Fragt man in unserer Branche Personaler nach der Wechselwilligkeit von Ingenieuren, heißt es immer, das Gesamtpaket müsse stimmen. Hat Geld an Wertigkeit verloren und sind Themen wie agiles Arbeiten, Home-Office und Vereinbarkeit aufgerückt?
Ich denke, schon. Die Bezahlung ist immer noch ein wichtiger Faktor, aber die Kernfrage heute lautet, inwieweit Kandidaten ihre ganz subjektiven Bedürfnisse befriedigt bekommen. Das Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung ist da: Wann arbeite ich, wo arbeite ich? Es geht um individuelle Arbeitszeitmodelle, die Home-Office oder kleine Auszeiten flexibel ermöglichen und die mit agilem Arbeiten abbildbar sind. Die Verantwortung wird dabei sowohl vom Team als auch vom Einzelnen mitgetragen. In traditionellen Unternehmen liegt diese noch beim Chef oder der einzelnen Führungskraft.
Ein Unternehmen besteht nicht nur aus Ingenieuren. Was ist mit der Empfangsassistenz? Welches Gehalt ist für diese Position gerecht und wonach bemisst sich das? An Freundlichkeit, an Effizienz?
Ich möchte hier einmal mit einer Gegenfrage antworten: Was ist wichtig für das Unternehmen und was will es erreichen? Auf welche Art und Weise trägt ein Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg bei und was ist mir diese Leistung wert? Ich glaube, dass unser bisheriges, zahlengetriebenes Verständnis von Leistung nicht mehr ganz passt auf heutige und erst recht künftige Anforderungen. Leistung wird noch weitgehend bewertet mit „zählen, messen, wiegen“ und mit einer konkreten Eingliederung von Tätigkeiten in Vergütungsgruppen. Fakt ist doch, dass Unternehmen es schaffen müssen, sich schnell zu verändern und auf neue Dinge einzustellen. Das gilt insbesondere auch für die Mitarbeiter, die in diesen Unternehmen arbeiten. Alles, was dazu beiträgt, diese Veränderungskompetenz zu fördern, hat eine Wettbewerbskomponente und ist gut!
Wer verändert ein Vergütungssystem in Richtung New Pay, ein gemeinsamer runder Tisch mit Mitarbeitern?
Es geht nicht einseitig. Ein vertraglich festgelegter Vergütungsanspruch kann nur gemeinsam von beiden Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich, vertraglich wieder geändert werden. Und soweit betriebliche oder tarifliche Entgeltsysteme für das Unternehmen gelten, z.B. Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge, so sind diese ebenfalls nur von den abschließenden Vertragsparteien – Betriebsrat und Arbeitgeber und/oder Gewerkschaft und Arbeitgeberverbände – veränderbar, bzw. besteht nur bei diesen eine Abschlusskompetenz. Also ja, es geht nur gemeinsam. Und ein bestehendes Vergütungssystem von rechts auf links zu drehen ist auch eine große Aufgabe. Das geht in der Regel nicht mal eben so.
Haben Sie ein paar Beispiele für Unternehmen, die das schon angehen?
Ein paar habe ich in meinem Buch beschrieben, aber die ganz großen Bretter sind in etablierten Unternehmen noch selten gebohrt. Doch das Thema bewegt, triggert emotional. Viele machen sich Gedanken darüber, auch wenn es noch nicht überall konkret offen angegangen wird. Kürzlich haben wir ein Barcamp für Kunden zum Thema #NewPay veranstaltet: Da waren ganz viele traditionelle Unternehmen dabei. Warum? Weil Kandidaten danach fragen und sich Arbeitsmodelle und Zusammenarbeit ändern.
Der 5-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich von der Firma Digital Enabler aus Paderborn ging wie eine Welle durch die Presse: auch eine Form von New Pay?
Ja, absolut. Basis war eine Übereinkunft, man hat gemeinsam überlegt und eine individuelle unternehmerische Lösung gesucht und ausprobiert. Erfolgreich.
Insgesamt ist die Ressource Zeit sowohl für den Unternehmer als auch für die Mitarbeiter wertvoll und ein hohes Gut. Beide buhlen darum. Aber es muss betrieblich passen, alle Gruppen müssen einbezogen werden. Die Flexibilität, die ich anbieten will, kann ja nicht alleine das Unternehmen abfedern, sondern muss im Team ausgeglichen werden. Und wenn wir von mehr Selbstverantwortung für Mitarbeiter sprechen, dann gehören sich selbstorganisierende Teams und entsprechende Prozesse und Strukturen dazu. Denn das Arbeitsvolumen vor der Brust muss ja erledigt werden!