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Chinesische Halbleiterindustrie: Eine enorme Dynamik

29. August 2022, 8:41 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Viel Geld für Halbleiter

Dass die Startup-Szene in China so groß ist, liegt natürlich auch daran, dass es viele Investitionen in die Halbleiterindustrie gibt. Ma erklärt, dass hohe Investitionen fließen würden, sobald es um Halbleiter ginge, selbst wenn die Firmengründer keinen Halbleiter-Background besitzen, und zwar in allen Bereichen: Fab, Design, Equipment und Materialien. Allerdings erklärt er auch, dass seit Anfang 2022 die Aktivitäten deutlich verlangsamt wurden. Ma: »Früher haben auch US-Investoren viel Geld in die chinesische Halbleiterindustrie gesteckt, auch hier ist im Vergleich zu vor einem Jahr eine deutlich höhere Zurückhaltung zu verspüren. Die Angst vor einer Blase ist größer geworden, also wird viel genauer überlegt, ob ein Halbleiterunternehmen Erfolg haben kann oder warum die Bewertung des Unternehmens so hoch ausfällt.«
Die größere Zurückhaltung ist aber sicherlich auch auf einige Fehlinvestitionen zurückzuführen. Selbst hier in Deutschland ist der Fall mit HSMC (Hongxin Semiconductor Manufacturing Company) in Wuhan bekannt. Das Unternehmen hatte versprochen, mithilfe eines 20Mrd.Dollar schweren Investments die ersten 7-nm-Chips zu liefern. 2020 war HSMC pleite. Darüber hinaus gab es auch Fälle, in denen Milliarden in Equipment-Unternehmen flossen, die ebenfalls gescheitert sind. Huang hält dementsprechend Mas Einschätzung für realistisch, dass zumindest das Investment in die Halbleiterfertigung im Vergleich zum letzten Jahr kleiner ausfallen wird.

Jürgen Höllisch
Jürgen Höllisch, Hoellisch Consulting: »Auch in China gibt es Lieferprobleme. Das zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass Chips von Dealern, Brokern etc. auftauchen, die zu einem 100 Mal so teuren Preis wie normal verkauft werden. Ein weiteres Indiz für die schwierige Versorgungslage sind gefälschte Komponenten, die zunehmend auftauchen.«
© Hoellisch Consulting

Und wie sieht es mit IP-Unternehmen aus, werden sie finanziell unterstützt? Nuclei System Technology entwickelt RISC-VIPCores, eine Architektur, die in China überaus beliebt ist, weil »die Unternehmen damit eine gewisse Sicherheit erlangen, dass sie damit keine Probleme mit irgendwelchen schwarzen Listen bekommen werden. Das ist unser Vorteil«, so Ma. Problematisch allerding ist, dass das IP-Geschäft bekanntermaßen alles andere als einfach ist. Ma weiter: »Typischerweise sind Investoren nicht besonders am IP-Geschäft interessiert, weil es einfach viel Zeit kostet, bis Umsätze fließen. Aber unser Unternehmen ist seit drei bis vier Jahren im CPU-IP-Business aktiv, wir haben ein umfassendes Produktspektrum auf Basis von RISC-V entwickelt und wir haben heute mehr als 100Kunden.« Dementsprechend wachse das Unternehmen sehr schnell, was bei den Investoren durchaus gut ankommt.

Ma weiter: »Wir sind in China sehr erfolgreich und können hier durchaus mit Arm konkurrieren.« Die große heimische Konkurrenz im RISC-V-IP-Geschäft auf Basis von Open-Source-Cores sieht Ma gelassen, denn viele Open-Source-Unternehmen bieten zwar den Core an, aber keinerlei Service. Ma weiter: »Folglich kümmert sich auch keiner, wenn der Entwickler ein Problem mit dem IPCore hat. Soll ein System kommerzialisiert und schnell auf den Markt kommen, geht kein Entwickler dieses Risiko ein. Für Universitäten und Forschungsinstitute sind diese Open-SourceCores aber eine gute Möglichkeit, eigene Entwicklungen voranzutreiben.«

Eigener CPU-Befehlssatz – Konkurrenz für RISC-V?

Loongson Technology, eine Gründergruppe von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, hat mit LoongArch (Loongson Architecture) einen eigenen CPU-Befehlssatz entwickelt, der die bisherigen MIPS64-Befehle ersetzen soll. Prof. He: »Die ISA liefert eine höhere Performance als die vorherige ISA. Dazu kommen noch Erweiterungen der LoongArch-ISA, wie zum Beispiel Vektorbefehle oder die Unterstützung von virtuellen Maschinen.«

Ob damit eine Konkurrenz zu den vielen RISC-V-Aktivitäten in China entsteht, muss sich zeigen. Ma jedenfalls verweist darauf, dass »der Prozessorkern nicht alles ist, das Ecosystem ist das wichtigste bei einer CPU. Das heißt, wenn das Ecosystem fehlt, wird keiner die CPU nutzen, selbst wenn sie eine sehr hohe Performance hat.« Deshalb wird es auch keine RISC-V-PCs geben, denn dafür gebe es keine Programme. Ma weiter: »Im Embedded-Bereich sind die Anforderungen an das Ecoystem nicht so hoch, das zeigt sich auch daran, dass viele Unternehmen versuchen, auf RISC-V umzusteigen.« Dafür sieht er zwei Treiber:1.Der Preis, »wir sind billiger als ARM«, so Ma.2.Die Unternehmen fühlen sich mit RISC-V sicherer, denn hier besteht nicht die Gefahr, dass neue Sanktionen das Geschäft ruinieren könnten.

Ma weiter:»Im High-End-Bereich, beispielsweise mit einem Linux-Betriebssystem in Servern und Datenzentren, ist es für RISC-V noch ein weiter Weg. Dafür muss die ganze RISC-VCommunity zusammenarbeiten.« 


  1. Chinesische Halbleiterindustrie: Eine enorme Dynamik
  2. Schwerpunkt liegt auf ausgereiften Technologien
  3. Viel Geld für Halbleiter

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