Für die digitale Signalanalyse ist optional eine sehr umfangreiche Funktion mit dem Echtzeit-Augendiagramm einsetzbar. Damit lassen sich sehr schnelle Datenraten vermessen. Der Bitstrom wird mit einigen Tausend Rahmen synchronisiert überlagert und ein Graph entsteht, der aussieht wie ein Auge. Je nachdem, wie sehr das Auge horizontal und/oder vertikal geschlossen ist, ist das ein wichtiges Qualitätskriterium der Datenübertragung (Bild 3). Das Echtzeit-Augendiagramm eignet sich nicht nur zur Visualisierung der kompletten Datenübertragung, sondern es können auch unterschiedliche Testparameter herausgelesen werden. Ein Beispiel ist der Q-Faktor, der durch eine mathematische Beziehung eine Aussagekraft über die Bitfehlerrate (BER) der Datenübertragung gibt. Hier werden kontinuierliche Einflüsse durch Rauschen und unerwünschte Jitter-Effekten sichtbar und auch sporadische Effekte wie Transienten.
In der Augendiagramm-Darstellung lässt sich auch eine Aussage über die Bandbreite treffen, denn sie steht in Relation zur Anstiegszeit des Augendiagramms. Die Bandbreite des eingesetzten Tastkopfes ist im Augendiagramm ebenfalls sichtbar. Das muss bei der Auswahl des Tastkopfes bedacht werden und ein Tastkopf mit entsprechend hoher Bandbreite gewählt werden, wie es bei dem neuen Rigol-Tastkopf der Serie PVA8000 der Fall ist, um dessen Einfluss auf die Bandbreite und somit auf die Anstiegs- und Abfallzeit des Datensignals zu minimieren.
Die oben beschriebene Synchronisation ist ein wichtiger Aspekt, um das gewünschte Datensignal darstellen zu können. Das DS70000 bietet mehrere anwendungsspezifische Synchronisationsarten an, zum Beispiel eine für PLL-synchronisierte Datenströme und eine andere für Takt-synchronisierte Datenströme.
Eine Beeinflussung durch Jitter am Datensignal kann auch durch unerwünschten Jitter-Einfluss vom verwendeten Taktsignal kommen. Hierfür kann die im Oszilloskop vorgesehene Jitter-Analyse verwendet werden. Detaillierte Jitter-Analysetabellen lassen darauf schließen, wie hoch der Einfluss des Jitters auf den betroffenen Takt ist. Jetzt gilt es herauszufinden, woher dieser Einfluss kommt und welcher Natur er ist. Auf der einen Seite kann durch Rauschverhalten ein unsymmetrischer oder zufälliger Jitter entstehen. Dieser lässt sich bis zu einem gewissen Grad durch entsprechende Maßnahmen abstellen. Auf der anderen Seite kann eine definierte Störung einen symmetrischen oder deterministischen Jitter erzeugen. Sobald die Symmetrie und das Störsignal bekannt sind, lässt es sich beheben.
Die Jitter-Analyse mit der Trend-Darstellung und dem Einsatz eines Histogramms sowie die Darstellung des Jitters im Frequenzbereich sind geeignete Werkzeuge, den Jitter schnell zu klassifizieren und zu reduzieren. Der Trend spiegelt die Integration der Jitter-Störung wieder. Falls zum Beispiel ein Sägezahntrend sichtbar wird, ist klar, dass der Jitter sich wie ein periodischer Puls ändert und einem symmetrischen Jitter entspricht. Wenn hierzu noch die Verteilung des Histogramms hinzugezogen wird, lassen sich weitere Signaldetails erkennen. Durch die Kenntnisse des Störsignals lässt es sich jetzt abstellen bzw. der Takt kann über gezielte Änderungen am Schaltungsentwurf besser vor dem Störsignal geschützt werden.
Neben der Frequenzdarstellung des Jitters kann man zeitgleich die Frequenzdarstellung des Datensignals darstellen, um die Auswirkungen der Störfrequenzen – verursacht durch den Jitter – zu analysieren. In einer Ergebnistabelle werden die Analyseresultate ausführlichdargestellt. Dazu gehören die Jittersumme und diezugehörigen Anteile aus deterministischem und periodischem Jitter.
Die beschriebene Jitteranalyse kann parallel zur Vermessung des Echtzeitaugen-diagramms durchgeführt werden. Durch die gleichzeitige Darstellung beider Applikationen zur selben Zeit, lässt sich sehr schnell und komfortabel das Datensignal vollumfänglich analysieren.
Das DS70000 bietet auch eine Vielzahl an Triggern und Decodierungen von Bussystemen wie FlexRay, CAN-FD, LIN oder I2C und viele mehr an, die besonders in der Automobilbranche oft zur Anwendung kommen. Gerade bei komplexeren Schaltungen mit unterschiedlichen Bussystemen kommt es darauf an, mehrere Busse zeitgleich zu decodieren. Bei der DS70000-Serie lassen sich bis zu vier auch unterschiedliche Busse zeitgleich decodieren. Das Resultat lässt sich in einer Ereignistabelle darstellen und kannals csv-Datei gespeichert werden. Das Oszilloskop kann je nach Speichereinstellung bis zu zwei Millionen Zeitrahmen aufnehmen und zu einem späteren Zeitpunkt beliebig oft und konstant ohne Zeitverlust abspielen. Die Signale lassen sich so auch im Nachhinein analysieren und decodieren.
Für Vorab-Konformitätsmessungenkönnen unterschiedliche Tests am Gerät durchgeführt werden. Dazu gehören Spitzenwerte,Amplitudengenauigkeit der Gleichtaktspannung, Jitter-Verhalten oder Fading-Effekte. Unterstützt werden u. a. USB2.0 HS und Ethernet 10-/100-/ oder 1000BaseTX, basierend auf IEEE802.3-2018.
Bei der DS70000-Serie kann man die vertikale Auflösung erhöhen, was speziell für die Analyse in der Leistungselektronik ein wertvolles Werkzeug ist, um bei den Strom- und Spannungsverläufen kleinste Änderungen sichtbar zu machen. Die vertikale Auflösung kann abhängig von der Bandbreite und der Abtastrate bis auf 16 bit aufgelöst werden. Diese Auflösung ist auch deshalb möglich, weilsich das Messsignal erst mit der Bildschirmauflösung von 1920 × 1080 Pixeln entsprechend hochaufgelöst darstellen lässt (Bild 4).
In der Regel wird sich ein Anwender die Messwerte nicht nur auf dem Gerät anzeigen lassen, sondern will sie auf einem externer Speicher dauerhaft sichern und noch weiter analysieren. Dafür sind in diesem Oszilloskop mehrere verschiedene Schnittstellen integriert. Mit der LAN-Schnittstelle kann das Gerät per Web-Control über einen Browser bedient werden. Für eine schnelle Datenübertragung kann der USB-3.0-Anschluss oder die optische Schnittstelle SFP+ für Übertragungsgeschwindigkeiten bit 10 Gbit/s genutzt werden. Soll für Präsentationszwecke ein größeres Display angeschlossen werden, kann das über einen HDMI-Anschluss geschehen.
Rigol erweitert mit der Produkteinführung der DS70000-Serie auch sein Portfolio für Zubehör mit dem aktiven differenziellen Tastkopf der Serie PVA8000 (Bild 5). Dieser Tastkopf enthält den selbstentwickelten Frontend-ASIC mit dem Namen γ-Phoenics. Die Besonderheiten dieses Chipsets ist die rauscharme Charakteristik und die sehr lineare Verstärkung des Signals je nach Version bis zu einer maximalen Frequenz von 3,5 GHz, 5 GHz oder 7 GHz. Außerdem ist die Ausrichtung der linearen Amplitudenverstärkung über den Frequenzbereich direkt in den Chip eingebaut, was diese deutlich robuster gegen veränderte Umwelteinflüsse werden lässt.
Die neue Serie DS70000 und der Tastkopf der Serie PVA8000 sind für Rigol ein Schritt in eine höhere Messtechnik-Leistungsklasse. Durch die Vielseitigkeit lässt sich das Oszilloskop in zahlreichen industriellen Anwendungen aber auch in der Forschung und Entwicklung sowie im Ausbildungsbereich einsetzen.
Der Autor
Boris Adlung
ist Vertriebsingenieur bei Rigol Technologies. Er arbeitet seit mehr als 15 Jahren in der Hochfrequenztechnik, unter anderem als HF-Applikationsingenieur bei Keithley, als Ingenieur für technische Systemqualifikation bei Siemens und als Vertriebs- und Projektingenieur für Radartechnik bei Schleifring. Er studierte Nachrichten- und Kommunikationstechnik an der FHTW Berlin.