicor wird auch in Zukunft unabhängig bleiben.