Siemens-Forscher sind für den Deutschen Zukunftspreis nominiert worden. In Kooperation mit der Universität Oldenburg hat ein Forscherteam ein sogenanntes binaurales Hörsystem entwickelt, das die Kommunikation zwischen den Hörgeräten beider Ohren ermöglicht. Das soll räumliches Hören für Hörgeschädigte möglich machen.
Vor acht Jahren gelang es einem Siemens-Forscherteam erstmals, zwei Hörgeräte am linken und rechten Ohr über das damals kleinste Funksystem der Welt miteinander zu verbinden. Dies war ein Meilenstein in der Hörgerätetechnologie: Denn ähnlich wie beim Sehen kann beim Hören nur dann ein räumlicher Eindruck entstehen, wenn das Zusammenspiel beider Ohren berücksichtigt wird. Über die Funkverbindung können beide Hörsysteme miteinander kommunizieren und sich aufeinander abstimmen. »Die Hörgeräte tauschen große Datenmengen aus, berechnen diese neu und stellen sich auf die jeweilige Hörsituation ein – synchron und vollkommen automatisch«, erklärte Dr. Torsten Niederdränk, Audiologie-Experte in der globalen Forschung von Siemens.
Zirka 80 Prozent aller Patienten kommen für eine bilaterale Versorgung in Betracht. Bei einer einseitigen Versorgung ist der Nutzen des Hörgerätes jedoch eingeschränkt und die Hörfähigkeit oft nicht zufriedenstellend. Das kann dazu führen, dass der Träger das Hörgerät nicht regelmäßig oder gar nicht mehr benutzt und sich zunehmend isoliert. Die bilaterale Hörgeräte-Versorgung bietet dagegen mehr Hörkomfort und führt dadurch zu einer höheren Anwenderzufriedenheit und zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit.
Durch die beidseitige, sogenannten binaurale Schallwahrnehmung erhält das Gehirn die notwendigen Informationen, um beispielsweise erwünschte Geräusche aus unerwünschten Geräuschen zu filtern, sich in einem Stimmengewirr auf eine Stimme zu konzentrieren oder die Richtung von Signalen zu identifizieren. Der Nutzen und die Vorteile des binauralen Hörens werden anhand folgender Effekte bzw. Fakten deutlich.
Wahrscheinlich der größte Nutzen des binauralen Hörens ist die Lautheitssummation. Sie bewirkt, dass die Lautstärke eines Tones höher ist, wenn ihn beide Ohren gleichzeitig wahrnehmen. So werden Geräusche, die ein Ohr alleine nicht erkennt, durch die Beteiligung beider Ohren hörbar. Beispielsweise ist ein Ton, der von einem Ohr in einer Entfernung von drei Metern nur schwer wahrgenommen wird, mit beiden Ohren selbst in einer Entfernung von zwölf Metern noch gut zu hören.
Beim binauralen Hören verbessert sich die Hörfähigkeit in Situationen mit Hintergrund- und/oder Störgeräuschen durch den Effekt der sogenannten Maskierungspegel-Differenz gefördert. Dieser beruht auf der Fähigkeit des Gehirns, Zeit- und Intensitätsunterschiede zwischen beiden Ohren zu nutzen, um ein erwünschtes Signal aus einem unerwünschten Signal herauszufiltern.
Die Fähigkeit, eine Schallquelle zu lokalisieren, ist für das tägliche Leben von großer Bedeutung. Denn nur so kann sich der Hörende auf einen Gesprächspartner in lauter Umgebung konzentrieren, einer Diskussion von mehreren Personen folgen oder potenzielle Gefahren rechtzeitig wahrnehmen. Besonders im Straßenverkehr ist diese Fähigkeit immens wichtig. Wer zum Beispiel nicht einschätzen kann, ob ein hupendes Auto von links oder rechts kommt, kann nicht angemessen reagieren und sich nicht rechtzeitig aus der Gefahrenzone entfernen.
Der Schall wird schwächer, je weiter er sich von seiner Quelle entfernt. Hohe Töne werden dabei aufgrund ihrer kürzeren Wellenlänge stärker abgeschwächt als tiefe Töne. Trifft das Signal zuerst das linke Ohr, wird es bei seiner Ausbreitung zum rechten Ohr durch den Kopfabschattungs-Effekt abgeschwächt. Das heißt, das rechte Ohr nimmt das Signal bereits weniger stark wahr als das linke. Ist es geschädigt, wirkt sich dieser Effekt besonders negativ auf die Hörfähigkeit aus.