Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) hilft in der Smart Factory, ungeplante Maschinenstillstände zu vermeiden. Lapp hat kürzlich ein Produkt vorgestellt, das in Ethernet-basierten Netzwerken der Automatisierungstechnik die Lebensdauer von ausfallgefährdeten Datenleitungen überwacht.
Dank Industrie 4.0 und Digitalisierung lässt sich die Wartung in Zukunft deutlich effizienter gestalten. Verantwortlich dafür ist die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance). Diese basiert auf Sensordaten, die das System während des Prozesses erfasst und auswertet und dadurch Rückschlüsse auf den tatsächlichen Verschleiß von Bauteilen möglich sind.
Auch Verbindungssysteme wie Leitungen oder Steckverbinder lassen sich so überwachen. Leitungen können in der Regel zwar viele Jahre problemlos verwendet werden, aber gerade bei hochdynamischen, anspruchsvollen Anwendungen mit hohen Geschwindigkeiten und starker Torsion ist die Überwachung der Verbindungssysteme sinnvoll, weil sich so unvorhergesehene Stillstände und Produktivitätseinbußen vermeiden lassen.
Zustandsanzeige in Echtzeit
Lapp, ein weltweit agierender Hersteller für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie, hat genau dafür den Etherline Guard entwickelt – ein stationäres Überwachungsgerät in der Größe einer Streichholzschachtel, das die Performance einer Datenleitung auswertet. Dies geschieht auf Basis von Daten, die eine Sensorik aus deren physikalischen Eigenschaften ermittelt. Durch eine solche Echtzeit-Zustandsanzeige können Anwender die Verschleißgrenze einer Leitung erkennen und den optimalen Austauschzeitpunkt im Voraus planen.
Lapp empfiehlt den Etherline Guard vor allem für Datenleitungen gemäß Übertragungsstandard 100BASE-TX nach IEEE 802.3, aber auch für EtherCAT-, EtherNET/IP- und zweipaarige Profinet-Anwendungen, wie zum Beispiel der Etherline Torsion Cat.5 oder der Etherline PN Cat. 5 FD. Diese Leitungen sind häufig Teil von Schleppketten oder torsionsbehafteten Kabelführungen, wie sie in Roboterarmen vorkommen. Der Etherline Guard ist für die Hutschienenmontage vorbereitet und mit der Schutzart IP20 für den Montageort Schaltschrank vorgesehen.
Der Etherline Guard wird mit einer Gleichspannung von 24 V betrieben, ist für einen Temperaturbereich von −40 °C bis +75 °C vorgesehen und gemäß DIN EN 60529 vibrations- und schockfest. Er sitzt zwischen der kritischen Anwendung bzw. der zu überwachenden Leitung und der Steuerungsseite in einem Datenleitungsknoten. Die Inbetriebnahme ist auch ohne IT-Expertise möglich und erfolgt mit einer automatisierten und selbstlernenden Parametrisierung (Teach-in) in wenigen Minuten. Auch sind für die Anwendung keine fabrikneuen Datenleitungen oder Änderungen am Kabeldesign nötig; ein Retrofit in die bestehende Netzwerkstruktur ist jederzeit möglich.
Der Etherline Guard ist als eine kabelgebundene LAN-Variante „PM03T“ und als eine kabellose WiFi-Variante „PM02TWA“ erhältlich. Dank der zwei Varianten und einem recht breiten Spektrum an Anschlussmöglichkeiten kann der Anwender entscheiden, wie das Gerät die benötigten Statusinformationen an die übergeordnete Prozessebene übertragen soll. Am Gerät selbst lässt sich der Kabelstatus an einer der rundum sichtbaren LEDs via Ampelsystem schnell erkennen: Leuchtet es dauerhaft grün, funktioniert die Leitung perfekt und arbeitet innerhalb der Spezifikationen. Meldet das Web Interface den gelben Bereich bzw. blinkt die Status-LED rot, sind bereits erste Verschleißerscheinungen eingetroffen und es entsteht Handlungsbedarf – Prüfung, gegebenenfalls Austausch. Leuchtet die LED dauerhaft rot, ist das Ende der Lebensdauer erreicht, spätestens jetzt ist die Datenübertragung eingeschränkt.
Algorithmen warnen frühzeitig
Unregelmäßigkeiten in den analysierten Daten erkennen die Predictive-Maintenance-Algorithmen. Über die beiden digitalen Ausgänge Q1 und Q2 lässt sich der Kabelstatus als Schaltsignal oder als analoges pulsweitenmoduliertes Signal (PWM) ausgeben, wobei der Anwender die Alarmschwelle für den Schaltausgang Q1 vorgeben kann. Sowohl die LAN- als auch die WiFi-Variante können den Kabelstatus via MQTT ausgeben. So ist eine verlässliche IIoT-Kommunikation garantiert. Die Daten können ebenso durch Nutzung des Access Points beispielsweise ganz einfach mit einem mobilen Endgerät ausgelesen werden. Weiterhin ist es möglich, sämtliche Daten über mehrere Jahre hinweg auf einer (micro)SD-Karte zu speichern. Die aktuelle Performance der Datenleitung wird bei beiden Varianten in Prozent angegeben.
Alarm schlägt der Etherline Guard, wenn die Übertragungseigenschaften einer Leitung nachlassen und ein Ausfall drohen könnte. Die Alarmauslöseschwelle ist werkseitig auf 80 Prozent eingestellt, der Anwender kann sie aber individuell zwischen 99 Prozent und 21 Prozent anpassen.
Ein Schritt zur Smart Factory
Bereits in seinem futureLab auf der Hannover-Messe 2019 stellte Lapp einen ersten Prototypen des Etherline Guard vor. Dass potenzielle Kunden diesen frühzeitig zu sehen bekamen, half dem Unternehmen bei der Entwicklung, denn dank deren Feedback konnten die Entwickler die Bedürfnisse des Markts berücksichtigen. Ab 2020 folgten Pilotprojekte bei drei Kunden aus Medizintechnik, Automotive und Intralogistik sowie im firmeneigenen Dienstleistungs- und Logistikzentrum in Ludwigsburg.
Auf diese Weise sammelte das Entwicklerteam wichtige Erkenntnisse, zum Beispiel zum Alterungsprozess von Ethernet-Leitungen. So stellte sich etwa heraus, dass in den meisten Fällen nicht – wie oft angenommen wird – ein Drahtbruch im Kupferleiter das Ende der Lebensdauer einer dynamisch bewegten Datenleitung verursacht. Stattdessen ist oft die Abnutzung und Veränderung in der Isolationsschicht Grund für die Verschlechterung der Übertragungseigenschaften von Datenleitungen.
Auch lernte Lapp dadurch einiges über die Wünsche der Kunden: So bevorzugen viele Maschinenbauer bei IIoT-fähigen Geräten ein verdrahtetes Produkt, nur wenige wünschten ein funkgebundenes. Dies war der Grund, warum sich das Unternehmen dafür entschied, den Etherline Guard sowohl mit als auch ohne Funkmodul anzubieten. Darüber hinaus war Kunden eine einfache Bedienung bei gleichzeitig komplexen Funktionen wichtig sowie kompakte Maße und ein günstiger Preis. Dank dem kundennahen Entwicklungsprozess kann Lapp seinen Kunden nun einen weiteren Baustein für ihren Weg zur Smart Factory bieten.