Neue Kommunikationsschnittstelle

Revolutioniert der Hermes-Standard die Elektronikfertigung?

26. April 2017, 14:02 Uhr | Karin Zühlke
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Hermes vs. OML?

Erste Bemühungen, die Kommunikation zwischen SMT-Maschinen in einer Schnittstelle zu standardisieren, hat das Software-Unternehmen Mentor Graphics Anfang 2016 mit OML – Open Manufacturing Language – unternommen. OML schafft eine operative Hierarchie, durch die neutralisierte Informationen zwischen Fertigungsprozessen ausgetauscht werden können. Dazu gehören Details über alle Ereignisse in der Produktion in den Bereichen Prozessleistung, Materialversorgung und -verbrauch, Rückverfolgbarkeit, Prozessergebnisse und -parameter, Prozesssteuerung (Poka-Yoke) sowie Informationen über die Qualität der Test-, Inspektions- und Reparaturprozesse, sowohl automatisiert als auch manuell. Dieser Initiative haben sich neben Anwendern wie Osram und Jabil die Maschinenbauer Juki, Koh Young (ist damit in beiden Gremien vertreten)  und Vitronics Soltec angeschlossen; damit hat OML deutlich weniger und nach Marktanteilen kleinere SMT-Maschinenbauer an Board als Hermes. Insofern bleibt abzuwarten, ob sich beide Initiativen im Markt gleichermaßen durchsetzen oder sich in Teilbereichen auch ergänzen können. Dass Mentor Graphics inzwischen Teil des Siemens-PLM-Portfolios ist, könnte OML aber einen zusätzlichen Schub verleihen.  

Das Hermes-Gremium indes hat in der Definitionsphase bewusst darauf verzichtet, Anwender – also Kunden –  zu den Treffen der Initiative zuzulassen. Dennoch werden Kunden über Diskussionen und Treffen mit den einzelnen Herstellern eingebunden. Hintergrund ist die Erfahrung, dass beispielsweise bei IPC-Treffen die Beteiligung von Kunden gelegentlich dazu führt, dass nicht im Sinne einer optimalen Gesamtlösung, sondern oft auf Basis unternehmensspezifischer Anforderungen argumentiert wird. So können Standardisierungen schnell überfrachtet und Festlegungen verzögert werden. Das soll verhindert werden.

Während der OML-Standard von einem Software-Unternehmen getrieben wird, das auch ein MES-System im Produktspektrum hat, entstand Hermes aus den Anforderungen der SMT-Maschinenbauer heraus. Wie beurteilt die MES-Branche diese Initiative? »Prinzipiell sind wir als MES-Hersteller an offenen branchenübergreifenden M2M-Standards interessiert, die die Integration erleichtern. Deshalb beobachten wir permanent die Lage, um möglichst zeitnah auf entsprechende Initiativen reagieren zu können«, erklärt Dieter Meuser, CTO des MES-Unternehmens iTAC Software. iTAC bietet eines der wenigen MES, das dediziert für die diskrete Fertigungsindustrie entwickelt wurde. Itac plane aber keine Aktivitäten bzgl. des Hermes-Standards oder auch OML, so Meuser. »Als MES-Hersteller für die diskrete Fertigungsindustrie sind wir branchenübergreifend ausgerichtet und setzten somit nicht auf branchen- oder sogar maschinenherstellerspezifische proprietäre Schnittstellenstandards, insbesondere wenn keine branchenübergreifende unabhängige Organisation wie z.B. die OPC-Foundation beim „OPC UA“-Standard die Kontrolle übernimmt.«

„Alle Partner bekommen gleiche Rechte“

Smema wurde von der gleichnamigen Normungsorganisation, dem Smema-Council of IPC, getragen. Hermes ist – zumindest vorerst – ein De-facto-Standard. Derzeit ist die IPC nach Auskunft des Hermes-Gremiums noch nicht eingebunden. Schließlich wolle man den Standard schnell voranbringen. »Unsere Industrie – Hersteller wie Kunden – vermisst schmerzhaft moderne Standards, um neue Fertigungskonzepte realisieren zu können. Ganz bewusst haben wir nach einem Weg und einer Organisationsform gesucht, die die längst überfällige Modernisierung schnell und auf einer offenen, zukunftsfesten technischen Plattform vorantreibt«, betont Bliem. Ziel der Initiative ist es also, einen schnellen Erfolg bei der Standardisierung zu erzielen und „viral“ viele Partner ins Boot zu bekommen. »Alle Partner bekommen gleiche Rechte, wenn sie an Treffen der Hermes Founders’ Initiative teilnehmen, und können bei der Weiterentwicklung des Protokolls mitarbeiten und mitbestimmen«, so Bliem. »Das Protokoll soll weiter wachsen und noch mehr Aufgaben übernehmen. Sobald wir eine Art Quasi-Standard erreicht haben, kann IPC wieder ins Spiel kommen und die Standardisierung begleiten.«


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