Auf der GTC-Konferenz 2023 hat Nvidia seine neuesten Technologien für die Medizintechnik präsentiert. Der Fokus lag auf MedTech-KI, Pharma-Forschung, Sprachmodellen und generativer KI. Über neue Partnerschaften will der GPU- und KI-Experte seine Rolle im Healthcare-Markt deutlich ausbauen.
Nvidia wurde 1993 gegründet. Zu Beginn des damals gerade aufkeimenden Internetzeitalters war der Grafikkarten- und Prozessorhersteller eher für Bastler und Gamer interessant; kaum jemand hätte sich vor 30 Jahren vorstellen können, dass sich das kalifornische Unternehmen mit der Digitalisierung und seinen proprietären Technologien zum führenden Player für Echtzeit-Grafik entwickeln würde – und welchen Einfluss Nvidia-Chips damit auch auf die moderne Medizintechnik nehmen. Die GPUs der Tech-Größe, deren Aktien seit Jahren als Wachstumswerte gelten, haben sich neben der klassischen Bildgebung als besonders leistungsstark in Anwendungen der künstlichen Intelligenz erwiesen.
Nvidia hat frühzeitig erkannt, wie wichtig KI und Deep Learning sind, und massiv investiert. Zudem hat CEO und Gründer Jensen Huang dafür gesorgt, dass sich Nvidia nicht nur auf den Gaming-Markt konzentriert, sondern auch in Bereiche wie Rechenzentren, High-Performance-Computing (HPC), autonome Fahrzeuge und Cloud-Computing expandiert. Partnerschaften mit Tesla, IBM, Dell und Microsoft sowie dem britischen Chip-Designer Arm – den Nvidia vor zwei Jahren sogar übernehmen wollte – haben dazu beigetragen, dass Nvidia heute eine starke technologische und strategische Position im Halbleiter-Markt einnimmt.
Nvidia-Chips in der Medizintechnik
Mit der Digitalisierung der Medizintechnik sind Nvidia-GPUs auch eine wichtige Komponente im Healthcare-Bereich geworden. Die Kalifornier haben das Marktpotenzial früh erkannt und auch hier insbesondere auf den Einsatz von KI und Machine-Learning gesetzt. Die Medizin-Aktivitäten von Nvidia liegen derzeit hauptsächlich in der medizinischen Bildgebung, der Forschung an neuen Medikamenten, der personalisierten Medizin und Genomik sowie in der chirurgischen Robotik (siehe Infokasten). Auf seiner jährlich im Frühjahr stattfindenden Hausmesse, der heuer vom 20. bis 23. März abgehaltenen Tech-Konferenz GTC, hat Nvidia seine neuesten Entwicklungen sowie Trends und Zukunftsthemen vorgestellt. Neben übergreifenden Technologie-Themen, Automotive, Embedded Robotics, Lithografie und dem Omniverse gehörte Healthcare zu den diesjährigen Fokus-Themen.
Die News-Highlights im Gesundheitswesen waren dabei große Sprachmodelle und generative KI-Dienste, welche die Forschung und Entwicklung in den Biowissenschaften vorantreiben sollen. Bereits praktisch arbeiten Medtronic und Nvidia zusammen: Die beiden Partner haben eine KI-Plattform für medizinische Geräte entwickelt, die in der Endoskopie schon heute 50 Prozent mehr Läsionen entdeckt. Den ersten KI-Supercomputer für die Pharmabranche baut Nvidia mit Mitsui in Japan; er soll die Arzneimittelforschung weiter beschleunigen. Zudem stellte der Technologie-Anbieter neue, auf generativer KI basierende Dienste für seine KI-Plattform Clara vor; Nvidia zeigte sich sehr stolz, dass weltweit bereits über 100 renommierte Partner die Health-Plattform in Unternehmen bringen. Eine wegweisende Nierenoperation in Europa zeigte den praktischen Nutzen von Nvidias Holoscan-Technologie für das Gesundheitswesen.
Sprachmodelle und generative KI-Dienste
Nvidia stellte auf der GTC 2023 seine neuen generativen KI-Cloud-Services vor, welche die Entwicklung neuer Proteine und Therapeutika sowie die Forschung in den Bereichen Genomik, Chemie, Biologie und Molekulardynamik beschleunigen sollen (Bild 2). Das neue Cloud-Serviceangebot BioNeMo beschleunigt die zeitaufwendigsten und kostspieligsten Phasen der Arzneimittelforschung durch vortrainierte KI-Modelle und hilft den Forschern beim Aufbau von KI-Pipelines für die Arzneimittelentwicklung. Es ermöglicht die eigene Modell-Optimierung mit proprietären Daten und die Ausführung von KI-Modell-Inferenzen über Webbrowser oder Cloud-APIs. Generative KI-Modelle sind in der Biomedizin in der Lage, potenzielle Moleküle für Medikamente schnell zu identifizieren, können die 3D-Struktur eines Proteins vorhersagen sowie die Docking-Fähigkeit eines Moleküls an ein Zielprotein bewerten. Die durchschnittliche Erfolgsquote in der Arzneimittelentwicklung liegt derzeit bei 10 Prozent. Generative KI, die große Sprachmodelle nutzt, kann dazu beitragen, die Erfolgschancen in kürzerer Zeit bei geringeren Kosten zu erhöhen.
KI-integriertes Koloskop von Medtronic
Medtronic und sein Zulieferer Cosmo Pharmaceuticals werden in Zusammenarbeit mit Nvidia das erste KI-unterstützte und von der FDA zugelassene Koloskopie-Gerät auf den Markt bringen (Bild 3). GI Genius soll helfen, Polypen besser zu erkennen, die zu Darmkrebs führen. In klinischen Tests erkannten Ärzten über das KI-integrierte Medizingerät bereits 50 Prozent mehr Läsionen als bisher. Mit der Integration von Nvidia Clara in das intelligente Endoskopie-Modul will Medtronic KI-Algorithmen für Echtzeitverfahren skalieren und mit neuen KI-Methoden für eine bessere Patientenversorgung sorgen. Dazu beabsichtigt Medtronic auch, Nvidia Holoscan – eine Echtzeit-KI-Computing-Softwareplattform für die Entwicklung medizinischer Geräte – und Nvidia IGX, eine industrietaugliche Edge-KI-Hardwareplattform, in GI Genius zu integrieren, um Ärzte mit KI-gestützten Diagnosebildern zu unterstützen. Die ersten GI-Genius-Systeme mit Nvidia-Technologie werden noch in diesem Jahr verfügbar sein.