Die im folgenden Absatz gezeigten Beispiele basieren auf der Vermessung eines 4-adrigen Kabels, bei dem die ein differenzielles Paar bildenden Litzen sich jeweils gegenüber liegen (Star-Quad-Anordnung: siehe Bild 3). Die verwendeten Anschlüsse entstammen der High-Speed-Data-Familie (HSD), welche sich im vergangenen Jahrzehnt zum Quasi-Standard der Automobilindustrie für schnelle Datenübertragungen entwickelt hat. HSD-Verbinder wurde im Jahr 2006 von führenden Automobilherstellern in Kooperation mit der Firma Rosenberger Hochfrequenztechnik entwickelt und werden inzwischen auch von anderen namhaften von Herstellern (TE Connectivity, Amphenol etc.) angeboten.
Bei der Herstellung solcher Kabel sind für den Konfektionär unter anderem folgende Fragestellungen von Interesse:
Bei konfektionierten Kabeln ist neben der Detektion von nicht kontaktierten und kurzgeschlossenen Pins von Interesse, wo die Fehler auftreten. Deren Ursachen können mittels TDR-Technologie aufgespürt und dann effektiv behoben werden.
Kabelkonfektionäre beziehen die Kabel ihrerseits von entsprechenden Herstellern und vertrauen bezüglich der Wellenimpedanz auf deren Datenblattangaben. Dieses Vertrauen ist indes nicht immer gerechtfertigt, da auf dem Markt selbst bei Koaxialkabeln Impedanz-Abweichungen von bis zu 50 % vorkommen. Das Verwenden von Kabeln mit solch großen Wellenimpedanz-Abweichungen würde bei hochbitratigen Anwendungen unweigerlich zum Ausfall des Gesamtsystems führen.
Bei der Kabelfertigung kann es vorkommen, dass zunächst nur eine Seite konfektioniert wird, da vor Montage des zweiten Anschlussstücks noch weitere Arbeitsschritte durchzuführen sind. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollte jedoch die Qualität der Konfektionierung überprüft werden, da bei auftretenden Fehlern die nachfolgenden Arbeitsschritte und somit Kosten eingespart werden können. Eine solche Prüfung ist jedoch mit den üblichen Gleichspannungsmessungen aus zweierlei Gründen nicht möglich: Zum einen ist die zweite Seite noch unkonfektioniert und eine Durchgangsprüfung somit nicht durchführbar, sodass unkontaktierte Pins nicht erkannt werden können. Zum anderen können am unkonfektionierten Ende sowohl zwischen zwei Litzen als auch zwischen einer Litze und dem Schirmdraht Kurzschlüsse auftreten. Eine Gleichspannungsmessung kann jedoch nicht zwischen Kurzschlüssen am Leitungsende und Leitungsanfang unterscheiden.
Nachfolgend wird beschrieben, wie diese Anforderungen mittels TDR-Messungen erfüllt werden können. Alle Messungen wurden mit dem True Differential TDR DTDR-65 der Firma Sequid durchgeführt.
In Bild 4 sind die an einem differenziellen Paar gemessenen Ergebnisse eines beidseitig HSD-konfektionierten Star-Quad-Kabels der Länge 100 cm dargestellt: im oberen Teil die normierten Reflexionen des positiven und negativen Kanals sowie im unteren Teil der daraus berechnete differenzielle Wellenwiderstand.
In beiden Fällen sind jeweils die Zuleitung, der Einfluss des verwendeten SMA-HSD-Adapters (Bild 5), des HSD-Steckverbinders, des Kabels und der Endreflexion zu erkennen. Diese Grafik eines Kabels mit sehr guten Eigenschaften dient nachfolgend als Referenz für defekte Kabel. Der erste diskutierte Defekt entsteht durch einen mit dem Schirmdraht kurzgeschlossenen Pin des Verbinders an der nachfolgend mit A bezeichneten Seite des Kabels.
Die bei Kontaktierung der Seite A auftretenden Reflexionen sind im oberen Teil von Bild 6 dargestellt: Direkt nach dem Adapter wird eine negative Vollreflexion detektiert (Reflexionsfaktor r = –1).
Bei Kontaktierung der Seite B ist das grundsätzlich gleiche Verhalten zu beobachten (siehe unterer Teil von Bild 6), wobei jedoch zunächst das Kabel durchlaufen wird, bevor der Kurzschluss detektiert wird.
Ähnlich verhält es sich bei einem nicht kontaktierten Pin. Die entsprechenden Reflexionsfaktoren für ein 50 cm langes Kabel sind in Bild 7 dargestellt, wobei der Fehler wieder an Seite A auftritt. Wird diese Seite kontaktiert, so tritt direkt hinter dem Adapter eine positive Vollreflexion auf (r = +1). Wird hingegen die Seite B kontaktiert, durchläuft das Signal zunächst wieder das Kabel, bevor es an der Störstelle eine Vollreflexion erfährt.
Obwohl ein nicht kontaktierter Pin genauso wie ein leerlaufendes Kabelende zu positiven Vollreflexionen führt, kann man die beiden Fälle deutlich voneinander unterscheiden: Da der defekte Signalpfad kürzer ist, kommt die Endreflexion circa 100 bis 200 ps früher. Zur sicheren Unterscheidung solcher Fehlerfälle müssen daher unbedingt hochauflösende TDRs zum Einsatz kommen.