Geändert hat sich auch etwas in der Distribution. Unter den großen Distis, die National auf der Line Card hatte, ist Future Electronics nicht mehr dabei.
Das ist für uns ein folgerichtiger Schritt und gehört mit zu den tief greifenden Veränderungen innerhalb der Verkaufsaktivitäten.
Könnte es dazu führen, einen höheren Druck auf die Preisgestaltung ausüben zu können?
Es gibt eine Vielzahl von Herstellern analoger ICs, da stehen wir in einem harten Wettbewerb. Daran wird sich bestimmt nichts ändern.
Häufig ist die alte Erfahrung zu hören, dass große Übernahmen in der Halbleiterindustrie meist nicht sehr erfolgreich ausgehen. Was will Texas Instruments besser machen, um eine Ausnahme von dieser Regel zu werden?
Wir haben ja schon Erfahrungen auch mit großen Übernahmen: Der Kauf von Burr-Brown war ja durchaus erfolgreich, aber wir können daraus auch lernen, es diesmal noch besser zu machen. Entscheidend ist, dass es sich nicht um eine feindliche Übernahme handelt. Wir bieten allen Abteilungen von National umfangreiche Unterstützung. Die Mitarbeiter müssen der Überzeugung sein, dass ihnen die Übernahme ebenfalls Vorteile für ihre Arbeit bringt. Und die Integration muss sehr schnell gehen, in den ersten sechs Monaten muss alles Wesentliche umgesetzt werden, was bei der Übernahme von Chipcon schon recht gut geklappt hat. Da sind wir mit National schon jetzt auf einem guten Weg, das meiste ist bereits abgeschlossen. Deshalb bin ich sehr optimistisch, dass wir National Semiconductor als Bestandteil von TI unter dem Namen Silicon Valley Analog zu dem kräftigen Wachstum verhelfen können, das es aus Sicht des Produktportfolios und des technischen Know-hows verdient. In drei Jahren müssten wir schon ein deutliches Wachstum realisiert haben.
Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation insgesamt ein, was erwarten Sie sich von 2012?
Der letzte Einbruch ging von makroökonomischen Entwicklungen aus, wie wir alle wissen. Den Halbleitermarkt treiben heute zu 75 Prozent die Konsumenten, nur noch 25 Prozent des Umsatzes geht auf das Konto der Infrastruktur. Davon war auch das Jahr 2011 geprägt. Im zweiten Quartal entstand eine kleine Nachfrageblase wegen der Katastrophe in Japan. Dadurch hat sich der Lagerbestand erhöht, was aber seit Anfang des dritten Quartals weitgehend bereinigt ist. Die Überschwemmungen in Thailand werden sich für uns nicht dramatisch auswirken.
Sie gehen also davon aus, dass wir uns in einem ganz normalen Zyklus befinden?
Ja, wir erleben nach einem außergewöhnlich starken Wachstum einen leichten Rückgang, und ich schätze, dass es ab dem zweiten Quartal 2012 im Halbleitermarkt wieder aufwärts gehen wird.
In Europa gelten die Märkte rund um die erneuerbaren Energien von Solar und Wind über Smart Grid bis zur Gebäudeautomation und Elektromobilität als große Hoffnung für weiteres Wachstum der Halbleiter. Sehen Sie das ähnlich?
Ja, und in diesen Märkten sind wir gut positioniert. Unser C2000 arbeitet in sehr vielen Wechselrichtern, und dieses Geschäft wächst weiter. In vielen intelligenten Zählern sind wir mit dem MSP430 vertreten, und wenn es um PLC geht, mit dem Concerto. Auch hier rechnen wir mit starkem Wachstum, allein in Frankreich sollen ab 2013 rund 35 Mio. Zähler installiert werden.
Im Lighting und in der Gebäudeautomatisierung sehen wir ebenfalls große Chancen. Nur ein Aspekt der Gebäudeautomatisierung: Die Aufzüge in Hochhäusern sind heute zumeist recht ineffizient. Intelligente Aufzüge, betrieben von energieeffizienten Motoren, können erheblich Energie sparen.
Elektromobilität wird einen weiteren Schub bringen, und auch der Elektronikgehalt in konventionellen Fahrzeugen steigt. Das gilt nicht nur für Bequemlichkeit und Sicherheit, sondern für Multimediasysteme, die jetzt sehr stark in die Autos wandern. Ein weiterer interessanter Markt ist die Medizintechnik. Und immer wieder tauchen Anwendungen auf, die auch uns überraschen. So hat unser MSP430 den Weg in Nassrasierer gefunden.
Da geht es wieder um eine möglichst geringe Leistungsaufnahme. Doch auch wenn die Elektronik äußerst genügsam ist, versorgt werden muss sie doch mit Energie, was in tragbaren Geräten und in Sensorknoten häufig Batterien übernehmen. Sie auszutauschen, kann oft unpraktisch und teuer sein. Arbeitet TI an Energy-Harvesting-Systemen?
Ja, das sehen wir als einen sehr wichtigen Bereich an, in den wir investieren. Im Jack-Kilby-Center arbeiten die Ingenieure an solchen Systemen. Einen Durchbruch haben wir erst im Oktober mit dem Energy-Harvesting-IC bq25504 erzielt, das aus Photo- oder Seebeck-Spannungen ab 100 mV mit hohem Wirkungsgrad einen Ladestrom für Lithium-Ionen-Akkus erzeugt.
Noch einmal zurück zur Fertigung: Dass TI die Fabs von National weiterführt und modernisiert, zeigt, dass das Unternehmen auf eine eigene Fertigung großen Wert legt, auch in Europa. Wird es längerfristig dabei bleiben, dass TI 40 Prozent des Umsatzes mit Produkten erzielt, die das Unternehmen in eigenen Fabs fertigt, 60 Prozent über Produkte, die in Foundries gefertigt werden?
Ja, die Produktion betrachten wir in TI als strategischen Wettbewerbsvorteil - die damit verbundene Flexibilität und Unabhängigkeit schätzen unsere Kunden vor allem in Zeiten hoher Nachfrage und knapper Fertigungskapazitäten. Externe Foundries nutzen wir jedoch nicht nur, um Bedarfsspitzen abfedern zu können, sondern vor allem für Produkte im Bereich digitaler Technologien.
In diesem Bereich können wir so unseren Kunden die gemeinsam mit den Foundry-Partnern entwickelten State-of-the-Art-Technologieplattformen anbieten, die für ein einzelnes Unternehmen aufgrund der rapide ansteigenden Entwicklungskosten kaum mehr wirtschaftlich zu bewerkstelligen wären. Diese Technologie-Partnerschaften haben sich in den vergangenen Jahren bewährt, und wir werden auch in Zukunft darauf setzen.