Auch bei Zollner Elektronik beschäftigt man sich nach den Worten von Hans Traurig, VP Procurement von Zollner Elektronik, im Einkauf über EDI hinaus intensiv mit der Digitalisierung: »Wir wollen in diesem Jahr eine Supply-Chain-Plattform installieren, die wir global nutzen können.«
Rutronik ist nach Auskunft von Andreas Mangler, Director Strategic Marketing & Communications von Rutronik, zum Lieferanten immer elektronisch angebunden und ebenso zu Großkunden. »Wir müssen aber die Flexibilität haben, je nach Kunden verschiedene Schnittstellen anzubieten, die komplex oder weniger komplex sind, je nachdem ob IT-Expertise beim Kunden vorhanden ist oder nicht. Dazu gehören zum Beispiel auch APIs.«
Auch die Blockchain-Technologie könnte ihren Beitrag zur weiteren Digitalisierung im Einkauf und der Lieferkette leisten, wie Mangler erklärt: »Diese Technologie ist vielseitig verwendbar, um Prozesse eineindeutig zu machen und Produkten eine Historie zu geben, die nicht mehr veränderbar ist. Für die sichere Datenübertragung, sicherere Vernetzung und Einhaltung der neuen EU-Verordnungen könnte das ein Ansatz sein.«
Nun ist die Digitalisierung kein Selbstzweck, sondern soll dabei helfen, die Prozesse transparenter, effizienter – sprich schneller – zu machen. Kann die Digitalisierung auch dabei unterstützen, prekäre Verfügbarkeitssituationen zu entschärfen?
»Automatisierung ersetzt nicht die gute Planung«, entgegnet Hans Traurig. Hinzu kommt, dass die Automatisierung der Lieferkette bzw. die Digitalisierung der Bestände in turbulenten Beschaffungszeiten wie diesen an ihre Grenzen stößt. »Wir nehmen jedes allokierte Teil aus jeder Logistik heraus und begleiten es händisch. Denn die Sprünge, die wir ansonsten jede Woche durchrouten müssten, würden unsere Lieferanten gar nicht mitmachen«, so Traurig. Natürlich gebe es auch Kunden, die vorbildlich planen, aber trotzdem müsse noch eine manuelle Begutachtung erfolgen. Dass Abläufe rein digital vonstattengehen, wäre nach Ansicht von Traurig wünschenswert, »aber die Praxis ist aus unserer Sicht noch nicht so weit.«
»Die Liefersituation würde sich dabei nicht zwangsweise verändern.« Das bestätigt auch Andreas Mangler. »Wenn man vollautomatisiert EDI anwendet, hat man Forecasts, Frozen Forecasts etc. und ab einem gewissen Zeitrahmen wird der Forecast zum Auftragsbestand, und sobald ein Produkt als Allokation oder Liefertermin größer x Wochen gekennzeichnet ist, muss man es aus dem System herausnehmen, weil die Automatisierung nicht mehr funktioniert. Schließlich weiß man nicht, wann der tatsächliche Liefertermin ist.« Der Liefertermin ist eine der entscheidenden unbekannten Variablen im System. Rutronik löst dieses Dilemma, indem nicht der Liefertermin, den der Hersteller nennt, gesetzt wird, sondern der Liefertermin des Luftfrachtführers.
»Denn auch der Liefertermin des Herstellers birgt eine gewisse Unsicherheit. Das liegt daran, dass „last minute“ auch mal Aufträge geshiftet werden, wenn große Auftragsfertiger aus Asien Bedarf anmelden.« Wie im Verlauf der Markt&Technik-Diskussion deutlich wurde, ist der sprunghafte Bedarf aus Asien hauptverantwortlich für die aktuell sehr prekäre Verfügbarkeitssituation. Samsung und Apple brachten es im vergangenen Jahr zusammen auf 81,8 Milliarden Dollar Ausgaben für Halbleiter, was einem Anstieg von mehr als 20 Milliarden Dollar gegenüber 2016 entspricht. Insgesamt verbuchten Samsung und Apple 19,5 Prozent des weltweiten Gesamtmarktes auf sich. Das spüren auch die anwesenden Firmen, wie Hans Traurig bestätigt. „Asia first“ ist ein Problem, mit dem der Einkauf derzeit stark konfrontiert wird.
Diese Marktgegebenheiten sind allerdings gesetzt und auch durch eine stärkere Digitalisierung der Lieferkette nicht zu beseitigen. Den gordischen Knoten der Verknappung würde auch ein höherer Automatisierungsgrad in der Lieferkette nicht lösen, darüber sind sich die Teilnehmer des Roundtables einig. Aber die Datenqualität ließe sich dennoch verbessern – und das hätte durchaus positive Auswirkungen. »Die Hersteller könnten bei besserer Datenqualität besser planen. Aber damit das funktioniert, müssten sehr viele Player in der Lieferkette mitmachen. Es nützt nichts, wenn nur die großen ihre Daten überspielen«, sagt Alexander Becker, Team Leader Purchasing von EEPD.
Und zu viel Automatisierung kann überdies auch schaden: »Das war 2009 mit Beginn der Finanzkrise sichtbar, als sämtliche Systeme automatisiert Aktien verkauft haben, was letztlich die Krise befeuert hat«, resümiert Hermann Reiter.