Warum Personal jetzt Chefsache ist

Die neuen Jobprofile der Energiewende: Was jetzt zählt

23. Juni 2025, 10:38 Uhr | Carsten Bornemann*
Carsten Bornemann ist General Manager Energy im Managementteam des Personaldienstleisters YER Deutschland, spezialisiert auf Mobility, Tech & Energy.
© YER Deutschland

Solar, Wind, Wasserstoff – technologisch ist die Energiewende längst möglich, und auch die politischen Ziele sind klar definiert. Doch eine entscheidende Ressource fehlt: qualifizierte Fachkräfte, die den Wandel umsetzen.

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Laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind in den Schlüsselbranchen der Energiewende über 500.000 Stellen unbesetzt. Der Fachkräftemangel bremst damit nicht nur laufende Projekte, sondern gefährdet auch das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein.

Gleichzeitig steigt der Personalbedarf weiter - denn mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, dem Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft, und dem Rückbau fossiler Strukturen sowie der Digitalisierung der Netze verändern sich Abläufe und Anforderungen grundlegend. Was früher das Kraftwerk war, ist heute das intelligente Netz – und dieses Netz braucht Fachkräfte, die es denken, planen und betreiben. Der Wille zur Veränderung ist in vielen Unternehmen vorhanden. Doch zu oft scheitert der Fortschritt an fehlendem Personal, das Theorie in Praxis übersetzt.

Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen den Personalmangel nicht länger als reines HR-Thema behandeln – sondern als strategische Führungsaufgabe begreifen.

Denn Personallösungen sind Chefsache: Wer jetzt nicht handelt, riskiert, beim Umbau der Energiewirtschaft ins Hintertreffen zu geraten.

Die neuen Jobprofile der Energiewende: Was jetzt zählt

Mit dem technologischen Fortschritt wandelt sich nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das Anforderungsprofil der gesuchten Fachkräfte. Klassische MINT-Berufe bleiben weiterhin unverzichtbar – insbesondere mit Spezialisierungen in Energietechnik, Elektrotechnik oder Netzplanung. Sie bilden die Grundlage für den technischen Betrieb der Energiewirtschaft.

Gleichzeitig entstehen neue Rollen, die über rein technische Qualifikationen hinausgehen. Die Arbeit wird digitaler, regulatorisch komplexer und interdisziplinärer.

Daraus ergeben sich neue Kompetenzprofile:

  • Smart Grid Engineers
  • Energie-Data Analysts
  • Projektmanager:innen mit Gesetzeskenntnissen
  • IT-Spezialist:innen mit Branchenfokus – getrieben durch Automatisierung, Digitalisierung und den zunehmenden Einsatz von KI

Es sind Fachkräfte mit spezifischen Fähigkeiten gefragt - insbesondere an der Schnittstelle von Technik, Digitalisierung und Regulierung. Gerade Talente mit Systemverständnis und Branchenerfahrung sind begehrt, aber schwer zu finden. Der Markt kann die dynamischen Anforderungen kaum bedienen. Dabei bietet die Energiebranche offensichtlich ein attraktives Arbeitsumfeld. Laut Arbeitszufriedenheits-Studie 2025  sind 95 Prozent der Beschäftigten mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden, 92 Prozent übernehmen aktiv Verantwortung – und 34 Prozent sehen Veränderung als Chance auf bessere Rahmenbedingungen.

Transformation braucht Tempo: Wie Unternehmen jetzt gegensteuern können

Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 lässt keinen Raum für Verzögerungen.  Unternehmen müssen jetzt gegensteuern - mit zukunftsfähigen Personalstrategien.

Diese sollten nicht nur auf den langfristigen Bedarf ausgerichtet sein, sondern auch kurzfristige Engpässe abfedern können. Drei zentrale Ansatzpunkte haben sich dabei bewährt:

  • Internationale Fachkräfte gezielt einsetzen:

Gerade in IT, Engineering oder Projektmanagement bieten Talente aus dem Ausland wertvolle Potenziale. Besonders gefragt: Fachkräfte aus Indien oder Osteuropa. Entscheidend ist, bürokratische Hürden aktiv zu senken – etwa durch schnellere Visa-Verfahren, Kooperationen mit internationalen Recruiting-Agenturen oder eigene Relocation-Services.

  • Digitale Tools und Remote Work nutzen:

Flexible Arbeitsmodelle erweitern den Talentpool erheblich. Viele Positionen lassen sich standortunabhängig besetzen – ein Vorteil, den Unternehmen nutzen sollten. Ein zusätzlicher Treiber: der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Sie ersetzen keine Jobs, aber sie helfen, den Fachkräftemangel abzufedern.

  • Kooperationen mit Bildungseinrichtungen stärken:

Duale Studiengänge, praxisnahe Ausbildungsprogramme und modulare Qualifizierungsangebote sichern nicht nur den Nachwuchs, sondern ermöglichen auch schnelle Weiterbildungen für bestehendes Personal.

Diese Maßnahmen sind kein Selbstläufer – sie erfordern strategisches Denken und konsequentes Handeln auf oberster Ebene. Der Wettbewerb um Talente hat längst begonnen, und wer heute nicht agiert, verliert morgen den Anschluss.

Flexible Wege aus der Personalnot

Strategische Maßnahmen wie Qualifizierung und internationale Rekrutierung sind essenziell – doch sie wirken nicht sofort. Gerade in Phasen intensiver Transformation sind auch kurzfristige, flexible Lösungen gefragt. Die gute Nachricht: Die Energiebranche bringt dafür, laut aktueller Arbeitszufriedenheits-Studie, gute Voraussetzungen mit. So sehen 91 Prozent der Beschäftigten aus dem Energie-Sektor ihr Management, als zukunftsorientiert und 39 Prozent berichten, dass interne Strukturen schnell angepasst werden. Das eröffnet Spielräume – und zeigt, dass viele Unternehmen bereit sind, neue Wege in der Personalgewinnung zu gehen.

Um diese Potenziale zu nutzen, braucht es daher ein flexiblen Recruiting-Mix, der sowohl schnelle als auch nachhaltige Lösungen liefert:

  • Direktvermittlung und projektbezogene Einsätze durch spezialisierte Personaldienstleister sichern schnellverfügbare Fachkompetenz.
  • Freelancer und Interim-Management helfen dort, wo temporär hochqualifiziertes Know-how gefragt ist – insbesondere bei komplexen und zeitkritischen Vorhaben.
  • Ein gezieltes Employer Branding, das Sinnstiftung, Nachhaltigkeit und technologischen Fortschritt glaubwürdig vermittelt, stärkt die eigene Position im „War for Talents“.

Doch selbst mit einem solchem Maßnahmenmix stoßen Unternehmen an ihre Grenzen. Denn der Markt für hochqualifizierte Fachkräfte – besonders im technischen Bereich – ist hart umkämpft. Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich. Gerade spezialisierte Ingenieur:innen sind rar – sie sind gefragt wie nie, aber längst nicht „wie Sand am Meer“ zu finden.  Gerade deshalb ist ein ganzheitlicher Ansatz entscheidend: Wer operative Flexibilität mit vorausschauender Personalplanung kombiniert, verschafft sich entscheidende Vorteile – im Wettbewerb um Talente ebenso wie im Fortschritt der eigenen Transformationsprojekte.

Fazit: Der Umbau gelingt nur mit den richtigen Köpfen

Die Energiewende ist weit mehr als ein technologisches Projekt – sie ist eine personelle Herausforderung, die nur mit einer klaren Strategie gemeistert werden kann.  Entscheidend ist dabei nicht ein genereller Mangel an Arbeitskräften, sondern ein Qualifikations-Mismatch: Die benötigten Fähigkeiten stimmen oft nicht mit den vorhandenen Profilen überein.

Deshalb gehört die Personalstrategie heute auf jede Agenda der Chefetage. Wer Fachkräfte gewinnen, entwickeln und halten will, braucht Weitsicht, Veränderungsbereitschaft - und Tempo. Wer jetzt handelt, sichert nicht nur die eigene Wettbewerbsfähigkeit, sondern trägt auch aktiv zum Gelingen der Energiewende bei. 

*Carsten Bornemann ist General Manager Energy im Managementteam des Personaldienstleisters YER Deutschland, spezialisiert auf Mobility, Tech & Energy.


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