Rechenzentren verbrauchen rund 40 Prozent ihrer Energie allein für die Kühlung der Mikroprozessoren. Das Empa-Spin-off 'Ionic Wind' ist davon überzeugt, dass Ionenwind diesen Energiebedarf drastisch senken könnte. Wie funktioniert diese Technologie genau und welches Potenzial bietet sie?
Neue Kühlmethoden mittels Ionenwind könnten eine drastische Energieeinsparung ermöglichen. Das Prinzip: Elektrische Felder wandeln elektrischen Strom direkt in einen Luftstrom um – effizienter als herkömmliche Lüfter. Bislang verhinderten jedoch die geringen Luftgeschwindigkeiten eine breite Anwendung. Nun hat ein Jungunternehmen nach eigenen Angaben einen Durchbruch erzielt: Ein spezieller Luftstromverstärker beschleunigt den Ionenwind dank optimierter Elektroden und einer strömungsgünstigen Gehäuseform erheblich.
»Wir beschleunigen Luft unmittelbar, indem wir sie elektrisch aufladen. Da der elektrische Strom direkt in einen Luftstrom umgewandelt wird, entfallen energieintensive und laute mechanische Komponenten wie Motoren oder Lüfterflügel«, erklärt Spin-off-Gründer Donato Rubinetti. Die Technologie wurde bereits erfolgreich für die nichtthermische Trocknung von Früchten eingesetzt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurde die Effizienz weiter verbessert, sodass der Luftstrom mehr als verdreifacht werden konnte. Die Kerninnovation sind sogenannte Nadelelektroden, die Ionenwind deutlich effizienter erzeugen als herkömmliche Drähte. Die Kombination dieser Spitzen mit dem Coandă-Effekt, der auch bei Flugzeugtragflächen oder Dyson-Ventilatoren genutzt wird, verstärkt den Luftstrom zusätzlich.
»Unsere maßgefertigten Nadelspitzen erreichen bis zu doppelt so hohe Luftgeschwindigkeiten wie herkömmliche Elektroden – und das bei geringerem Energieverbrauch«, betont Rubinetti. Anfangs wurde der Luftstromverstärker mit Drähten simuliert, doch in Laborversuchen zeigten sich Nadelspitzen als wesentlich effizienter. Zudem lassen sie sich kompakter in Gehäusen unterbringen, was die Technologie besonders für Miniaturanwendungen attraktiv macht.
Die Empa unterstützte das Spin-off mit ihrer Werkstatt in St. Gallen, wo Wolframspitzen für die Experimente gefertigt und Methoden zur Kostensenkung entwickelt wurden. »Für uns als Start-up ist es essenziell, dass wir künftig Spitzen mit identischen Eigenschaften in großen Mengen günstig produzieren können«, so Rubinetti.
Die entwickelte Technologie eignet sich besonders für Branchen, die auf Kühlsysteme, Trocknungsprozesse oder Luftreinigung angewiesen sind. »Unser größtes Potenzial sehe ich in der Kühlung von Computern, Servern und Rechenzentren«, erklärt Rubinetti. Laut ihm könnte der Ionic Wind Amplifier einen Großteil der Kühlenergie einsparen. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Lüftern sind vielversprechend: »Er ist leise, vibrationslos und kommt ohne mechanische Komponenten wie Motoren oder Schaufelräder aus. Luft wird durch Plasmaprozesse beschleunigt – ein Prinzip, das auch als Ionenantrieb für Satelliten verwendet wird«, erläutert Rubinetti. Besonders spannend ist die Technologie für Server, da sich die Lüfterleistung um 60 Prozent reduzieren ließe. Auch eine optimierte Luftumwälzung in Server-Racks könnte Rechenzentren ermöglichen, pro Grad Temperaturerhöhung rund sechs Prozent Energie einzusparen – allein per Retrofit.
Zudem bietet die Technologie Vorteile für kompakte Geräte mit begrenztem Platzangebot. »Bei Laptop-Lüftern benötigen wird nur ein Drittel der herkömmlichen Energie zur Kühlung. Das erlaubt eine Miniaturisierung der Komponenten und eine höhere Energieeffizienz.«
Markteintritt und Hindernisse
Der Markt für energieeffiziente Kühltechnologien ist enorm: »In Rechenzentren liegt das Marktvolumen bei rund 19 Milliarden US-Dollar“, schätzt Rubinetti. »Gleichzeitig ist Kühlung in Rechenzentren ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Systeme. Für eine erfolgreiche Validierung unserer Technologie suchen wir jetzt den richtigen Partner – idealerweise für eine Pilotanlage«.
Obwohl bereits viele Gespräche geführt wurden, bleibt der Markteintritt eine typische Herausforderung für Start-ups. Aktuell prüfen die Gründer, welche Akteure in der Lieferkette von Rechenzentren sich am besten für eine Implementierung eignen. »Wir wollen deutliche Energieeinsparungen erzielen durch gleichmässigere Kühlbedingungen, betont Rubinetti. Der Ionic Wind Amplifier ist sowohl für neue Installationen als auch als Nachrüstlösung geeignet.
Bisher finanziert sich »Ionic Wind« durch Fördermittel für den Technologietransfer und Aufbau des Geschäfts, wie BRIDGE Proof-of-concept (Schweizerischer Nationalfonds und Innosuisse), Venture Kick, Kickfund und InnoBooster (Gebert Rüf Stiftung). Zudem wurde das Spin-off für ihre Geschäftsidee mit dem „Startfeld Rohdiamanten“-Preis der St. Galler Kantonalbank ausgezeichnet.
Die innovative Luftstromverstärkertechnologie soll völlig neue Anwendungsfelder erschließen. So die Hoffnung der Gründer. Der Fokus liegt derzeit auf der Kühlung von Rechenzentren und Anwendungen im Consumer-Electronics-Markt. »Wir produzieren die Luftstromverstärker selbst und wollen künftig Komponenten verkaufen. Dank unserer Patente und weiteren Ideen wäre auch ein Lizenzmodell denkbar«, so Rubinetti. Der Weg zur Marktreife bleibt für die Gründer eine Herausforderung. »Aber wir lösen wichtige Probleme – das motiviert uns dranzubleiben.«