»SMARC verdrängt zunehmend Qseven«

Zum Stand der Dinge bei den CoM-Standards der SGET

11. März 2025, 8:00 Uhr | Andreas Knoll
Martin Unverdorben, SGET / Tria Technologies: »Der neue Standard versucht den Spagat, auch mit einem Steckerkonzept den kostengünstigen Ansatz von OSM zu erreichen.«
© SGET

In den vergangenen 25 Jahren hat sich eine Vielzahl von Computer-on-Module-Standards etabliert – doch in welchem Verhältnis stehen sie zueinander, und für welche werden derzeit Spezifikations-Updates erarbeitet?

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Martin Unverdorben, 2nd Deputy Chairman der Standardization Group for Embedded Technologies (SGET) und Technical Information Manager bei der Tria Technologies GmbH, nimmt Stellung.


Markt&Technik: Warum gibt es überhaupt so viele CoM-Standards?

Martin Unverdorben: Ein Standard entsteht nicht einfach so, sondern dient immer einem Zweck. Meist besteht der Zweck darin, die Marktmacht zu erhöhen, indem man mit dem Standard seinen Kunden den großen Vorteil von Second-Source-Lieferanten bietet. Die ersten CoM-Standards entstanden um 2000; damals kam ETX, 2005 folgte COM Express, 2008 Qseven, 2012 SMARC, 2020 OSM und 2021 COM-HPC.


Welche CoM-Standards sind noch aktuell, und welche lassen sich aus heutiger Sicht als obsolet oder »auf dem absteigenden Ast« betrachten?

Dies lässt sich nicht wirklich anhand des Alters betrachten. ETX wird sicherlich nur noch in Nischen eingesetzt. Neue Projekte entstehen damit nicht mehr. Bei Qseven dürfte das mittlerweile ähnlich sein, denn in Form von SMARC seit der Version 2.0 ist ein deutlich besserer und modernerer Ersatz entstanden. COM Express aber ist sicherlich für viele Anwendungen ein Standard, der auch heute noch sinnvoll ist.


Gibt es derzeit Spezifikations-Update-Tätigkeiten bei OSM, SMARC und Qseven?

Die OSM Specification 1.2 und der Design Guide 1.1 wurden im November letzten Jahres veröffentlicht. Dies ist die aktuelle Basis für viele neue Produkte, die aktuell auf den Markt kommen. Update Tätigkeit gibt es aktuell keine.

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Das SMARC-2.1.1-Modul »MSC SM2S-QCS6490« von Tria beruht auf dem Qualcomm-QCS6490-Prozessor.
Das SMARC-2.1.1-Modul »MSC SM2S-QCS6490« von Tria beruht auf dem Qualcomm-QCS6490-Prozessor.
© Tria Technologies

Die SMARC Specification 2.2 wurde letztes Jahr veröffentlicht, und aktuell arbeiten wir am Update des Design Guides, was wahrscheinlich gegen Mitte des Jahres abgeschlossen sein wird.

Für Qseven sind keine weiteren Spezifikationstätigkeiten geplant.


Worin unterscheiden sich SMARC und Qseven, was sind jeweils die Vor- und Nachteile der beiden Standards?

Qseven entstand 2008 als Plattform für Atom-basierte Module, SMARC 2012 für ARM-basierte Module. 2016 wurde SMARC einem Update unterzogen, damit auch x86-basierte SoCs besser verwendet werden können. Seither verdrängt SMARC zunehmend Qseven, weil es mehr Schnittstellen auf gleicher Fläche bietet und den technologisch neueren Stecker verwendet, nämlich MXM 3 anstelle von MXM 2.


Wie weit fortgeschritten ist die Spezifikation des auf FPGA-Bausteine zugeschnittenen CoM-Standards HFM momentan?

Das Standard Development Team SDT.06 hat im letzten Halbjahr große Fortschritte gemacht, und ein erster Entwurf der Spezifikation ist um die embedded world 2025 geplant. Es gibt sicherlich einige Details, die noch »under discussion« sind, aber der Großteil der Spezifikation ist dann so weit, dass wir uns damit ins Rampenlicht wagen und das Feedback der FPGA-Community suchen können.


Wozu ist ein spezieller CoM-Standard für FPGA-Bausteine überhaupt erforderlich?

Der HFM-Standard sorgt dafür, dass die Interoperabilität und Skalierbarkeit zwischen verschiedenen Herstellern von FPGA-Modulen überhaupt möglich wird. Dieses Prinzip hat sich bei CoM-Standards wie SMARC, OSM oder COM Express schon seit vielen Jahren bewährt. Entwickler profitieren von einer einheitlichen Schnittstelle, wodurch sich Module leichter austauschen und Designs schneller realisieren lassen – das spart Zeit und Kosten. Außerdem erlaubt HFM sowohl lötbare als auch steckbare Module, sodass je nach Anwendung die optimale Lösung gewählt werden kann. Das macht die FPGA-Technologie flexibler, nachhaltiger und zukunftssicher.


Der HFM-Standard soll sowohl steckbare als auch Auflötmodule umfassen. Ließen sich die Anforderungen von FPGAs insofern nicht auch mit den aktuellen Versionen von OSM, SMARC oder Qseven erfüllen?

Nein, das würde aus vielen Gründen nicht funktionieren. FPGAs sind eine eigene Welt und haben andere Anforderungen als die SoCs, die auf den CoMs der anderen Standards üblicherweise integriert sind. HFM ist ein komplett neuer Ansatz im FPGA-Markt und wird von den Erfahrungen, die wir speziell mit SMARC, Qseven und OSM gesammelt haben, extrem profitieren.


Wie sind OSM, SMARC und Qseven gegenüber den PICMG-Standards COM Express und COM-HPC positioniert?

Es hat sich eher aus historischem Zufall ergeben, dass die low-power-/lower-performance-Standards bei der SGET beheimatet sind und die high-power-/higher-performance-Standards wie COM Express und COM-HPC bei der PICMG.


Momentan ist ein neuer Standard »zwischen SMARC und OSM« in Arbeit. Wodurch ist er gekennzeichnet?

Das Modul »MSC OSM-SF-IMX93« von Tria fußt auf dem neuen OSM-1.1-Standard und ist mit einem i.MX-93-Applikationsprozessor von NXP ausgestattet.
Das Modul »MSC OSM-SF-IMX93« von Tria fußt auf dem neuen OSM-1.1-Standard und ist mit einem i.MX-93-Applikationsprozessor von NXP ausgestattet.
© Tria Technologies

OSM ermöglicht es mit deutlich geringeren Kosten und somit auch deutlich effizienter, Low-Performance-ARM-SoCs auf Modulen einzusetzen und folglich mit Modulen auch höhere Stückzahlen zu adressieren, die bisher mit SMARC und COM Express nicht wirtschaftlich waren. Der »Nachteil« von OSM ist, dass er als Auflöt-Standard technologisch herausfordernder ist als ein Stecker-basierter Standard. Der neue Standard, der sich momentan in der Definitionsphase befindet, versucht den Spagat, auch mit einem Steckerkonzept den kostengünstigen Ansatz von OSM zu erreichen.

Wir bei Tria haben die technischen Herausforderungen bei OSM gemeistert, speziell was das Testkonzept angeht, und dieses sehr kostengünstig optimiert - solche Optimierungen sind mit Aufsteckmodulen unerreichbar. Wir werden uns trotzdem das neue Konzept ansehen, weil es die Lösbarkeit von Modul und Carrier ermöglicht, die in manchen Anwendungen speziell nachgefragt wird.


Worin unterscheidet sich der neue Standard von SMARC und OSM?

Dies lässt sich im Detail noch nicht beantworten, weil der Standardisierungsprozess erst vor kurzem begonnen hat. Aber im Grunde lautet das Ziel, einen Stecker-basierten CoM-Standard zu entwickeln, der für Low-Performance-ARM-SoCs bestens geeignet ist.


Sind die Carrier-Boards jeweils mitspezifiziert?

Jeder CoM-Standard definiert die Module und die Schnittstellen zum Carrier-Board - oft noch mit mechanischen Erweiterungen wie etwa Heatspreader, um eine Austauschbarkeit im Standard auch herstellerunabhängig zu gewährleisten. Die Carrier-Boards sollen dagegen so individuell sein, wie es nötig ist, um die Anpassbarkeit der Module an die entsprechende Applikation sicherzustellen. Damit man beim Carrier-Design das Rad nicht immer neu erfinden muss, liefern Design-Guides Schaltplan-Beispiele für die verwendeten Schnittstellen und geben Layout-Guidelines, um den Entwicklern das Leben einfacher zu machen.

Im Rahmen und Umfeld des HFM-Standards entsteht allerdings gerade unter dem Working-Name »sCRUVI« ein Ansatz, Schnittstellengruppen für Carrier-Boards zu spezifizieren, damit man bei den Evaluation-Carriern herstellerübergreifend Aufwand und Kosten spart.

Die Fragen stellte Andreas Knoll.

Tria Technologies: embedded world, Halle 3A, Stand 225

SGET: embedded world, Halle 3, Stand 241


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