Das Unternehmen Lauterbach stellt Debug- und Trace-Tools her, und das sehr erfolgreich seit mehr als 40 Jahren. Das hat auch die Halbleiterindustrie bemerkt. Ohne Tools aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn wäre so manche Chip-Entwicklung nicht nur in der jüngsten Vergangenheit nicht möglich gewesen.
Markt&Technik: Mit Ihren Debuggern liefern Sie einen wichtigen Baustein, um Halbleiter auf Herz und Nieren zu testen. Welche Punkte sind am kritischsten beim Debuggen?
Stephan Lauterbach: Das Entscheidende ist, dass wir den Chip bzw. die Architektur, die ein Entwickler debuggen möchte, unterstützen. Hinzu kommt der umfassende Support, da jedes Kunden-Target anders ist. Je neuer die IP eines Herstellers ist, desto mehr stoßen wir auf neue Herausforderungen und desto mehr speziellen Support benötigen Entwickler, beispielsweise für spezielle Features. Das können spezielle Betriebssysteme sein, besondere Timing-Analysen oder Interaktionen mit anderen Cores oder mit externer Hardware.
Ist es meist so, dass Entwickler spezielle Features benötigen, oder sind das Einzelfälle?
Gerade bei neuen Produkten gibt es oft spezielle Features, die die Daseinsberechtigung für einen neuen Chip darstellen. Jedoch ist nicht jedes neue Feature relevant für das Debuggen. Bis vor einigen Jahren gab es lediglich die Arm-Architektur als offene Architektur, nun kommt RISC-V hinzu. Mit RISC-V gibt es viele Versuche verschiedener Hersteller, sich mit speziellen Features von der Konkurrenz abzuheben. Somit sind die Puzzleteile wesentlich mehr geworden – das zu unterstützen ist herausfordernd, aber unser Ziel. All die neuen Features mit einem einzigen Tool abzudecken ist unser Konzept.
Mit rund 140 Mitarbeitern erwirtschaften sie einen Umsatz von über 60 Mio. Euro und sind hiermit weltweiter Marktführer bei Debug- und Trace-Tools. Worin liegt der Erfolg des Unternehmens begründet?
Der Erfolg geht auf die eben angesprochene Variantenvielfalt und Features zurück, die wir von Beginn an unterstützt haben. Dass unsere Debugger High-Level-Funktionen unterstützen, ist die Grundlage – zusätzlich versuchen wir, so viele Features wie möglich abzudecken. Anfangs war die Anzahl der verschiedenen Architekturen sehr überschaubar, mittlerweile ist die Bandbreite riesig – und wir decken sie ab. Entscheidend ist außerdem, dass unsere Debugger schlichtweg in allen Situationen funktionieren. Diese Verlässlichkeit hat unseren Kunden schon oft viele Monate Entwicklungszeit gespart. Denn wie soll ein Kunde Fehler in seinen Applikationen finden, wenn der Debugger an sich schon fehlerhaft ist? Außerdem arbeiten wir eng mit den führenden Halbleiterherstellern zusammen und bekommen frühzeitig Infos über deren Roadmaps. Alles in allem sind wir für unsere Kunden ein Partner für die Zukunft, denn sie können sich auf uns verlassen – das ist ein weiterer Baustein für den Unternehmenserfolg.
1979 gründeten Sie das Unternehmen mit Ihrem Bruder. Wie darf man sich die ersten Schritte von Lauterbach vorstellen?
Man darf sich die Gründung nicht mit einer heutigen Startup-Gründung mit Crowdfunding etc. vorstellen; Lauterbach entstand zu 100 Prozent eigenfinanziert, Schritt für Schritt.
Zunächst fertigten wir Hardware-Debugger und Software-Tools lediglich für den Eigenbedarf. Wir merkten jedoch schnell, dass der Bedarf an Software-Debuggern groß ist, und entwickelten »Trace80«, unser erstes Software-Produkt, das gerade beim deutschen Maschinenbau auf eine hohe Nachfrage stieß. Auf Grundlage von Trace80 entwickelten wir in den Jahren 1985 und 86 unsere bis heute sehr erfolgreiche Marke »Trace32« – der Name stammt vom damaligen 32-bit-System ab.
Was ist das Geheimnis hinter Trace32 – was können sich Entwickler darunter vorstellen?
Trace32 ist der Name unserer Produktfamilie, der in den 1980er-Jahren beim Technologiesprung auf 32 bit entstand. Für viele Kunden ist es jedoch einfach der Lauterbach-Debugger. Der Name Trace32 hat sich so eingeprägt, dass wir ihn weiterlaufen ließen. Trace32 ist mittlerweile ein Überbegriff über die gesamte Produktpalette, die wir anbieten. Hinzu kommen die einzelnen Produkte wie »PowerDebug«, »PowerView« oder »PowerTrace«.
Viele Unternehmenserfolge basieren auf x86-Systemen. Sie haben sich jedoch auch der Arm-Architektur geöffnet – wie kam es dazu?
Die Erfolgsgeschichte mit Arm begann 1995. Erste Kunden im Mobilfunkbereich wollten die Arm-Architektur einsetzen. Uns war die Architektur unbekannt, wollten uns der neuen Technologie aber nicht verschließen und mit unseren Kunden den Weg mitgehen. Unter dem Radar der Konkurrenz haben wir erste Produkte für die Arm-Architektur entwickelt, sind sehr früh auf Qualcomm gestoßen und haben für deren CPUs Tools entwickelt. Erst Anfang der 2000er-Jahre war die Arm-Architektur populärer, da hatten wir die Märkte bereits in unserer Hand, zum Beispiel den asiatischen Markt.
Gerade die Elektrifizierung und das autonome Fahren sind große Treiber von Innovationen. Wie schaffen Sie es, mit Ihren Debuggern immer an der Spitze der technologischen Entwicklung zu bleiben?
Letztendlich ist es entscheidend, immer nah am Kunden zu sein. Zudem ist es wichtig, dass die Qualität der Tools passt, sowohl bei der Hardware als auch bei der Software. Wir passen unsere Tools immer an die neuesten Halbleiterprodukte an und arbeiten eng mit den Halbleiterherstellern zusammen; so bleiben wir immer an der Spitze der technologischen Entwicklung.
Welche Märkte bedient Lauterbach und auf welchen Märkten sehen Sie die größten Wachstumschancen?
Neben Automotive sind wir stark im Mobilfunkbereich tätig, jedoch grundsätzlich in allen industriellen Märkten vertreten. In den letzten 20 Jahren hat sich das Geschäft zudem stark auf die Halbleiterhersteller verlagert. Denn diese müssen für ihre Kunden inzwischen Software und Tools bereitstellen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Hierfür können sie aus unserem großen Produktportfolio schöpfen. Aus unserer Sicht schiebt sich auf die Low-Level-Software-Ebene noch eine Ebene darüber. Viele Unternehmen versuchen, sich hierüber zu differenzieren – und hierfür benötigen sie unsere Tools. So haben sich die Märkte und unsere Absatzchancen verschoben – und dieser Trend wird weiter anhalten. Der Markt ist in Bewegung, und unsere zukünftigen Kunden, die wir in 10 oder 20 Jahren haben werden, gibt es wahrscheinlich noch gar nicht, oder wir kennen sie noch nicht.
Neben den typischen Halbleiterherstellern haben Sie als Kunden bekannte OEMs, die selbst Chips entwerfen und quasi als Halbleiterhersteller in Erscheinung treten, z. B. Microsoft, Google, AWS, Tesla oder ein führender Smartphone-, Tablet- und Laptop-Hersteller aus dem Silicon Valley. Ist das Geschäft mit diesen Firmen anders und, wenn ja, inwiefern?
Auch die speziellen Chips dieser Firmen müssen auf Energieeffizienz ausgerichtet sein, zum Beispiel um eine VR-Brille oder ein Smartphone damit möglichst lange betreiben zu können. Hier kommt zudem die Cybersecurity ins Spiel, über die wir uns viele Gedanken machen müssen. Gerade mit den RISC-V-Cores wird es noch komplexer: Viele Entwickler möchten vor der Markteinführung keine Details preisgeben, oft wissen wir nicht, was die Cores können und wie sie arbeiten. Die Herausforderung steigt in der Zukunft noch an.
Welche Dienstleistungen bieten Sie rund um Ihre Debugging-Produkte an?
An sich sind wir kein Dienstleister, wir machen keine Auftragsentwicklung. Wir sehen die Dienstleistung im Support sowie im Anpassen unserer Tools. Kommt ein Chip-Hersteller mit einem neuen SoC auf uns zu, ist die Dienstleistung die, unsere Tools auf das neue SoC anzupassen, neue Features einzubauen sowie neue Hardware zu entwickeln, die entsprechende Debug- oder Trace-Schnittstellen bedient. Hier gehen wir in der Regel in Vorleistung für unsere Kunden und verdienen am Folgegeschäft. So decken wir mit unseren Debuggern alle führenden SoC-Hersteller ab – mehr als 150 unterschiedliche Mikroarchitekturen und mehr als 13.000 unterschiedliche Chips.
ICs, Chips und SoCs werden immer komplexer. Wie begegnen Sie der Komplexität – und wie generieren Sie hier einen Mehrwert für Entwickler?
Wir versuchen, gewissen Dinge zu modularisieren, stoßen hierbei jedoch schnell an Grenzen. Zum Beispiel wenn wir alte Technik mit neuen RISC-V-Cores kombinieren möchten – das erhöht die Komplexität und führt selten zum Erfolg. Wir müssen die Komplexität für den Debug-Nutzer so überschaubar wie möglich halten. Laufen zwei, drei Architekturen im Hintergrund eines Cores, können nur wenige Entwickler etwas damit anfangen. Das ist für uns ein Türöffner, um mit solchen Spezialanwendungen Umsatz zu genieren. Wir können hiermit Projekte bedienen, die andere Unternehmen nicht bedienen können. Für Entwickler ist der Mehrwert, dass sie lediglich ein Tool benötigen, mit dem sie spezielle Applikationen debuggen können.
Mit dem auf der letzten embedded world Conference vorgestellten »Checker« bieten Sie Funktionen zur Software-Analyse an. Was verbirgt sich dahinter?
Mit dem Checker kann ein Entwickler einen Programmverlauf aufzeichnen und darin Fehler finden, und zwar Fehler, die nicht sofort ersichtlich sind. Das Ziel mit dem Checker-Tool ist es, Software zu prüfen, die offensichtlich fehlerfrei läuft, dennoch fehlerbehaftet ist, die Fehler jedoch glücklicherweise bisher nicht aufgefallen sind. Mit unserem Checker-Tool lassen sich solche Fehler finden und beheben.
Wie schaffen Sie es, Entwickler für sich zu gewinnen, damit Lauterbach weiter wachsen kann, und wie vermeiden Sie das Abwerben Ihrer Top-Entwickler durch bekannte Großkonzerne?
Letztendlich muss das Arbeitsumfeld zum Bewerber passen. Bei uns hat jeder Entwickler eine große Freiheit, kann sich seine Projekte frei aussuchen – das ist der Unterschied zu großen Konzernen. Jeder Entwickler bekommt direkt von unseren Kunden Feedback, wenn er ein Problem gelöst hat, was sehr zur Zufriedenheit beiträgt. Zudem pflegen wie eine offene Gemeinschaftskultur, jeder Mitarbeiter kann die Entscheidungen der Geschäftsleitung nachvollziehen. Gerade im Großraum München stehen wir in großem Wettbewerb; aus diesem Grund möchten wir die Idee eines Student Day wieder aufgreifen, um Studenten das Arbeitsumfeld von Lauterbach schmackhaft zu machen.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Lauterbach in den nächsten fünf bis zehn Jahren – sowohl technologisch als auch betriebswirtschaftlich?
Wichtig ist, bei neuen Entwicklungen schnell zu reagieren. Bereits jetzt abzuschätzen, welche Technologien das sein werden, ist sehr schwer. Um Entwicklungen nicht zu verpassen, wollen wir weiter eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten. Betriebswirtschaftlich waren wir in den letzten Jahren sehr erfolgreich; konkrete Ziele wie ein börsennotiertes Unternehmen langfristig im Voraus formulieren wir nicht. Wir versuchen grundsätzlich, einen guten Mix aus verschiedenen Kunden, Regionen und Branchen zu bekommen, der uns ein stabiles und langfristiges Wachstum ermöglicht.