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Smarte Elektronik verbessert Behandlung von Borreliose-Erkrankten

24. August 2015, 15:48 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

LymeCare, die Arzt-Patienten-App

Etwa ein Dreivierteljahr nach der Markteinführung der Arzt-Patienten-App »LymeCare« wird diese von derzeit etwa 500 Patienten genutzt.
Etwa ein Dreivierteljahr nach der Markteinführung der Arzt-Patienten-App »LymeCare« wird diese von derzeit etwa 500 Patienten genutzt.
© symcollect

Neben der Diagnose spielt auch die Nachbetreuung der Patienten eine wichtige Rolle. Mit SymCollect haben Sie einen Partner gefunden, der mit LymeCare die erste Arzt-Patienten-App auf den Markt gebracht hat. Wie stellt sich hier inzwischen die Situation dar?

Bernhard Ammann: Das Besondere an der von uns entwickelten App, die auf der Beratung durch Dr. Nicolaus basiert, ist die integrierte Alarmierungsfunktion und der echte Rückkanal, der eine Kommunikation zwischen Arzt und Patienten erlaubt. Etwa ein dreiviertel Jahr nach der Markteinführung von LymeCare gibt es derzeit etwa 500 Nutzer dieser App. Dr. Nicolaus betreut mit seinem Team jährlich um die 3000 Patienten. Sein Terminkalender ist auf sechs bis neun Monate hinaus gefüllt. Einfach mal kurz anrufen, um als Patient eine Auffälligkeit zu besprechen, ist da schwierig. Mit der App wird eine telemedizinische Verbindung zwischen Arzt und Patienten geschaffen, die zum Einen nach dem Red-Flagg-System Alarm auslöst, wenn einzelne Parameter Grenzwerte überschreiten. Außerdem bietet die App dem Arzt beim nächsten routinemäßige Termin die Möglichkeit sehr spezifisch auf dokumentierte Veränderungen im Therapieverlauf einzugehen. Das digitale Gedächtnis der App, ist da aussagekräftiger als die teils Wochen zurückliegende Erinnerung des Patienten.

Sie haben LymeCare zuerst in einer IOS-Version für das iPad aufgesetzt, inzwischen sind Sie zu einer Browser-Lösung übergegangen. Warum?

Übergegangen ist zu viel gesagt: Wir haben die Lösung um ein Browserangebot erweitert. Um es klar zu sagen, wir hätten von Beginn an zumindest auch auf eine Version setzen sollen, die auf jedem Gerät nutzbar ist. Als Startup haben wir hier einer falschen Beratung Glauben geschenkt. Der Browser-basierte Ansatz, hat in den letzten zwei Monaten zu einer spürbaren Steigerung der Nachfrage geführt, weil nicht mehr jeder Nutzer ein Apple-Endgerät benötigt. Bei den Patienten der BCA-Klinik handelt es sich zu 70 Prozent um internationale Kunden. Ausgehend von den Deutsch und Englisch, steht  die Anwendung inzwischen zudem auch in Russisch, Tschechisch, Spanisch, Norwegisch und Französisch zur Verfügung.

Ursprünglich war der Plan, weitere Versionen dieser App anzubieten, etwa für die Bereiche Onkologie, chronisch urologisch Erkrankte, Diabetes-Patienten oder auch Pharmaforschung. Sind Sie dabei, diese Pläne umzusetzen?

Konkret arbeiten wir derzeit an einer Version für Krebspatienten. Dabei haben wir festgestellt, dass der LymeCare-Fragebogen mit seinen 116 Fragen in acht Kategorien, eine hervorragende Basis für die Entwicklung einer OncoCare-App ist. Wir haben auch hier namhafte Experten in Deutschland gefunden, die mit uns zusammen diese App entwickeln. Angesichts der wesentlich größeren Zahl von Krebspatienten, die sich in der Nachsorge befinden, gehen wir davon aus, dass die Nachfrage nach einer solchen App deutlich höher sein wird, als in einer Nische, wie den Borreliose-Erkrankungen. Immer deutlicher wird zudem, dass sich unser Ansatz hervorragend zur Beobachtung von Therapie-Verläufen eignet. Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen  stellt unsere SymCollect-App auch ein hervorragendes als Tool bei klinischen Studien oder zur Erforschung von Therapieverläufen dar. Ergeben sich neue Aspekte, die abgefragt werden sollen - zum Beispiel der Verdacht auf Nebenwirkungen - dann ließe sich das durch ein Update erledigen, und alle Untersuchungs-Teilnehmer liefern ab sofort auch Daten zu dem neu hinzugekommen Punkt.

Wie bei Thema Lab-on-Chip stellt sich auch hier die Frage: Wie stellen sich die Krankenkassen zu dieser Neuerung? Sind sie bereit medizinische Apps in ihren Leistungskatalog aufzunehmen?

Man muss ganz klar sagen, dass sich die Nutzung dieser App bisher fast ausschließlich auf Privatpatienten beschränkt. Wir sind mit LymeCare auch an große Gesetzliche Krankenkassen in Deutschland herangetreten. Unsere Erfahrung dabei, ja es gibt ein Interesse daran, aber, die Krankenkassen wissen nicht so genau, was sie wollen. Sie verlangen nach einer Validierung, können einem aber letztlich selbst nicht sagen, welche Art der Zulassung sie denn nun eigentlich benötigen. Überraschend ist aber auch, dass bislang keine Krankenkasse bereit war, im Rahmen eines Pilotprojekt eine solche Validierung mit uns zusammen durchzuführen. Ich habe den Eindruck, das Problem in Deutschland besteht darin, dass man eigentlich bereits mit einer perfekten Lösung auf den Markt kommen muss, einem letztlich aber niemand sagen kann, welche Kriterien den diese perfekte Lösung eigentlich erfüllen müsste.

Das klingt so, als wenn Sie jenseits der deutschen Grenzen kooperationswilligere Partner gefunden hätten. Worin liegt der Unterschied?

Wir verfolgen zum Beispiel ein interessantes Projekt in Großbritannien mit der NHS. Der entscheidende Unterschied liegt für mich darin, dass die NHS konkrete Vorstellungen äußert, was sie benötigt, und wir Anbieter unsere Lösung auf diese Anforderungen zuschneiden können. Im Rahmen dieses Projekts haben sich Kontakte mit der Universität in Edinburgh ergeben. Kommen wir mit der NHS zu einem Ergebnis, bestünde die Möglichkeit einer Validierung über die Universität in Edinbourgh. Manchmal muss man vielleicht Umwege in Kauf nehmen, um ans Ziel zu kommen. Mit einer Validierung, die wir in Großbritannien erhalten, dürften sich auch die Verhandlungen mit deutschen Krankenkassen in Zukunft einfacher gestalten.

Das zweite Problem ist: In Großbritannien gibt es einen zentralen Verhandlungspartner, wenn es darum geht, wie die Ärzte sich eine solche App-Betreuungsleistung vergüten lassen können. In Deutschland gibt es seit 2013 die Forderung nach einer „telemedizinischen Kontaktpauschale“. Auf Nachfrage haben wir aber erfahren, dass hier nichts mehr weiter gegangen ist seither. Nun darf aber ein deutscher Kassenarzt gar nichts abrechnen, was nicht mindestens im IGEL-Katalog steht. Das ist eine massive Innovationsbremse. Wie viele Modellprojekte gab es nicht schon voller guter Ansätze, die aber alle deshalb im Sande verlaufen sind. Hier bräuchte man zentrale Ansprechpartner, eine Poollösung für Angebote, klare Ansprechpartner für uns Innovatoren - nicht lauter Einzelverhandlungen.

Dr. Nicolaus sprach zuvor von Investoren, die für die Lab-on-Chip-Lösung gesucht werden. Gilt das auch für SymCollect?

Wir haben unser Lehrgeld als Startup bereits bezahlt, aber die Weiterentwicklung und die Ausweitung unseres Angebots medizinischer Apps erfordert weitere Investitionen. Wenn sich hier interessante Möglichkeiten bieten, sind wir dafür offen. Mittel- und langfristig wäre es unser Wunsch, dass Krankenkassen auch einen App-Store anbieten, aus denen Arzt und Patient die jeweils passenden Tools für sich auswählen können. Wie schnell sich das realisieren lässt, wage ich aber nicht zu sagen.


  1. Smarte Elektronik verbessert Behandlung von Borreliose-Erkrankten
  2. Schritt für Schritt zum Markteintritt
  3. LymeCare, die Arzt-Patienten-App

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