Mercator Institute for China Studies

Wie sich China bei KI unabhängig vom Westen machen will

23. Juli 2025, 13:11 Uhr | Corinne Schindlbeck
Die Studie des Mercator Institute for China Studies zum chinesischen KI Stack im internationalen Vergleich: Wenige Player an der Basis - viele an der Spitze.
© Merics

Trotz massiver US-Exportkontrollen arbeitet China mit Hochdruck daran, auf allen Ebenen der KI-Wertschöpfungskette unabhängiger zu werden – von Chips über Frameworks bis hin zu großen Sprachmodellen.

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Peking misst der Künstlichen Intelligenz strategische Bedeutung bei – nicht nur als Innovationstreiber, sondern als Schlüsseltechnologie für nationale und wirtschaftliche Sicherheit. Das zeigt eine neue Studie des Mercator Institute for China Studies (MERICS).

Die Studie der Expertinnen Rebecca Arcesati, Wendy Chang und Antonia Hmaidi veranschaulicht, wie Chinas Regierung gezielt einzelne KI-Bereiche fördert. Besonders stark fließen staatliche Investitionen in die Halbleiterbranche – ein Bereich, in dem Huawei eng mit chinesischen Chip-Herstellern zusammenarbeitet. Erste eigene KI-Chips sind am Markt, bleiben aber leistungstechnisch hinter Produkten westlicher Hersteller wie Nvidia zurück.

Sprachmodelle aus dem geschützten Binnenmarkt

Trotz technischer Hürden bei der Hardware holen chinesische Entwickler im Bereich der großen Sprachmodelle auf. Firmen wie DeepSeek profitieren unter anderem von einem abgeschirmten Heimatmarkt. 

Die Zukunft von Chinas KI-Ökosystem hängt laut Merics jedoch weiterhin von externen Faktoren ab. Zu den Schwachstellen gehören der begrenzte Zugang zu fortschrittlichen Chips und die Frage, ob und wie China künftig an der globalen Open-Source-Gemeinschaft teilhaben kann, die lange Zeit der Schlüssel für den Fortschritt im Bereich KI war.

Während die USA mit Exportkontrollen Chinas Zugang zu Hochleistungstechnologien einschränken, reagiert Peking mit einer industriepolitischen Großoffensive. 

Von ganz unten: Chinas Halbleiterstrategie

Im Zentrum der chinesischen Bemühungen steht der kapitalintensive Halbleitersektor. Mit Milliardeninvestitionen – etwa über den „Big Fund“ – und einem klaren industriepolitischen Fokus will China eigene KI-Chips entwickeln und fertigen. Huawei führt das nationale Chip-Team an und arbeitet eng mit dem Auftragsfertiger SMIC zusammen. Trotz Fortschritten bleibt China in der Fertigungstechnologie – insbesondere bei Speicher, Packaging und Softwareintegration – deutlich hinter Nvidia zurück. 

Frameworks wie PaddlePaddle (Baidu) oder MindSpore (Huawei) sollen Alternativen zu TensorFlow und PyTorch bieten. Doch chinesische Entwickler bevorzugen weiterhin die globalen Open-Source-Standards, in die sich auch Unternehmen wie Huawei aktiv einbringen. Der Rückgriff auf internationale Software ist bisher kaum reglementiert – eine offene Flanke, aber auch eine Chance für China.

An der Spitze: Aufholjagd bei LLMs

Im Bereich der großen Sprachmodelle zeigt sich China laut Studie erstaunlich wettbewerbsfähig. Unternehmen wie DeepSeek haben effiziente Modelle entwickelt, die international Aufmerksamkeit erregen – auch, weil sie bei deutlich geringerem Ressourcenverbrauch respektable Ergebnisse erzielen. Die staatliche Förderung zielt hier weniger auf Subventionen, sondern mehr auf Infrastruktur – etwa durch günstigen Zugang zu Rechenleistung. Open-Source-Modelle und ein geschützter Binnenmarkt beschleunigen die Entwicklung zusätzlich.

Europas Optionen

Während China einen stark staatsgetriebenen Ansatz verfolgt, empfehle sich für Europa eine strategische Konzentration auf industrielle Anwendungen, Dateninfrastruktur und spezifische Stärken im Chip-Zulieferbereich, so die Studie. Der Aufbau eines vollständigen „EuroStacks“ erscheint politisch wünschenswert, aber technologisch und wirtschaftlich kaum realistisch. Stattdessen sollte Europa gezielt dort investieren, wo Wettbewerbsvorteile bestehen – etwa bei Industrie-KI oder bei energieeffizienten, anwendungsspezifischen Modellen.

Merics' Fazit: Chinas Streben nach KI-Souveränität ist ein geopolitisch motiviertes Langfristvorhaben. Die technologische Lücke zu den USA bleibe in zentralen Bereichen bestehen, doch der Fokus auf Anwendungsentwicklung könnte sich als pragmatischer Weg erweisen. Europa solle sich dringlich die Frage stellen, wie man sich positionieren möchte: mitspielen, mitgestalten – oder aufholen? 

 


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