CoMs für High Performance Computing

»Ich bin stolz auf die Fortschritte bei COM-HPC«

1. Juni 2023, 7:00 Uhr | Tobias Schlichtmeier
Christian Eder ist Director Product Marketing bei Congatec.
© Congatec

Warum COM Express an Grenzen stößt und wie es mit COM-HPC weitergeht erklärt Christian Eder von congatec im Interview.

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Herr Eder, mit COM Express begann vor etwa 15 Jahren eine Erfolgsgeschichte.
Warum war es nötig, mit COM-HPC einen neuen Standard zu schaffen?


Christian Eder: Ausschlaggebend ist, dass sich die Technologie ständig weiterentwickelt. Als vor 15 Jahren COM Express geschaffen wurde, war die Chiptechnologie und damit einhergehend die Leistungsfähigkeit der CPUs auf einem viel geringeren Niveau. Gleiches gilt für die Schnittstellentechnologie – COM Express bedient PCIe bis Gen3 oder maximal Gen4. Heute gibt es jedoch CPUs, die PCIe Gen5 unterstützen, Gen6 – mit einer erneuten Verdoppelung der Performance steht auch schon »vor der Tür«. Auch alle anderen Schnittstellentechnologien sind leistungsfähiger geworden – nötig ist das, um Applikationen der künstlichen Intelligenz (KI) oder allgemein für die Digitalisierung zu unterstützen. Genau hier setzt COM-HPC an.

Was kann COM-HPC, was COM Express nicht kann?

Zusammengefasst gesagt: höher, schneller, weiter. Allein bei den Schnittstellen hat sich in puncto Leistung einiges getan. Bei PCIe verdoppelt sich beispielsweise von Generation zu Generation die Bandbreite, angefangen bei 2,5 Gbit/s, sind es bei PCIe Gen6 inzwischen 128 Gbit/s. Auch andere Schnittstellen werden leistungsstärker, zum
Beispiel USB. Mit USB 4 erreichen wir immense Leistungszuwächse. Auch die Displayschnittstellen haben sich weiterentwickelt, mit einer Display-Port-Schnittstelle kann ich heute mehrere 8K-Displays ansteuern – das war früher undenkbar.
Man muss allerdings sagen, COM Express ist in keiner Weise abgeschrieben. COM Express ist nach wie vor der erfolgreichste Standard am Markt und bei Entwicklern sehr beliebt. Neue Designs werden wir ab sofort jedoch immer öfter auf Basis von COM-HPC sehen.

Als Chairman der PICMG Working Group und Director Product Marketing bei congatec waren Sie am neuen Standard entscheidend beteiligt. Wie begann die Arbeit zu COM-HPC, was waren die ersten Schritte?

Entscheidend war der immense Fortschritt der Technologie. Es gab zunehmend Applikationen, die wir mit COM Express leistungsmäßig nicht oder nicht mehr bedienen konnten. Und so entstand die Idee eines neuen Standards innerhalb
der PCI Computer Manufacturers Group (PICMG). Ich habe mich für den Vorsitz in der Working Group beworben und wurde auch gewählt, im Anschluss nahmen wir die Arbeit zur Umsetzung des Standards auf. Bislang haben wir etwa 600 Seiten an Dokumentation erarbeitet. Die Spezifikation ist seit einem guten Jahr veröffentlicht, man sah bereits jede Menge COM-HPC-Computermodule auf der embedded world. Hierauf bin ich sehr stolz, das muss ich zugeben. Die Standardisierung geht aber noch weiter, es gibt durchaus Verbesserungs- bzw. weitere Optimierungspotenziale.

Mit COM-HPC Mini gibt es COM-HPC bald auch im Kreditkartenformat. Wie weit ist der neue Teil-Standard gediehen?

COM-HPC Mini ist eine ähnliche Geschichte wie COM Express Mini. Auch damals wollte die Community nach einiger Zeit einen kleineren Standard, mit lediglich einem Stecker statt zwei. Gleiches passiert derzeit bei COM-HPC Mini. Wir haben den Formfaktor COM-HPC Size A quasi halbiert. Wir nutzen einen Stecker anstatt zwei und haben die Abmessungen auf 95 mm x 70 mm reduziert – das ist etwas größer als eine Kreditkarte – optimal, um Low-Power-Applikationen zu adressieren. Mit COM-HPC Mini stellen wir 16 PCI-Express-Lanes, USB 4 und sogar 10-Gigabit-Ethernet-Schnittstellen bereit. Derzeit gibt es noch keine Prozessoren, die diese Leistungsfähigkeit ausnutzen, aber demnach sind wir sehr gut für die Zukunft gerüstet – ich denke für die nächsten 10, 15, vielleicht sogar 20 Jahre.

Wann sollte sich ein Embedded-Entwickler für COM-HPC entscheiden, welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Die Grundsätze eines Modulkonzeptes haben sich nicht geändert: Mit einem Modul nach Standardformfaktor kann ein Entwickler auf mehrere Quellen zurückgreifen und seine Anwendung auf einem Carrier Board einfach realisieren. COM-HPC ist eine konsequente Weiterführung dieses Modulkonzeptes – erschließt aber neue Bereiche. Zum Beispiel Servertechnologien mit den Formfaktoren Size D und E, die für ein Modulkonzept schon sehr groß sind – bis zu 160 mm x 200 mm.

Mit diesen Formfaktoren adressieren wir Edge-Server-Anwendungen, denn Unternehmen haben nicht immer genügend Bandbreite zur Verfügung, um alle Daten in ein Rechenzentrum zu transferieren. Also müssen die Daten dort verarbeitet werden, wo sie entstehen. Und dort herrschen oft raue Bedingungen, zum Beispiel unklimatisierte Fabrik­hallen mit hoher Luftfeuchte, extremen Temperaturen, starken elektromagnetischen Feldern und häufige Erschütterungen. Zusammengefasst: robuste Servertechnologie mit hoher Datenübertragungsrate mit bis zu 64 PCIe-Lanes, ohne zu viel Schnickschnack wie Grafikunterstützung. Zudem haben wir die Manageability adressiert, hierfür gibt es die Platform-Management-Spezifikation. Sie stellt eine einfacher zu implementierende Untermenge der Redfish/IPMI-Spezifikation dar.

Wie sieht es mit den Schnittstellen aus? Gigabit Ethernet, USB 4, DisplayPort – was kann COM-HPC noch?

Neben diesen klassischen Highspeed-Schnittstellen und verschiedenen Grafik- und Sound-Schnittstellen, gibt es vor allem eine sehr leistungsfähige Ethernet-Konnektivität. In der klassischen IT sind bereits 100-Gigabit-Datenleitungen Standard, die wir mit der COM-HPC-Serverklasse mit achtmal 25 Gigabit Ethernet bereitstellen. Sie lassen sich auf zweimal 100 Gigabit Ethernet zusammenschließen.

Wie geht es bei COM-HPC weiter? Welche Schritte geht die Working Group als nächstes?

Zunächst müssen wir den COM-HPC-Mini-Standard finalisieren – ich hätte mir das bereits für die embedded world gewünscht, leider hat das nicht ganz funktioniert. Es gibt noch letzte Details innerhalb der PICMG zu besprechen, letzte Entscheidungen zu treffen und im Anschluss müssen wir die Dokumentation finalisieren. Im zweiten Quartal dürfen Entwickler aber mit einem Release Candidate rechnen. Weiter geht es mit einer Adaption von PCIe Gen6. Als wir die erste Spezifikation geschrieben haben, war PCIe Gen6 noch nicht fertig spezifiziert. Der Stecker ist dafür vorbereitet, jedoch müssen wir noch simulieren, welche maximalen Leitungslängen möglich sind und welche Leiterplattenmaterialien dafür verwendet werden können.

Erfreulich ist, dass immer noch neue Unternehmen der PICMG beitreten, die am Puls der Zeit bleiben möchten. Das betrifft auch die Hersteller von Steckern. Ich denke, alle Unternehmen haben inzwischen verstanden, wie wichtig es ist, keine Single Source zu haben, auch bei den Steckerherstellern. Hierauf haben wir auch bei unserer Wahl zugunsten von Samtec geachtet – wir wollen, dass der Stecker unter fairen Bedingungen lizensiert wird.

Herr Eder, vielen Dank für das Gespräch.

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