Standort per Bluetooth ermitteln

Zwei neue Standard-Methoden

17. Oktober 2018, 12:09 Uhr | Von Sauli Lehtimäki
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Herausforderung für Entwickler

Zu den größten und wohl offensichtlichsten Herausforderungen in diesem Bereich zählt die Beantwortung der Frage: »Wie werden Winkelschätzungen auf Basis der Abtastwerte berechnet?«

Es reicht nicht aus, dass Winkelschätzungen in einer idealen Umgebung berechnet werden können; auch in schwierigen Umgebungen mit Mehrwegesignalen, die eine hohe Korrela­tion oder Kohärenz aufweisen, müssen die Berechnungen stimmen. Als kohärentes Signal wird ein Signal bezeichnet, das gegenüber dem eigentlichen Signal zeitlich verzögert und in der Amplitude reduziert beim Empfänger eintrifft. Kohärente Signale können unter anderem dann auftreten, wenn Funkwellen von Wänden reflektiert werden.

Eine weitere Herausforderung ist die Signalpolarisation. In den meisten Fällen lässt sich die Polarisation des mobilen Geräts nicht steuern, daher muss das Ortungssystem dies berücksichtigen. Auch Signalrauschen, Taktjitter und Signalausbreitungsverzögerungen erweitern das Problem um ihre eigenen Variablen. Je nach Systemgröße können die RAM- und insbesondere die CPU-Anforderungen an ein Embedded-System sehr hoch sein. Viele der gut funktionierenden Algorithmen zur Winkelschätzung erfordern eine erhebliche Rechenleistung von der CPU.

Bei der folgenden Beschreibung der Theorie über Antennenarrays und Einfallswinkelschätzungen lässt sich die Theorie für AoD aus der Theorie für AoA ableiten.

Theorie für die Ermittlung des Einfallwinkels

Winkelschätzmethoden und Antennenarrays sind für die einwandfreie Funktion des Standortbestimmungssystems unerlässlich. Die Geschichte der Funkpeiltheorie reicht mehr als 100 Jahre zurück, als die ersten Lösungsansätze mit Richtantennen und rein analogen Systemen arbeiteten.

Viele Jahre später wurden die Methoden in die digitale Welt übertragen, aber die Grundprinzipien sind immer noch dieselben. Diese Peilverfahren werden bereits in vielen Anwendungen eingesetzt, z. B. in der Medizin- und der Sicherheitstechnik sowie bei militärischen Geräten. Im Folgenden werden die Grundlagen typischer Antennenarrays und Schätzalgorithmen betrachtet. Dabei wird die Ortsbestimmung auf das allgemeine Problem der Schätzung von Einfalls- und Abgangswinkeln bezogen.

Antennenarrays

Antennenarrays zur Standortbestimmung werden in der Regel in Katego­rien eingeteilt. Die gebräuchlichsten sind:

  • lineares Antennenarray (ULA – Uniform Linear Array),
  • rechtwinkliges Antennenarray (URA – Uniform Rectangular Array) und
  • kreisförmiges Antennenarray (UCA – Uniform Circular Array).

Die lineare Anordnung ist eindimen­sional, was bedeutet, dass alle Antennen in dem Array auf einer einzigen Linie liegen, wogegen die rechtwinkligen und kreisförmigen Anordnungen zweidimensional sind, die Antennen also in zwei Dimensionen auf einer Ebene verteilt sind.

Bei Verwendung eines eindimensionalen Antennenarrays kann nur der Azimutwinkel zuverlässig gemessen werden, vorausgesetzt, das verfolgte Gerät bewegt sich konstant auf der gleichen Ebene. Darüber hinaus lässt sich mit zweidimensionalen Antennenarrays sowohl Azimut- als auch Elevationswinkel im 3D-Halbraum zuverlässig messen. Wird das Antennenarray um die dritte Dimension erweitert, also Antennen auf alle drei kartesischen Koordinaten verteilt, lässt sich der komplette 3D-Raum vermessen.

Die Entwicklung eines Antennenarrays für die Posi­tionsbestimmung ist keine einfache Aufgabe. Wenn Antennen in einem Array angeordnet werden, beginnen sie sich gegenseitig zu beeinflussen; dies wird als gegenseitige Kopplung bezeichnet. Entwickler müssen auch bedenken, dass sich in den meisten Fällen die Polarisation der Senderseite nicht steuern lässt. Dies stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.

Bei IoT-Anwendungen wird oft davon ausgegangen, dass die Geräte klein sind und sogar in sehr hohen Frequenzbändern arbeiten. Schätzalgorithmen setzen meist bestimmte Eigenschaften des Antennenarrays voraus. Beispielsweise beruht der Schätzalgorithmus ESPRIT (Estimation of Signal Parameters via Rotational Invariance Techniques) auf der mathematischen Annahme, dass das Antennenarray in zwei identische Bereiche (Subarrays) aufgeteilt ist.

Algorithmen zum Schätzen des Winkels

Das mathematisch-algorithmische Problem den Einfallswinkel zu schätzen wird anhand der eingegebenen IQ-Messwerte betrachtet. Die Problemstellung selbst ist einfach: »Schätzen Sie den Einfallswinkel eines ausgestrahlten (schmalbandigen) Signals, das in der Empfangsmatrix ankommt.«

Obwohl die Aufgabenstellung trivial klingt, ist eine robuste, praxistaugliche Lösung alles andere als einfach und kann viel Rechenleistung erfordern. Ein Lösungsansatz ist der MUSIC-Algorithmus (Multiple Signal Classification).

MUSIC-Algorithmus

Ausgangspunkt ist das mathematische Modell eines linearen Antennenarrays (ULA). Für jedes Antennenelement erhalten wir einen Datenvektor x mit IQ-Abtastwerten. Nun wird von jedem Antennenelement eine Phasenverschiebung – die 0 sein kann – plus etwas Rauschen (n) in den Messungen wahrgenommen, so dass x als Funktion der Zeit t geschrieben werden kann (Formel 1), wobei s das gesendete Signal und a der Steuervektor des Antennenarrays ist (Formel 2).

 

x left parenthesis t right parenthesis equals a left parenthesis theta right parenthesis s left parenthesis t right parenthesis space plus space n left parenthesis t right parenthesis space space space space space left parenthesis 1 right parenthesis

 

a left parenthesis theta right parenthesis equals open square brackets 1 comma e to the power of fraction numerator j 2 pi d sin left parenthesis theta right parenthesis over denominator lambda end fraction end exponent comma... comma e to the power of begin inline style fraction numerator j 2 pi left parenthesis m minus 1 right parenthesis d sin left parenthesis theta right parenthesis over denominator lambda end fraction end style end exponent close square brackets space space space space space left parenthesis 2 right parenthesis

 

Dabei ist d der Abstand zwischen benachbarten Antennenelementen, λ ist die Wellenlänge des Signals, m ist die Anzahl der Antennenelemente im Antennenarray und θ steht für den Einfallswinkel.

Der Steuervektor (Formel 2) beschreibt, wie Signale auf jedem Antennenelement infolge der variierenden Abstände zum Sender phasenverschoben werden. Durch Verwendung von Formel 1 lässt sich eine Annäherung der sogenannten Abtastwerte-Kovarianzmatrix Rxx mit Formel 3 berechnen, in der H für die hermitesch transponierte Matrix steht.

 

R subscript x x end subscript almost equal to begin inline style 1 over N end style sum from t equals 1 to N of x left parenthesis t right parenthesis x to the power of H left parenthesis t right parenthesis space space space space space left parenthesis 3 right parenthesis

 

Die Abtastwerte-Kovarianzmatrix wird als Eingangswert für den Schätzalgorithmus verwendet.

Der MUSIC-Algorithmus zur Schätzung der Einfallsrichtung ist ein sogenanntes Unterraum-Schätzverfahren (subspace estimator) . Der Algorithmus führt die Eigenwertzerlegung auf der Kovarianzmatrix Rxx durch Formel 4.

 

R subscript x x end subscript equals space V space A V to the power of negative 1 end exponent space space space space space left parenthesis 4 right parenthesis

 

Dabei ist A eine diagonale Matrix, die Eigenwerte enthält, und in V sind die entsprechenden Eigenverktoren von Rxx enthalten.

Es kann gezeigt werden, dass die Eigenvektoren von Rxx entweder zum sogenannten Rausch-Unterraum oder zum Signal-Unterraum gehören. Wenn die Eigenwerte aufsteigend sortiert sind, decken die entsprechenden n-1 Eigenvektoren den Rausch-Unterraum ab, der rechtwinklig zum Signal-Unterraum ist. Basierend auf den Informationen zur Orthogonalität lässt sich das Pseudospektrum P mit Formel 5 berechnen.

 

P left parenthesis theta right parenthesis equals fraction numerator 1 over denominator a to the power of H left parenthesis theta right parenthesis V V to the power of H a left parenthesis theta right parenthesis end fraction space space space space space left parenthesis 5 right parenthesis


Der letzte Schritt besteht darin, die gewünschten Werte des Einfallswinkels θ zu durchlaufen und den maximalen Spitzenwert von P zu finden, der dem zu messenden Einfallswinkel θ entspricht.

Im Idealfall hat der MUSIC-Algorithmus eine sehr gute Auflösung in einer Umgebung mit gutem Signal-Rausch-Abstand (SNR) und ist sehr genau. Andererseits ist seine Leistung nicht sehr gut, wenn die Eingangssignale in hohem Maße korrelieren. Dies ist besonders im Innenbereich der Fall. Mehrwegeeffekte verzerren das Pseudospek­trum, sodass es an den falschen Stellen ein Maximum hat.

Räumliche Glättung

Die räumliche Glättung ist eine Methode zur Lösung von Problemen durch Mehrwegeausbreitung – wenn kohärente Signale vorhanden sind. Es kann nachgewiesen werden, dass die Signalkovarianzmatrix »dekorreliert« werden kann, wenn eine gemittelte Kovarianzmatrix unter Verwendung von Unterarrays der ursprünglichen Kovarianzmatrix berechnet wird. Für ein zweidimensionales Array kann dies mit Formel 6 beschrieben werden, wobei Ms und Ns die Zahl von Unterarrays in x- beziehungsweise in y-Richtung sind, und Rmn steht für die (m,n)te Unterarray-Kovarianzmatrix.

 

R with bar on top equals fraction numerator 1 over denominator M subscript s N subscript s end fraction space sum from m minus 1 to M subscript s of space sum from n equals 1 to N subscript s of R subscript m n end subscript space space space space space left parenthesis 6 right parenthesis

 

Die resultierende Kovarianzmatrix kann nun als »dekorrelierte« Version der Kovarianzmatrix verwendet und in den MUSIC-Algorithmus eingegeben werden, um korrekte Ergebnisse zu erzielen. Der Nachteil der räumlichen Glättung ist, dass sie die Größe der Kovarianzmatrix reduziert, was die Genauigkeit der Schätzung weiter verringert.

 

Der Autor

Sauli Lehtimäki, leitender Software-Entwickler für Bluetooth-Produkte bei Silicon Labs.
Sauli Lehtimäki arbeitet als Software-Entwickler bei Silicon Labs.
© Silicon Labs

Sauli Lehtimäki

ist leitender Software-Entwickler für Bluetooth-Produkte bei Silicon Labs, wo er 2015 eintrat und war dann verantwortlich für die Firmware-Entwicklung der WiFi-Module. 2017 trat er in das Bluetooth-Link-Layer-Team ein und ist nun verantwortlich für die Forschung und Entwicklung von Produkten für das Tracking und die Ortung in Innenräumen.

Bevor Lehtimäki zu Silicon Labs kam, war er in verschiedenen Positionen tätig, die hauptsächlich mit eingebetteten Systemen zu tun hatten. Er verfügt über mehrjährige Branchenerfahrung in den Bereichen DSP und Numerik.

Lehtimäki hat einen Master of Science in Mathematik von der Universität Helsinki.

sauli.lehtimaki@silabs.com


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