Im Interview mit Markt&Technik erklärt Marco Mezger, wie Neumonda mit ihren drei Divisionen – Fertigung, Test und Distribution von Speicherprodukten – die Versorgung von Industriekunden trotz zahlreicher Abkündigungen großer Hersteller absichert und wie er die aktuelle Marktsituation einschätzt.
Markt&Technik: Die Hersteller von Speicher-ICs wurden vom allgemeinen Abschwung mal wieder kräftig in Mitleidenschaft gezogen. Ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen?
Marco Mezger, Executive Vice President & COO der Neumonda Holding: Die vergangenen zwei Jahre waren dramatisch, aber ich denke, wir sind durch das Schlimmste durch, die Talsohle haben wir im vergangenen Jahr durchschritten. Im vierten Quartal 2024 lag unsere Book-to-Bill zum ersten Mal wieder über 1. Das sehe ich als positives Zeichen an.
So richtig hat aber der Aufschwung noch nicht eingesetzt?
Die Lager sind eben noch nicht geräumt, und der Bedarf setzt auch noch nicht voll ein. Dazu kommen noch die Folgen der Geopolitik, aber davon sind alle gleichermaßen betroffen. Grundsätzlich sehe ich Indikatoren, die dafür sprechen, dass sich das konjunkturelle Klima für die Hersteller und die Distributoren in der Speicher-IC-Branche wieder bessert.
Was hat sich bei Neumonda mit ihren drei Standbeinen Memphis, Intelligent Memory und Neumonda Technology getan?
Wir haben die etwas ruhigere Zeit bei Memphis genutzt, um unser Distributionsprogramm zu erweitern, etwa, indem wir uns um neue Speicher-IC-Technologien gekümmert haben wie MRAMs, ReRAMs und FeRAMs. Gerade haben wir unser Programm um die FeRAMs und ReRAMs von Ramxeed erweitert, ehemals Fujitsu Semiconductor Memory Solution. Sie bieten gerade für unsere Kunden aus der Industrie, dem Automotive- und dem Embedded-Umfeld interessante Alternativen, um die Nachteile von DRAMs und Flash-Speichern zu umgehen. Zudem haben wir High-Density-SSDs von Huawei in das Distributionsprogramm von Memphis aufgenommen.
Was ich auch als interessant ansehe: Wir haben kürzlich unser erstes Webinar durchgeführt, in dem wir sowohl den Markt als auch die Technik im Speichermarkt tiefer beleuchten. Damit können wir unseren Kunden helfen, indem wir sie mit wertvollen Informationen versorgen. Umgekehrt bekommen wir über die Kontakte Informationen aus dem Markt, die wiederum uns helfen. Für unser erstes Seminar waren bereits 130 Anmeldungen eingegangen, 80 Teilnehmer haben das Webinar dann verfolgt. Das war schon mal ein guter Auftakt. Jetzt wollen wir pro Quartal ein Webinar durchführen.
Sind tatsächlich viele Anwender an den eher exotischen Speichertechnologien wie MRAMs, FeRAMs und ReRAMs interessiert? Kommen diese Technologien jetzt – über die schon seit so vielen Jahren gesprochen wird – langsam in den Mainstream?
In den Mainstream würde ich nicht sagen, aber die Aufmerksamkeit in Europa ist auf jeden Fall geweckt, gerade wenn es um KI an der Edge geht. Ich gehe davon aus, dass sich die Nachfrage weiterhin gut entwickeln wird. Für die Automobilhersteller sind sie für den Einsatz in Unfalldatenrekordern und Batteriemanagementsystemen interessant, auch in der Steuerungs- und Automatisierungstechnik, in SPSen, in medizinischen Geräten und Stromzählern können sie ihre Vorteile ausspielen. Das Ganze steigt und fällt natürlich mit dem, was die Hersteller von Controllern anbieten.
Die großen Hersteller von DRAMs sind im Moment wohl besonders an dem Geschäft um HBM interessiert, das verglichen mit den herkömmlichen DRAMs deutlich bessere Margen abwirft. Es sind doch diese Speichertypen, die den Markt im Großen bewegen?
Das ist richtig und das ist sogar gut für Memphis und Intelligent Memory als Hersteller von Speicher-IC-Produkten. Denn wir können die Löcher stopfen, die andere hinterlassen! Eben, weil die drei großen Hersteller nicht mehr an vergleichsweise margenschwachen Legacy-Produkten interessiert sind. DDR3-Typen bieten sie schon nicht mehr alle an, die DDR4-Typen schrauben sie zurück, weil HBM lockt.
Ähnlich gilt das auch für den NAND-Speicher-IC-Markt. Die Abkündigungen gehen im Wochentakt ein. So ist Samsung aus den MLC-NAND-Flash-ICs ausgestiegen. Die Industriekunden hierzulande schauen eben in die Röhre. Hier können Memphis und Intelligent Memory helfen. Denn Memphis hat viele kleinere Hersteller im Programm, die die Legacy-Produkte weiter herstellen, und unsere Tochter Intelligent Memory produziert selbst. Die Anwender können sich dann die für ihren Einsatzfall günstigsten DRAM- und Flash-Typen aussuchen.
Kann dieses Geschäft den Rückschlag im Speichermarkt bereits kompensieren?
Wie eingangs gesagt sehe ich zwar Anzeichen dafür, dass es wieder aufwärtsgehen wird. Allerdings sind die Lager immer noch voll, immer noch werden Bestellungen nach hinten verschoben. Deshalb wird das Geschäft mit den Legacy-Produkten auch erst wieder richtig greifen können, wenn die Lager weiter geräumt sind und die Nachfrage wieder konkret einsetzt. Der Bedarf wäre an sich da, vielleicht tut sich ja jetzt etwas, gerade in Deutschland nach der Wahl.
Welche Rolle spielen inzwischen die chinesischen Hersteller?
Im DRAM-Markt kommt CXMT mit Macht. Allerdings ist CXMT im Industriesektor und im High-End-Bereich noch nicht angekommen. Zudem produziert das Unternehmen vor allem für den Consumer- und den Heimatmarkt. Doch gemessen an der Fertigungskapazität in Wafern pro Monat ist CXMT bereits nahezu gleichauf mit an der alteingesessenen Micron vorbeigezogen, was schon einiges aussagt. Auch das ist ein Grund dafür, dass die großen drei DRAM-Hersteller sich aus dem Legacy-Geschäft zurückziehen und in den HBM-Markt vordringen wollen, wo es – noch – weniger Wettbewerb gibt. Und dann sind wieder wir als Memory Competence Center gefragt, weil wir für die Industriekunden die Produkte liefern können, die sie von den großen Herstellern nicht mehr bekommen.
Neumonda Technology hatte 2023 auf der embedded world mit »Rhinoe« den Prototypen eines völlig neu konzipierten DRAM-Testers vorgestellt. Wie sieht der aktuelle Stand zwei Jahre später aus?
Derzeit laufen die finalen Testläufe des »Rhinoe«-Bords auf den Produkten von Intelligent Memory. Die Ergebnisse entsprechen unseren Erwartungen: Wir können nun erstmals DRAMs bei voller Geschwindigkeit testen, was auf den bisherigen Testern, die am Markt verfügbar sind, nicht möglich ist – und Hersteller wie Anwender der schnellen DRAMs vor große Probleme stellt. Unser neues Testkonzept macht es ihnen nun erstmals möglich, diese DRAM-Typen ebenfalls zu testen. Wir können während der Tests Parameter ändern, etwa die Frequenz und Spannung, sowie die Tests in Öfen durchführen, um Temperaturzyklen zu durchlaufen. Das eröffnet eine bis dahin nicht dagewesene Flexibilität, alle Tests sind möglich und laufen bei voller Geschwindigkeit, auch für Burn-in und Zellenfeldtest!
Was ist anders an der Testmethode von Neumonda Technology?
Wir haben den Test um die realen Situationen herum gebaut, in denen sich die DRAMs unter ihren jeweiligen Einsatzbedingungen tatsächlich befinden. Denn wir simulieren diese Einsatzbedingungen und können damit vorhersagen, wie gut ein Speicher in diesem Zielsystem funktionieren wird. Das kann heute niemand anderes, und Signal-Integritätsprobleme sind heute die größte Herausforderung für Speicherkunden. Außerdem benötigen wir keine IP des Wafer-Lieferanten oder proprietäre Testmodi.
Wie genau wird getestet, und was sind die großen Unterschiede zu bestehenden Systemen?
Unser »Rhinoe«-Board ist modular aufgebaut. Es besteht aus sechs Modulen, auf denen sich jeweils 32 DRAM-Sockets befinden, es werden also insgesamt bis zu 192 DRAMs parallel getestet. Ein Board wiegt rund 10 Kilogramm, es kommt mit einer Leistung von unter 150 W aus und kostet 500.000 Dollar. Zum Vergleich: Ein herkömmlicher Tester wiegt mindestens 5 Tonnen, benötigt eine Leistung von 100.000 W und kostet 4 bis 5 Millionen Dollar. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass bei uns die DRAMs nicht mehr angefasst werden müssen, sobald sie auf dem Board eingesteckt sind. So durchlaufen sie auf den »Rhinoe«-Boards verschiedene Tests, ohne dass irgendwelche Beschädigungen durch das Handling auftreten können, was die Ausbeute enorm verbessert. Zudem sind wir viel schneller als alle anderen und wir können jede einzelne Transistorzelle in einem DRAM zu Analysezwecken identifizieren.
Wie hoch liegt die Ausbeute, die das System in der Realität erreicht?
Typischerweise erreichen wir 2 Prozent höhere Ausbeuten als klassische Produktionstests, wenn wir das gleiche Guardband vorhalten, da wir applikationsnah ohne Testmodi arbeiten. Sollte der Kunde höhere Sicherheitsmargen fordern – zum Beispiel Retention Guardband von 150 ms anstatt 110 ms oder Test bei 105 °C anstatt 95 °C – können wir dies flexibel und unkompliziert einstellen und den entsprechenden Ausbeuteverlust sofort quantifizieren.
Wann kommen die »Rhinoe«-Tester auf den Markt?
Wir lizenzieren die Technik jetzt und wir bieten auch einen Test-Service an: Die Kunden schicken ihre DRAMs zu uns, und wir testen sie für sie. Den Service starten wir jetzt, deshalb haben wir auch auf der embedded world 2025 Live-Demos vorgeführt. Wir beginnen mit dem Test von DDR3-Typen. Der DDR4-Test folgt in der zweiten Jahreshälfte 2025, und der Test für LPDDR4-Typen soll Ende des Jahres folgen, für LPDDR5-Typen im kommenden Jahr. Außerdem werden wir unser System auch auf den Test von Flash-Speicher-ICs erweitern.
Neumonda wird aber auch selbst von der neuen Testmethode profitieren?
Selbstverständlich setzen wir sie auch intern bei Intelligent Memory ein. Es werden aber auch die Anwender profitieren. Denn jetzt können wir neue DRAM-Speicher entwickeln, die sowohl für die anspruchsvollsten Anforderungen als auch für Kunden geeignet sind, die kleinere Stückzahlen abnehmen. Auch hier können wir wieder speziell den Kunden in den industriellen Umfeldern helfen, die nur kleinere Stückzahlen abnehmen. Das zeigt auch, wie die Neumonda Holding mit ihren drei Divisions – dem Memory Competence Center Memphis Electronic, dem Hersteller Intelligent Memory und dem Test-Spezialisten Neumonda Technology – eine übergreifende Kompetenz rund um Speicherprodukte aufgebaut hat, die es in dieser Kombination weltweit kein zweites Mal gibt.