Testverfahren für Lithium-Ionen-Akkus

Zulassungen frühzeitig planen

22. Mai 2014, 11:15 Uhr | von Andreas Schmidt und Patricia Hinz
Bild 1: Bei der Fertigung von Akkupacks für den Einsatz in Medizingeräte ist Präzisionsarbeit gefragt
© Omnitron Griese

Über die späteren Absatzmärkte und die hierfür notwendigen Zulassungen entscheiden Medizingerätehersteller im Idealfall schon in der Entwicklungsphase. Diese Entscheidung beeinflusst die Auswahl z.B. der Akkus wesentlich. Welche Tests und Zulassungen sind für Lithium-Ionen-Akkus vorgeschrieben?

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Auch in der Medizintechnik hat das Thema Mobilität einen immer höheren Stellenwert erlangt. Mobile Stromversorgungseinheiten unterstützen den Patiententransport, erleichtern vielfach den Einsatz von Medizingeräten durch kabelfreie Handhabung, machen den Patienten mobiler und beweglicher. Selten können die Hersteller jedoch eine Standardlösung verwenden. Egal ob alkalische Batterie oder wieder aufladbarer Akku – zur Stromversorgung von Medizingeräten für den mobilen Einsatz werden sehr häufig maßgeschneiderte Lösungen benötigt. Unter anderem weichen die Anforderungen an Leistung und Kapazität, sowie auch die Vorgaben für Abmaße und Gewicht von Anwendung zu Anwendung stark voneinander ab. Um die optimale Lösung zu finden, sollten darum die Entwickler der Medizingeräte mit den Akkuentwicklern bei der Konzeptionierung von Akkupacks eng zusammenarbeiten.

Speziell die Lithium-Ionen-Technologien haben nicht nur der Mobilität ganz neue Dimensionen gegeben. Noch leichter, noch leistungsstärker als beispielsweise Nickel-Metallhydrid-Technologien – aber auch sehr viel sensibler zu handhaben. Sicherheit hat hier darum oberste Priorität. Demzufolge fordern der Gesetzgeber und die Zulassungsbehörden eine Reihe von Untersuchungen und Zulassungen, welche die Sicherheit von Lithium Ionen-Akkupacks bestätigen.

Tests nach UN 38.3

Da Lithium-Ionen-Akkus eine höhere Energiedichte haben als andere Akkumulatoren, sind sie grundsätzlich als Gefahrgut zu handhaben. In der Praxis ist dies – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Aspekten - kaum umsetzbar. Daher wird für einen erleichterten Transport die Durchführung des UN-Transporttests 38.3 angeboten. Für Lithium-Ionen-Einzelzellen und für Lithium-Ionen-Akkupacks sind hier diverse Tests definiert, die in Summe alle bestanden werden müssen. Dies sind:

  • Test 1: Höhensimulation (für Einzelzellen und Akkupacks), 
  • Test 2: thermischer Test (für Einzelzellen und Akkupacks), 
  • Test 3: Vibrationstest (für Einzelzellen und Akkupacks), 
  • Test 4: Stoßtest (für Einzelzellen und Akkupacks), 
  • Test 5: äußerer Kurzschlusstest (für Einzelzellen und Akkupacks), 
  • Test 6: Schlagprüfung, Quetschtest (nur für Einzelzellen), 
  • Test 7: Überlasttest (für Einzelzellen und Akkupacks) und 
  • Test 8: erzwungene Entladung (nur für Einzelzellen). 

Die Durchführung der Tests 6 und 8 kann für Akkupacks entfallen, wenn sie bereits nachweislich durch den Hersteller der Einzelzellen veranlasst wurden (vgl. UN-Transportvorschriften, UN-Prüfhandbuch Teil III, Abschnitt 38.3 Lithiumbatterien) .

IEC 62133 – CB-Report

Das CB-System der IEC erleichtert den Herstellern von elektrischen und elektronischen Produkten den Zugang zu internationalen Märkten. Ein CB-Report gemäß IEC 62133, der internationalen Norm zum Thema »Sicherheitsanforderungen für tragbare gasdichte Akkumulatoren und daraus hergestellte Batterien für die Verwendung in tragbaren Geräten« stellt eine Grundlage für weitere Zulassungen und Zertifizierungen dar. Seit Anfang 2013 ist die 2nd Edition gültig und für die Ausstellung von CB-Reports anzuwenden. Hier fallen zwei Klassen von Tests an: normaler Gebrauch und geringfügige, vorhersehbare Fehlbeanspruchung.

UL-Zulassungen

Die Underwriters Laboratories, kurz UL, prüfen Produkte, Komponenten, Materialien und Systeme dahingehend, ob sie spezifischen Ansprüchen genügen. Gerätehersteller, die ihre Produkte zum Beispiel auch auf dem US-amerikanischen Markt anbieten wollen, müssen zusätzlich UL-Zulassungen durchführen lassen. Im Fokus sind hier die Zulassungen gemäß UL 1642 (für Lithium- und Lithium-Ionen-Einzelzellen) und UL 2054 (für Lithium-Ionen-Akkupacks, inklusive aller Komponenten). Neben allen Tests, die UN 38.3 und IEC 62133 fordern, ist für die Erlangung einer Zulassung gemäß UL 1642 folgender Test zusätzlich durchzuführen: Einwirkung von Projektilen und Feuer.

In der Regel erwirkt der Hersteller der Einzelzellen die Zulassung gemäß UL 1642. Für die Erlangung einer Zulassung gemäß UL 2054 werden alle Komponenten eines Akkupacks überprüft. Für alle von UL als »kritisch« definierten Einzelkomponenten, zum Beispiel Einzelzellen, sicherheitsrelevante Bauteile etc., wird eine UL-Anerkennung verlangt. Darüber hinaus ermitteln die UL-Zulassungsstellen mögliche individuelle Fehlerquellen des Akkupacks unter Berücksichtigung der Applikation und führen weitere, spezifische Tests durch.

Optimierte Planung senkt Kosten

Zur Durchführung der Tests benötigen die Zulassungsstellen entsprechende Muster in ausreichender Anzahl. Da ein Akkupack schnell einen relativ hohen Einzelwert erlangen kann, sollte die Zulassungsreihenfolge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimiert werden.

Auch die Zulassungskosten lassen sich optimieren, wenn schon bei Planungsbeginn feststeht, welche Zulassungen erwirkt werden sollen. So können zum Beispiel die Tests gemäß UN 38.3 als Basis zugrunde gelegt werden, um einen Teil der Forderungen der IEC 62133 2nd Edition (siehe Normabschnitt 8.3.8) zu erfüllen und den CB-Report zu erlangen.

Schon in der Entwicklungsphase sollte sich der Medizingerätehersteller darüber im Klaren sein, ob er für sein Produkt beispielsweise eine Zulassung auf dem US-amerikanischen Markt – gegebenenfalls auch erst zu einem späteren Zeitpunkt – anstrebt. Ist dies der Fall, so sollte er bereits frühestmöglich die Komponenten hinsichtlich ihrer UL-Anerkennung auswählen. Versäumt er dies, so ist eine Produktänderung in der Regel mit zusätzlichen Kosten und Zeitverlust verbunden.

Durch die frühzeitige Zusammenarbeit mit einem Akkuentwickler lassen sich mögliche spätere Problemstellungen rechtzeitig erkennen. Die Auswahl von anerkannten Bauteilen und die Überprüfung der Produktlebenszeit sind hier nur als Beispiele für Kosteneinsparungspotenzial zu nennen. Denn die Zulassungen gelten jeweils nur für einen identischen Nachbau entsprechend der eingereichten Muster. Treten nach bestandenen Zulassungstests Änderungen auf, zum Beispiel durch abgekündigte Bauteile oder den Austausch gegen UL-anerkannte Komponenten, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Akkupack erneut zugelassen werden muss.

Über die Autoren:

Andreas Schmidt ist Prokurist und Vertriebsleiter, Patricia Hinz ist Qualitätsbeauftragte, beide bei Omnitron Griese.

Harmonisierung der Normen 
Bereits vielfach im Gespräch und lange erwartet ist die Harmonisierung der IEC 62133 mit der UL 2054. Seit 1. Mai 2012 sind Batterien grundsätzlich nach IEC 62133 zu bewerten. Eine Zulassung nach UL 2054 wird trotzdem weiterhin für den US-amerikanischen Markt empfohlen. 

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