Auch auf der Seite der Halbleiterfertigung sind viele Aktivitäten im Gange. Laut SIA wurden 2021 28 zusätzliche Fabs mit einem Gesamtvolumen von 26 Mrd. Dollar angekündigt. Der Schwerpunkt liegt aufgrund der US-Sanktionen mittlerweile auf ausgereiften Technologien. SIA schreibt weiter, dass China von September 2020 bis November 2021 seine Kapazitäten um fast 500.000 Wafer pro Monat (WPM) in Prozessknoten bis hinunter zu 14 nm erweitert hat. Damit entfielen 26 Prozent der weltweiten Erweiterungen der Gesamtkapazitäten auf China. Im OSAT-Bereich (Outsourced Assembly, Packaging and Testing) hält China laut SIA bereits 35 Prozent des weltweiten Marktes und ist damit marktführend.
Die Märkte für chinesische Halbleiter
Das enorme Wachstum, das SIA der chinesischen Halbleiterindustrie zuschreibt, hat viele Gründe. Beim online durchgeführten »embedded world Panel« über die chinesische Halbleiterindustrie ist beispielsweise Yan Bo, Vice President von Nanochip Semiconductor, der Überzeugung, dass Will Semiconductor (das Unternehmen hat 2019 OmniVision gekauft) den größten Beitrag zu diesem Wachstum geliefert hat. »Will Semiconductor ist die Nummer 1 in China, wenn es um CMOS-Bildsensoren geht; weltweit belegt das Unternehmen den dritten Platz«, so Bo weiter. Darüber hinaus habe sicherlich auch Goodix Technology zu diesen Wachstumsraten beigetragen. Bo: »Das Unternehmen ist die Nummer 1 in China, wenn es um Fingerprint-Sensoren geht. Maxscend Microelectronics wiederum ist die Nummer 1, wenn es um ICs für Hochfrequenzanwendungen geht. Ich denke, dass diese drei Unternehmen am meisten zu den Wachstumsraten in China beitragen.«
Sunfeng Huangwiederum, CEO von Prime Semi, ist überzeugt, dass MPUs, Leistungshalbleiter und ICs für Consumer-Anwendungen einschließlich Mobiltelefone, Ladegeräte, aber auch E-Fahrzeuge am meisten zum Wachstum bei Halbleitern beigetragen haben. Entsprechend nennt er Unternehmen wie GigaDevice, Xhixin Semiconductor oder Tencent als Wachstumstreiber; alle entwickeln Prozessoren auf Arm-Basis. Im IoT-Bereich, insbesondere im Bereich der Connectivity wiederum, sei HiSilicon der Wachstumstreiber, im Bereich Power- und Batteriemanagement wiederum nennt er Xysemi und RDA Microelectronics.
Laut Prof. Allan He, Deputy Director of the China Software Industry Embedded System Associations, besagen lokale Daten, dass in China die Konsumelektronik mit 26Prozent am meisten zum Wachstum beiträgt; an zweiter Stelle folgt das IoT mit 19Prozent. Automotive-Elektronik kommt auf 15Prozent, wobei hier der gesamte Transportation-Bereich gemeint ist. Jürgen Höllisch, Geschäftsführer bei Hoellisch Consulting, verweist auf einen anderen wichtigen Bereich, der die Halbleiterumsätze in China nach oben treibt: »grüne Technologien«. Dieser Bereich würde am stärksten unterschätzt. Höllisch: »Schaut man sich die derzeitige Krise an und die Anzahl der Photovoltaik-Anlagen, die wir brauchen, um diese Krise zu lösen, dann bin ich überzeugt, dass die Halbleiter, die in diese Technologien wandern, in den nächsten Jahren kontinuierlich zunehmen werden. Die Wachstumsraten werden gigantisch sein. Und die Nachfrage ist bereits da: Derzeit liegen die Lieferzeiten für Solar-Panels zwischen neun und zwölf Monate, also genauso hoch wie für Autos.«
7 nm, 5 nm – keine Seltenheit
Laut SIA haben Firmen wie Baidu, H3C SiEngine, ZTE, Horizon Robotics, Alibaba etc. zwischen 2020 und 2021 diverse Tapeouts von Logik-ICs mit Strukturgrößen von 7 oder 5 nm realisiert. Höllisch bestätigt dies und rät, dass man Unternehmen wie SiEngine niemals unterschätzen sollte. »Von SiEngine gibt es bereits 7-nm-SoCs für das autonome Fahren, außerdem wird derzeit bereits 5-nm-Komponenten entwickelt, die 2025 auf den Markt kommen sollen. Auch ZTE sei bereits bei 5 nm angekommen und Horizon Robotics machen ebenfalls 7-nm-SoC.«
Nachdem der modernste Prozess, den SMIC derzeit fertigen kann, 14-nm-Strukturen umfasst, stellt Prof. Dr.-Ing. Axel Sikora, Offenburg University of Applied Sciences/Hahn-Schickard Institute Micro- & Information Technology, die Frage, ob es für chinesische Unternehmen im Gegensatz zu Huawei kein Problem ist, solche ICs beispielsweise bei TSMC fertigen zu lassen. Außerdem hieß es bislang immer, dass auch die Tool-Seite in China bei Weitem noch nicht so ausgebaut ist, dass sie den eigenen Bedarf abdecken kann. Alles kein Problem?
Nathan Yue Ma, Senior Director bei Nuclei System Technology, erklärt: »Solange die Unternehmen keine ICs fertigen, die aus der Sicht der US-Regierung ‚sensible Bereiche’ berühren, werden diesen Unternehmen auch keine Hürden in den Weg gelegt, Foundries wie TSMC zu nutzen.«
Dasselbe dürfte auch für die Tool-Seite gelten, wobei China auch in diesem Bereich eigene Aktivitäten vorantreibt. Laut Prof. He sind derzeit zwar immer noch die drei Großen der Branche – Cadence, Synopsys, Siemens (Mentor Graphics) – die dominanten Player, aber mittlerweile gibt es auch chinesische Tool-Anbieter wie beispielsweise Primarius Technology oder Empyrean, die umfassendere Tool-Ketten anbieten. Dazu kommen laut Prof. He noch diverse Startups, die Punktlösungen entwickeln. Inwieweit diese kleineren Unternehmen wachsen können, wird sich zeigen. Im EDA-Bereich führte zumindest bei den drei Großen der Branche der Weg zum Erfolg über Fusionen und Übernahmen, denn damit wurden die Tools der übernommenen Firmen integriert und die Anbieter konnten ein komplettes Ecosystem aufbauen. Inwieweit China einen ähnlichen Weg gehen wird, werden die nächsten Jahre zeigen. Prof. He weiter: »Außerdem fehlt noch eine enge Verzahnung zwischen Halbleiter-Designer, Hersteller und Tool-Anbietern.«
15.000 Startups
Es gibt 15.000 Startups in China, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Halbleiterindustrie. Laut Ma spielen diese Startups zum Teil eine durchaus wichtige Rolle, denn auch wenn sie nicht in großen Volumina fertigen lassen, sind die Wachstumsraten aber enorm. Ma: »Jeder weiß, dass es derzeit nicht genügend Produktionskapazitäten gibt, auch in China nicht. Zum Ausbau der Kapazitäten ist Equipment notwendig, und das treibt die Wachstumsraten dieser kleineren Startups extrem in die Höhe. Denn die etablierten Equipment-Hersteller haben Probleme, Systemkomponenten zu bekommen. Und das verschafft den Startups in diesem Bereich die Möglichkeit, sich mit ihrem Equipment zu etablieren.«
Aber auch bei ICs mit kleinsten Strukturen seien Startups zu finden, denn diese ICs weisen typischerweise hohe Margen auf, sodass die Unternehmen damit auch viel Geld verdienen können. »Auch davon gibt es in China ebenfalls eine ganze Reihe. Sie sind momentan zwar noch nicht so groß und die Umsätze sind gering, aber ihre Marktbewertung ist extrem hoch. Das sind alles Unicorns und wirklich interessante Geschichten«, erklärt Ma weiter.
Aber auch wenn es um Halbleiter geht, die nicht modernste Prozesstechnologien erfordern, sind viele Startups aktiv. Huang ist sogar der Meinung, dass mindestens 50Prozent dieser Startups auf Technologien wie 130, 150 oder sogar 180nm setzen. Höllisch fügt hinzu, dass dieser Ansatz auch dadurch begründet ist, dass bei größeren Strukturen der Weg bis zum Umsatz viel kürzer ist, plus der Tatsache, dass auch die Entwicklungskosten für diese ICs deutlich geringer ausfallen. Höllisch: »Außerdem fallen die Kosten für die Prozessentwicklung signifikant geringer aus, bzw. in vielen Fällen gibt es bereits entsprechende Prozesstechnologien in China. Und wenn die Kapazitäten nicht ausreichen, ist es deutlich einfacher, eine neue Produktionslinie mit diesen älteren Technologieknoten aufzubauen, als eine Fab für kleinste Prozessknoten.«, so Höllisch weiter.