Doch auch wenn die Fertigung in Berlin eine der tragenden Säulen des Unternehmens ist, sind inzwischen weitere Fähigkeiten erforderlich. Ganz vorne steht dabei, die Speicher-ICs und die Controller aufeinander abzustimmen, damit die Integration gelingen kann. Dazu ist die Kooperation mit den Hauptbeteiligten unbedingt erforderlich. »Wir arbeiten sehr eng sowohl mit den Herstellern der Speichertechnologien als auch mit den Lieferanten der NAND-Controller zusammen«, sagt Muschter. »Wir gehen mit unseren Produkt-Marktanforderungen auf die Hersteller der Controller zu, die wiederum für die Adaptierung der NAND-Technologien verantwortlich sind. Die optimierte Firmware für die Marktanforderung ist ein wesentlicher Differenzierungsfaktor. Denn wenn die Karten den Anforderungen der industriellen Märkte genügen sollen, dann kann man nicht einfach einen Controller einkaufen.« Auf dieser Basis entstehen dann eigene Firmware-Pfade und Extensions sowie deren Verifikationstests, die die Industrietauglichkeit sicherstellen.
Aus diesem Kern-Know-how heraus hat Swissbit auch die Software für die Security entwickelt. »Beide Felder haben interessante Gemeinsamkeiten: Die Speicher nutzen sich über die Zeit ab. Mithilfe unserer Firmware erreichen sie dennoch die für die Industrieeinsätze geforderte Lebenszeit. Die Sicherheitsalgorithmen nutzen sich zwar nicht in diesem Sinne ab, sie müssen aber ständig auf dem neuesten Stand gehalten werden, weil die Angreifer ihre Methoden laufend verfeinern. Beide Produkte haben also ein Verfallsdatum, damit kennen wir uns gut aus«, erklärt Muschter. Der Standort, an dem Sicherheitssoftware entwickelt wird, ist übrigens München. Dabei beschäftigen sich die Entwickler dort nicht nur mit Kryptografie und den Sicherheitsvorkehrungen für die Speicherkarten selber, sondern mit dem Gesamtsystem. Nur wenn man dies kenne, könne man die richtigen Schlüsse für die Absicherung der Speicher ziehen. Dann aber beschäftigen sich die Entwickler gleich mit dem gesamten System.
Dass dies funktioniert, hat Swissbit am Beispiel der Fiskalspeichersysteme für Kassenhersteller (Technische Sicherheitseinrichtung, kurz TSE) gezeigt: Der USB-3.1-Stick „PU-50n DP“ bietet Hardwareverschlüsselung und Zugriffsschutz. Der PU-50n DP ist sowohl ein DSGVO-konformer tragbarer Speicher als auch ein Lizenz- und Konfigurations-Token für die industrielle Automatisierung. In der TSE-Version „PU-50n TSE“ mit zusätzlichem Security Chip macht der USB-Stick Kassenaufzeichnungen manipulationssicher. »Wir mussten also die Zusammenhänge im vertikalen Markt um die Kassensysteme herum genau kennen«, so Muschter.
Weil Swissbit die modular aufgebauten Security-Produkte in der eigenen Produktionsanlage in Berlin auf Basis von Advanced-Packaging-Technologien fertigt, kann das Unternehmen kundenspezifische Bauformen anbieten und je nach Anforderungen der Anwender verschiedene Komponenten und Funktionen zu einem robusten Modul integrieren. Was wiederum zeigt, wie die Fertigung in Berlin, die 3D-Packaging-Kompetenzen und die Security Hand in Hand gehen: »Das eine wäre ohne das andere in dieser Form nicht möglich.« Diese Kombination erlaube es Swissbit sogar, ganz neue Märkte anzugehen: Embedded IoT-Komponenten, die über Kommunikationsschnittstellen, Sicherheitselemente, Sensoren und integrierte Antennen verfügen. »Damit expandieren wir in ganz neue Märkte.« Beispielsweise dort, wo Geräte authentifizierbar sein müssen wie im Bereich der Sicherheitskameras: »Über die Karte sichern wir sowohl die Geräte als auch die Daten im Kommunikationskanal ab. Hier wiederum ist gefragt, dass die Karten lötbar sind und nicht einfach herausgenommen werden können. Hier sind wiederum nicht nur steckbare Karten gefragt, sondern aus Sicherheitsgründen auch fest verlötete. Zudem lassen sie sich auf das vom Kunden gewünschte Format zuschneiden.« Ein ähnliches Anforderungsprofil weisen auch Geräte in der Medizintechnik auf. »Da sehe ich ein weiteres riesiges Potenzial«, sagt Muschter.
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg ist auch, nicht nur neue Systeme mit den entsprechenden Speicherkarten, Modulen und Sicherheitssystemen auszurüsten, sondern die alten Geräte ohne großen Aufwand nachrüsten zu können. »Dazu eignen sich die austauschbaren Karten mit ihren Standardschnittstellen wie microSD, SD oder USB hervorragend«, sagt Muschter. So ließen sich alte Geräte aufrüsten, die OEMs könnten schnell neue Geräte auf den Markt bringen und sie in der Folge laufend updaten. Ein Beispiel dafür sind wieder die TSE-Systeme für Kassen. Hier werden verfügbare Standardkassensysteme durch die steckbare Karte und eine Softwareanpassung gesetzeskonform gemacht und mit Hardware Security ausgerüstet. Die schöne Nachricht für Swissbit: Nach diesem Muster funktionierten viele Wachstumsmärkte, von abhörsicheren Mobiltelefonen über Bodycams für die Polizei, Ladestationen für E-Autos und Smart Meter bis zur Absicherung von Wahlen, um nur einige zu nennen: »Die Märkte kommen uns jetzt entgegen«, freut sich Muschter.
Doch eines wird sich mit Sicherheit nicht ändern: die Strategie, in all den Märkten die Nischen zu suchen, in denen eher kleinere und mittlere Stückzahlen nachgefragt werden und wo die Kunden die hohe Qualität und Serviceleistungen schätzen.