Steckverbinder-Standard RJ45

Sinnvoll für industrielle Awendungen?

11. April 2018, 7:26 Uhr | Von Herbert Endres
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Warum wird all dieser Aufwand getrieben?

Bild 3. Für manche Applikationen gibt es RJ45-Steckelemente, die mit einer Gummikappe samt Dichtlippen versehen sind und auf diese Weise der Schutzart IP55 entsprechen.
Bild 3. Für manche Applikationen gibt es RJ45-Steckelemente, die mit einer Gummikappe samt Dichtlippen versehen sind und auf diese Weise der Schutzart IP55 entsprechen.
© Herbert Endres

Diese kundenspezifische Lösungen haben allesamt einen ein­fachen Grund: Man will es ermöglichen, dass Servicepersonal weltweit in der Lage ist, mit einem ordinären Patchkabel und einem Laptop an diesen Schnittstellen Signale abzugreifen. Das wäre sogar in Nepal an einer Flaschenabfüllanlage möglich!

Es bieten sich aber auch alternative Schnittstellen für Ethernet-Schnittstellen an. Ein neues Steckgesicht, das RJ Point Five genannt wird, adressiert drei Schwachpunkte des herkömmlichen RJ45:

  • Das Platzproblem, wenn viele Verbindungen Seite-an-Seite in einer »Pizzabox« – also einem 19-Zoll-Einschub – untergebracht werden müssen. Das bisherige System hat einen Buchsenabstand von 13,97 mm im verketteten Gehäuse und bis zu 19 mm, wenn geschirmte Buchsen einzeln in die Frontplatte gesetzt werden.
  • Die historisch bedingte Kontaktbelegung des Aderpaares »3 & 6« mit erhöhtem Nebensprechen auf die Nachbarkontakte bereitet Kompensationsprobleme in der Buchse und im Stecker.
  • Die Piercing-Kontaktierung der Aderpaare in den Stecker ist kritisch, wenn der Aderaufbau und die Isolation der Adern nicht optimal auf die Messerkontakte des Steckers abgestimmt sind.
Bild 4. RJ45 benötigt lediglich eine Breite von 7 mm pro Port
Bild 4. RJ45 benötigt lediglich eine Breite von 7 mm pro Port
© TE Connectivity

TE Connectivity hat vor einigen Jahren den RJ.5 (Bild 4) entworfen, der eine Breite von 7 mm pro Port benötigt und – wegen des zu breiten Daumens – für die Entriegelung Zuglaschen am Stecker vorsieht. Trotz alledem gibt es Lichtleiter oder LEDs in der Buchse, die über Indikatoren im Stecker zur einfachen Aktivitätskontrolle des Ports verlängert sind.

Aufgrund der Dichte der Anschlusspins sind die Buchsen in Einpresstechnik ausgeführt. Die Aderkontaktierung erfolgt im feldanschlagbaren Stecker über eine verbesserte Piercingtechnik mit Aderführung der AWG26-Drähte. Natürlich ist der RJ.5 wegen der Steckerdichte (siehe Doppelstöcker mit 2 × 8 Ports in der Bildmitte von Bild 4) hauptsächlich für Router, Switches und Storage vorgesehen. 

Bild 5. Der zweireihige Mini I/O (rechte Bildhälfte; Raster 1,27 mm) ist viel kleiner als der RJ45 (links mit dem Raster 1,016 mm).
Bild 5. Der zweireihige Mini I/O (rechte Bildhälfte; Raster 1,27 mm) ist viel kleiner als der RJ45 (links mit dem Raster 1,016 mm).
© TE Connectivity

Eine weitere Variante, der Mini I/O, kam 2016 für den industriellen Bereich auf den Markt. Das Steckgesicht mit acht Kontakten (Bild 5) in zwei Reihen im Raster 1,27 mm hat zwei Kodiervarianten. Lichtindikatoren sind nicht vorgesehen; andererseits benötigt der Mini I/O auch nur einen Frontplattenausschnitt von 11 mm × 9,5 mm und eine Schirmanbindung an die Frontplatte ist auch nicht vorgesehen. Der Stecker erlaubt den Anschluss von 8 × AWG26-Piercingtechnik mit Aderführung oder 4 × AWG22, die angelötet werden.

Die sehr stabile Rastverriegelung findet zwischen den Metallkrägen der Schirmungen statt und wird – ähnlich wie beim SFP – durch einen Kunststoffschieber im Stecker gelöst. Neben vertikalen und abgewinkelten Buchsen für SMT-Verarbeitung gibt es auch Kabelkupplungen, die als Frontplattendurchführungen benutzt werden können. Diese sind ebenfalls durch Piercingtechnik mit Aderführung der AWG26-Drähte feldinstallierbar.

M12 – das »Arbeitspferd«

Bild 6. Der schraub- oder schnellverriegelte M12-Rundsteckverbinder ist das „Arbeitspferd“ für industrielle Elektronik-Applikationen. (Bild: Molex)
Bild 6. Der schraub- oder schnellverriegelte M12-Rundsteckverbinder ist das Arbeitspferd für industrielle Elektronik-Applikationen.
© Molex

Der schraub- oder schnellverriegelte M12-Rundsteckverbinder (Bild 6) ist mittlerweile das »Arbeitspferd« für industrielle Elektronik-Applikationen. Es gibt zwischenzeitlich mehr als zehn Kodierungen, die Fehlsteckungen für Polzahlen von drei bis zwölf Kontakten ausschließen. Hierzu gehört auch die achtpolige X-Kodierung, welche die für Ethernet erforderlichen vier Aderpaare sauber getrennt in geschirmten Kammern dieses Rundsteckverbinders beinhaltet und CAT6A-Betrieb bis 10 Gbit/s zulässt.

Dies alles ist sogar in einer IP67-wasserdichten Ausführung mit Metallgehäuse und mit Schneidklemmtechnik zum schnellen Kabelanschluss verfügbar.   
Die Nachteile liegen auf der Hand: Die M12-Lösung ist größer (20 mm Durchmesser wegen der Verriegelung) und teurer als die genannten Alternativen. Die Anbindung der abgewinkelten Buchse an die Leiterplatte des Gerätes bereitet wegen der rückseitigen Montage und der Toleranzen bei mehreren Ports Kopfzerbrechen.

Die X-kodierte M12-Lösung setzte sich dennoch durch; wohl auch, weil Aspekte wie Wasserdichtheit und Robustheit unschlagbare Argumente sind. Damit schließt sich der Kreis, und die ursprüngliche Frage ist damit immer noch nicht beantwortet: Ist der RJ45 sinnvoll für industrielle Anwendungen?

Die Antwort kann nur »ja, aber« lauten: Ja, weil die Kosten für RJ45 unschlagbar sind, die Universalität einmalig ist und die Produktvielfalt (inklusive der RJ45 mit integrierten Übertragern und zugehöriger »3 & 6«-Kompensation) die absolut breiteste Palette abdeckt.

»Aber« muss man hinzufügen, weil es Anwendungen gibt, die den RJ45 schlichtweg überfordern. Sei es wegen der Portdichte, wegen der Wasserdichtheit, wegen Kabelzug oder wegen der erforderlichen Drahtquerschnitte im industriellen Bereich.
Man muss sich all dessen bewusst sein, wenn man einen RJ45 ins Industriedesign übernimmt.

Aber als Entwickler muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass der Nepalese nur einen Laptop mit einem RJ45-Patchcord hat, wenn er seine Anlage warten muss. Wäre an der besagten Anlage eine Schnittstelle mit einem besser geeigneten Steckgesicht vorgesehen, so wäre es fraglich, ob er dafür auch das geeignete Adapterkabel parat hätte.


  1. Sinnvoll für industrielle Awendungen?
  2. Warum wird all dieser Aufwand getrieben?

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Molex Deutschland GmbH

Weitere Artikel zu TE Connectivity

Weitere Artikel zu Componeers GmbH

Weitere Artikel zu Stecker, Steckverbinder