Laut einer bislang unveröffentlichten McKinsey-Studie, aus welcher das Handelsblatt zitiert, hinkt die europäische Chip-Industrie mit zwei Ausnahmen in fast allen Bereichen mittlerweile 10 Jahre oder mehr hinter den USA und Asien zurück. Um die Lücke zu schließen, sind 50 Mrd. Euro oder mehr nötig.
Wie das Handelsblatt hinter einer Paywall berichtet, hat die Unternehmensberatung McKinsey eine bislang unveröffentliche Studie erstellt, nach der in Europa Alarmstufe Rot herrschen muß: In Kernbereichen der strategisch so wichtigen Chip-Industrie liegt Europa mittlerweile 10 Jahre oder mehr hinter den USA, asiatischen Ländern oder Beiden zurück – die Details sind der Tabelle unten zu entnehmen.
Lediglich bei den Leistungshalbleitern – vertreten durch Infineon – und in der Sensorik – vertreten durch Bosch, ST Microelectronics und ebenfalls Infineon – nimmt Europa eine weltweit führende Rolle ein, den Vorsprung auf den nächsten Verfolger in den USA und Asien schätzen die Studienautoren auf 3 bzw. 5 Jahre.
Bitter ist das Fazit der Studie, dass derzeit von einer “Aufholjagd” Europas keine Rede sein kann, im Gegenteil, der Rückstand wird derzeit immer größer. Aktuell beträgt er auf Hersteller wie Qualcomm oder AMD bei Prozessoren 10 Jahre, bei KI-Chips bereits mehr als 10 Jahre und bei den für KI-Trainings so wichtigen GPUs sogar mehr als 15 Jahre.
Auch bei der Leading-Edge-Chipfertigung und den dazu notwendigen Werkzeugen beträgt der Rückstand bis zu 15 Jahre. Um eine solche Foundry in Europa zu bauen, müssten 12 bis 15 Mrd. Euro investiert werden, dazu muss man 5 bis 6 Jahre mit einem Verlustgeschäft rechnen.
Insgesamt müsste die Politik laut McKinsey rund 50 Mrd. Euro in die Hand nehmen, um den Rückstand wenigstens in den strategisch wichtigsten Bereichen reduzieren zu können. Laut ZVEI müsste Europa, um selbst eine relevante Verhandlungsmacht gegenüber den USA und China aufbauen zu können, auf einen Marktanteil von 20 bis 30 Prozent kommen – derzeit sind es weniger als 10 Prozent.
Immerhin haben sich Anfang dieser Woche 17 EU-Länder zusammengefunden, um gemeinsame Industrie-Projekte in der Chip-Branche aufzugleisen, die sogenannte Proejekte von stregischem Intesse sind und somit weniger scharfen Wettbewerbsregeln unterliegen.
Auch wenn 50 Mrd. Euro auf den ersten Blick wahnsinnig viel Geld zu sein scheinen, liegt es nur am politischen Willen, ob es realisierbar ist oder nicht. Für den “Green Deal” der EU wurden von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ja bekanntlich 1 Billion Euro aufgerufen – das sind auf einen Schlag gleich mal 1000 Milliarden Euro.
Als erstes könnte man aber in Brüssel den geplanten Kauf von Arm durch Nvidia verhindern, um nicht noch mehr Prozessor-Know-How an die USA zu verlieren. Der Kauf des Münchener Wafer-Fabrikanten Siltronic durch Global Wafers in Taiwan ist ja bereits realisiert worden.
Europas Rückstand in Kategorie | in Jahren | auf |
---|---|---|
Prozessoren (CPUs) | 10 | USA |
Grafikprozessoren (GPUs) | >15 | USA |
KI-Chips | >10 | USA/China |
Speicher | >10 | Asien* |
Optoelektronik | 3-15** | Asien* |
Analog-Chips | 5 | USA |
Designsoftware | 3 | USA |
Europas Rückstand in Chip-Fertigung | ||
Auftragsfertigung (Foundry) im Leading-Edge-Node | 15 | Asien* |
Verfahrenstechnik | >10 | Asien |
Fertigungswerkzeuge | 5 | USA |
Europas Vorsprung in Kategorie | ||
Sensoren | 5 | USA/Asien* |
Leistungshalbleiter | 3 | USA/Asien* |
*: Asien ohne China. | ||
**: 3 Jahre für Infrarot, LEDs und Lidar, mehr als 15 Jahre für Bildsensoren. | ||
Quelle: McKinsey, Handelsblatt-Grafik. |
*: Asien ohne China. **: 3 Jahre für Infrarot, LEDs und Lidar, mehr als 15 Jahre für Bildsensoren. Quelle: McKinsey, Handelsblatt-Grafik.