Oft ist auch eine arbeitsmedizinische oder arbeits-, betriebs- und organisationspsychologische (ABO-Psych) Analyse hilfreich dabei, strukturelle, personelle und organisatorische Ursachen für psychische Belastungszustände in der Mitarbeiterschaft aufzuspüren. Bewährt haben sich auch ABO-Sprechstunden, in denen sich Mitarbeiter gegenüber einem der Schweigepflicht unterliegenden Psychologen öffnen können. Solche externen Psychologen haben den Vorteil, dass sie Führungskräfte mit anonymisierten Berichten einen Spiegel vorhalten können. Damit gelingt es häufig, einem Manager sein wenig resilientes Führungskonzept zu verdeutlichen und ihn dabei zu unterstützen, an seinem Verhalten zu arbeiten.
Neben den ABO-Psychologen haben sich auch sogenannte Resilienz-Checks bewährt. Diese erfassen im Arbeitsalltag Belastungszustände einzelner Mitarbeiter mittels Fragebögen sowie einer 48-Stunden-Messung ihrer Vitaldaten mit einem einfachen, aber elektronisch ertüchtigten Pflaster. Nach Auswertung erhalten die Teilnehmenden eine individuelle Beratung mit Handlungsempfehlungen, wie sie mit ihrer persönlichen Stressbelastung besser umgehen und diese senken können.
Digitale Transformation braucht Fehlerkultur
Die Corporate Resilience steigt aber nicht alleine dadurch, dass das Management durch einen Resilienz-Check an sich arbeitet. Notwendig ist auch eine Revision der Unternehmens- und vor allem Fehlerkultur. Unternehmen, die ihre Resilienz für disruptive Dauerveränderungen ausbauen, in flachen Hierarchien agiler arbeiten wollen, um schneller auf Marktanforderungen reagieren zu können, revidieren ihren Umgang mit Fehlern. Dabei können sie von Startups lernen, die häufig erst durch iterative Prozesse von Experiment und Scheitern ihren Durchbruch schaffen. Eine solche Fehlerkultur führt idealerweise zu einem kontinuierlichen Lernprozess. Dafür braucht es ein Mindset aus Offenheit, eine transparente Kommunikation und die Bereitschaft, Fehlerursachen zu erkennen, die Ursachen zu beheben und diese Lernkurve im Unternehmen auch zu teilen. Dadurch steigt langfristig nicht nur das Qualitätsniveau, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Sie erleben sich als selbstwirksam, können Probleme und Konflikte konstruktiv lösen und gehen aus disruptiven Change-Prozessen auch gestärkt hervor.
Corporate Resilience gehört in die Unternehmensziele
Belastungsfähigkeit und Widerstandskraft gegenüber Stress lassen sich also nicht anordnen. Corporate Resilience ist daher als permanente Aufgabe aufzufassen, die in die Unternehmensziele gehört. Sie sollte als eine strategische Initiative mit den notwendigen Ressourcen im gesamten Unternehmen, bei allen Führungskräften und in allen Abteilungen etabliert werden. Corporate Resilience ist ein Querschnittsthema, das auf die Tagesordnung jeder Abteilungs- oder Teambesprechung gehört. Vorstände sollten Manager jedoch nicht gleich in eine neue Überforderung schicken. Gute Vorbereitung beispielsweise durch Inhouse-Seminare, aber auch persönliche Beratungsangebote sind ratsam. Grundsätzlich sollten Führungskräfte der jeweiligen Ebene entscheiden, welche Ressourcen sie benötigen.
Von ABO-Psychologen bis zum Resilienz-Check sowie individuellen Coaching oder Team-Supervision bietet der Instrumentenkoffer genügend Spielraum. Und sollten die Kosten zu einem Problem werden, können die Personalverantwortlichen neben den bereits genannten Argumenten die demografische Entwicklung ins Feld führen: Denn in einer alternden Gesellschaft mit Fachkräftemangel und zu wenig Nachwuchs gerade in den MINT-Fächern ist es entscheidend, ältere Mitarbeiter länger und gesünder im Berufsleben zu halten.