Aluminiumkühlkörper in der Elektronik haben eine sehr hohe Klimarelevanz. Wie Alutronic mit dieser Verantwortung umgeht und wie die CO2-Bilanz eines in der EU gefertigten Kühlkörpers im Vergleich zu einem Import aus Asien ausfällt, erläutert Geschäftsführer Tim Schlachtenrodt im Interview.
Markt&Technik: Nachhaltigkeit wird für alle Bereich der Elektronikindustrie immer wichtiger. Welchen Stellenwert nimmt dieses Thema in ihrem Unternehmen ein?
Tim Schlachtenrodt: An erster Stelle steht für uns die Wirtschaftlichkeit. Aber wenn eine Entscheidung nur wirtschaftlich vernünftig ist und nicht auch nachhaltig vernünftig, dann oft nur deswegen, weil man seine Perspektive verkleinert hat. Dann hat man vielleicht viele langfristig relevante Aspekte einfach ausgeklammert, etwa die Stabilität der Lieferkette in der Zukunft, die Material- und Energieeffizienz von Produkten, Prozessen und Investitionsgütern oder den Effekt auf unsere gemeinsame Umwelt. Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit und ist für uns nicht Ziel, sondern Methode.
Sie haben sich schon früh mit Klimaschutz beschäftigt, was gab den Ausschlag?
Dass Klimaschutz kein Trend wird, sondern eine Notwendigkeit, hat spätestens beim COP Paris 2015 jeder erkannt. Klimaschutz wurde verbindlicher und nahm Einzug in die Gesetzgebung. Wir haben folglich 2015 mit der ersten CO-2 Bilanz begonnen. In den Jahren 2016 bis 2019 haben wir an dem vom Bund geförderten Projekt „REGINEE“ (SIHK Netzwerk für Energie – und Ressourceneffizienz) teilgenommen. Mithilfe des Netzwerks konnten wir unseren anteiligen Energiebedarf um über 20 Prozent senken. Das haben wir über simple To-Dos erreicht wie ein Leckagen-Check für Druckluft, Feineinstellung der Heizanlage, Umstellung auf LED im gesamten Betrieb, modernere Gleichrichter und effizientere Kälte- und Wärmetechnik für unser Eloxalwerk. Des Weiteren beziehen wir seit 2015 Strom aus regenerativen Energien, haben unseren Fuhrpark zum größten Teil auf EVs umgestellt inkl. ausreichender Lademöglichkeiten. Außerdem geben wir durch verschiedene Maßnahmen jährlich weniger Geld für Entsorgung aus. Mit mehreren Kunden setzen wir zum Beispiel. jetzt Mehrwegverpackungen ein. Wir haben von 2017 bis 2022 für unsere Kunden durch Ankauf von Zertifikaten die CO2-Emissionen ihrer Produkte um insgesamt 4.000 Tonnen CO2e verringert – und das preisneutral. Mittlerweile sehen wir allerdings vom Ankauf von Zertifikaten ab. Da haben andere Investitionen einen weitaus höheren Effekt.
Haben Sie in diesem Zusammenhang eine Nachhaltigkeitsstrategie definiert?
Nein. Dass wir ohne Ziel und Prädikat auskommen, ist vielleicht der Vorteil eines kleinen Familienunternehmens. Wir gehen das pragmatisch an, der Weg ist das Ziel! Einen echten Effekt hat eine Maßnahme sowieso nur dann, wenn sie praktisch umgesetzt wird. Egal von wie vielen Worten die Maßnahme vorher oder nachher begleitet wird.
Wie groß ist der Einfluss, den ihr Unternehmen bzw. ihre Branche auf den Klimaschutz hat?
Erst einmal möchte ich das gerne relativieren. Den eigenen Impact in Zahlen zu vergleichen, ist nicht echt ein Motivator. Warum sollen „wir“ uns bewegen, wenn „die“ da drüben noch mit billiger Braunkohle Strom erzeugen? Solche Fragen machen aus unserer Sicht keinen Sinn. Alutronic kann als kleiner Mittelständler nur als Beispiel dienen, dass es sich lohnt, Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Es macht Sinn und fördert den Erfolg.
Der Aluminium-Kühlkörper ist aber durchaus ein Produkt, dass man genauer anschauen sollte, wenn man nachhaltige Produkte oder Systeme entwickeln will.
Ja, Aluminiumkühlkörper in der Elektronik haben aber eine sehr hohe Klimarelevanz. Gerade finden das auch viele Elektronikunternehmen heraus, die sich mit dem Product Carbon Footprint ihrer Baugruppen beschäftigen. 1 kg Aluminium Kühlkörper aus China, importiert auf dem Seeweg, erzeugt 30 kg CO2-Emissionen. Auf dem Luftweg Dongguan-Frankfurt sogar 50k g.Und das bei einem für China überdurchschnittlich Anteil von 20 Prozent Sekundäraluminium. Der Durchschnitt für Kühlkörper gepresst und verarbeitet in der EU, mit gemittelten Logistikwegen und dem hiesigen Energiemix, liegt bei 9 kg CO2/Alu kg bei einem durchschnittlichen Anteil an Sekundäraluminium von 20 Prozent. Alutronic lieg mit dem überdurchschnittlichen Recyclinganteil seines Vormaterials von 60 Prozent bei knapp 5 kg CO2 pro Kilo Aluminium. Es sind mittlerweile zertifizierte Legierungen mit einem Fußabdruck von 2 kg Co2/Alu kg auf dem Markt verfügbar. Wenn sich Elektronik-Hersteller und Abnehmer von Aluminiumbauteilen wie Kühlkörpern, Gehäusen und Konstruktionsteilen mal zusammenrechnen, wie viele Kilogramm Aluminium sie jährlich verbauen, und woher sie es beziehen, können sie sich mit diesen Zahlen schnell ihren möglichen Beitrag zum Klimaschutz ermitteln.
Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit denn heute bei Ihren Kunden? Können Sie ein verändertes Verhalten ausmachen?
Die konkreteste Veränderung beobachten wir zunächst auf dem Beschaffungsmarkt. Manche Aluminium-Presswerke bieten jetzt klimafreundlichere Legierungen an, initiiert durch die Bedarfe der Automobil- und Baubranche. Direkten Bedarf für diese Legierungen sehen wir bei unseren Kunden noch nicht. Aber unsere Kunden werden offener und neugieriger bei dem Thema Klimaschutz. Zu Anfang wurde unser Engagement einfach zur Kenntnis genommen und wir waren eher bemüht, dass wir nicht in das Regal „bio = teuer“ abgelegt wurden. Dann kamen erste Nachfragen und die Fragen werden jetzt auch konkreter. Das ist eine positive Entwicklung!
Insgesamt macht es den Eindruck, dass die Elektronikindustrie mittlerweile auf einem guten Weg ist, Klimaschutz umzusetzen. Gibt es Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken?
Ja, da bewegt sich was. Optimistisch in die Zukunft blicken kann man. Am besten mit Interesse an dem Thema und Mut zu Veränderung. Ich denke das ist der bessere Weg sich dem Thema Nachhaltigkeit zu stellen als sich Jahr für Jahr neuen Regularien anzupassen –oder zu versuchen, sie zu umsegeln oder auszusitzen. Ich denke, dass entdecken jetzt mehr und mehr Unternehmen in der Elektronik-Welt: Klimaschutz ist vernünftig und gut für das Geschäft. Er steigert die Effizienz, Resilienz und Umsicht. Klimaschutzmaßnahmen verbessern das Arbeitsgeberprofil und die Attraktivität als Lieferant.
Welche weiteren Schritte planen Sie, um künftig noch mehr CO2 einzusparen?
Wir wollen den Anteil Sekundäraluminium in unserem Vormaterial weiter erhöhen. Wir werden vermehrt auf „grüne“ Legierungen setzen. Die größten Potentiale können wir allerdings gemeinsam mit unseren Kunden heben. Projekt für Projekt. Wenn wir zum Beispiel gemeinsam das Gewicht eines Kühlkörpers reduzieren können, sinkt der Preis, die Anfälligkeit für Materialpreisschwankungen und der CO2-Fußabdruck. Man kann sich gemeinsam laufende Kühlkörper aus Asienimport anschauen und Lösungen für deren Herstellung in Europa finden. Unsere Kunden können sich an der Auswahl der Legierung und der Logistik ihrer Kühlkörper beteiligen und so direkt Einfluss auf Ihre eigene Nachhaltigkeit gewinnen. Es sind viele kleine Schritte.
Und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf von Seiten der Politik oder Verbände? Wo würden Sie sich künftig mehr Unterstützung wünschen?
Ich finde es gibt schon viele Fördertöpfe, Netzwerke und Unterstützung bei dem Thema. Aber irgendwie sitzen bei den Treffen immer nur die bereits Bekehrten und die üblichen Verdächtigen. Vielleicht könnte darin investiert werden, das Positive am Klimaschutz hervorzuheben. Eine entsprechende Kampagne oder eine erste CO2 Bilanz „for free“ um zu ersten Erkenntnissen zu gelangen. Das Thema ist komplex und der Zeigefinger wird schnell gehoben oder zeigt in alle Richtungen. Aber wenn man es praktisch angeht, auf das eigene Geschäftsmodell bezogen, ist es gar nicht so kompliziert.
Noch eine Frage zum Abschluss: Haben sich die Klimaschutzmaßnahmen, die Sie in den letzten Jahren getroffen haben, ausgezahlt? Und welche Erfahrungen können Sie weitergeben?
Dass sich unsere Klimaschutzmaßnahmen ausgezahlt haben, kann ich ohne zu zögern bestätigen. Erstens haben wir gar nicht viel „eingezahlt“ und zweitens liegen die Kostenersparnisse ja auf der Hand. Es hat vor allem unseren eigenen Blick auf unser Unternehmen und unsere Prozesse geschärft und es schärft auch unser Profil gegenüber unseren Kunden. Es kam vor, dass ein Kunde unser Engagement wertschätzt und uns für seine Anfrage „das letzte Wort“ gab, als ihm bereits alle Angebote vorlagen. Das war nicht nur ein wohltuendes Feedback, sondern in dem Fall auch ein echter Wettbewerbsvorteil.
Unsere Erfahrung ist: Wenn man seinen eigenen Impact erstmal identifiziert hat, wird es eigentlich ganz einfach. Dafür gibt es geförderte Beratung oder kostenfreie Tools wie z.B. ecocockpit.de. Als nächstes machen Netzwerke Sinn, welche es zu dem Thema vielerorts gibt. Lieferanten, Kunden und die eigene Belegschaft involvieren. Aus unserer Erfahrung bricht man damit keine Revolution los, aber man begibt sich auf einen gemeinsamen Weg und das bindet und motiviert. Gerne können Interessenten – auch Marktteilnehmer – Alutronic ansprechen. Wir unterstützen.
Alutronic stellt auf der electronica in Halle B3, Stand 361 aus.